Schwetzingen. Bei den SWR Festspielen wird weitaus mehr geboten als nur Musik. Denn ein Künstlertrio, bestehend aus Sarah Maria Sun, Tamara Miller und Grace Ellen Barkey, hat eine ganz besondere Installation mit dem Namen „Imagined Garden“ konzipiert. Während der Festspiele wird diese in der Orangerie des Schlosses zu sehen sein. Das Besondere: In diesem Kunstprojekt vereinen sich darstellende Kunst, Botanik sowie Licht- und Klanginstallationen.
In mühevoller Handarbeit ist auf diese Weise ein Erlebnisraum entstanden, der die kleinen Wunder der Natur und die mysteriöse Kommunikation von Pflanzen mit ihren Artgenossen darstellen soll. Besonders der Lebenszyklus der Pflanzen steht dabei im Vordergrund – vom ersten Aufblühen bis zum Tod durch einen langwierigen Verwelkprozess.
Im Interview verraten die Künstlerinnen, was sie inspiriert und welche kuriosen Objekte bei ihrem ersten gemeinsamen Projekt„Imagined Garden“ zu sehen sein werden.
Die Idee zu „Imagined Garden“ hatte Sarah Maria Sun – wie haben Sie überhaupt als Trio zueinandergefunden?
Grace Ellen Barkey: Wir wurden beide von Sarah eingeladen. Sie wollte eine Installation über die Intelligenz von Pflanzen im Team mit Tamara und mir machen. Zwangsläufig kamen wir bei der Vorarbeit auf den Klimawandel zu sprechen und darauf, wie er ihre und unsere Welt verändert. Die Verletzlichkeit der Natur wird in unserer Installation thematisiert. „Imagined Garden“ ist daher jetzt das Wichtigste, an dem ich arbeite.
Wie sind Sie bei der Planung dieses Projekts vorgegangen?
Barkey: Ich bemerke eine Melancholie, die mich überfällt, weil der Klimawandel schnell voranschreitet und große Teile der Natur unserem menschlichen Tun zum Opfer fallen. Für „Imagined Garden“ wollte ich atmosphärisch in die gleiche Richtung gehen. Dabei war es mir wichtig, den Raum selbst und seine Umgebung genau zu betrachten. Ich habe versucht, die Orangerie in einen sehr bunten, farbenfrohen Raum zu verwandeln. Und dann habe ich mir auch den Garten selbst angeschaut – die ganzen schönen Wege und die weißen Mauern mit ihren kleinen Steinen. Davon inspiriert werde ich auch ein Mosaik aus solchen Steinen auf dem Boden umsetzen. Für mich ist sowohl das Thema sehr wichtig, als auch die Umgebung der Installation.
Warum heißt diese Installation denn „Imagined Garden“? Wo setzen Sie dabei an?
Barkey: Sie trägt diesen Titel, weil unsere eigene Vorstellungskraft zum Wichtigsten zählt, was wir brauchen, um diese Welt zu retten. Und wir müssen diesem Gefühl vertrauen – sowie unserer eigenen Vorstellungskraft. Daher ist es wichtig, Kunst einen Platz einzuräumen, in dem sich Vorstellungskraft über Metaphern und Abstraktionen und Assoziationen ausdrücken kann. Im Prinzip ist es das Erfinden von Momenten. Wir erschaffen jetzt im Schlossgarten eine neue Welt – mit all den Beobachtungen, die wir in der Realität gemacht haben.
Wie sind Sie mit der künstlerischen Leiterin der Festspiele Heike Hoffmann in Kontakt gekommen?
Sarah Maria Sun: Heike und ich kannten uns bereits von anderen Projekten. Ich habe mich an sie gewandt, weil ich den künstlerischen Rahmen des Festivals kannte und wusste, dass es für dieses Projekt ideal wäre, in einem Garten oder einem Park stattzufinden.
Wie entwickelt die Ausstellung die Konzeption des Schlossgartens weiter?
Sun: In jedem Park wird die Natur bereits in extremer Form manipuliert. Deswegen genießen wir sie dort besonders gern. Menschen befinden sich gerne in einer gezähmten Natur – sorglos und frei. Im Laufe der menschlichen Evolution haben wir den ganzen Planeten allmählich in einen gezähmten, wildtierfreien Park verwandelt. Grace und Tamara werden in der Orangerie diese Manipulation weitertreiben. Zum Beispiel durch die Verwendung ihrer Materialien. Die Farbenpracht auf 600 Fensterscheiben wird durch Plastikfolien entstehen, manipuliertes Erdöl also, das wiederum ursprünglich aus gepressten, organischen Stoffe besteht. Die Klangobjekte bilden pflanzliche Kommunikation ab, bestehen jedoch aus Metall.
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Wie funktioniert diese Installation musikalisch?
Tamara Miller: Ich trete hier nicht primär als Komponistin auf, aber trotzdem werden komponierte „Klänge“ zu hören sein. Mittelgroße, von mir gebaute Objekte aus Metall werden durch ganz kleine Motoren ausgelöst, zum Beispiel durch Zylinderspulen. Und diese bewegen sich sehr behutsam und können somit kleine Klänge erzeugen. Die Komposition ist also ein programmiertes System, das mithilfe der Motoren kommuniziert.
Wie kommunizieren die Bauteile untereinander?
Miller: Das System ist ständig in Bewegung – nur sehr, sehr langsam. Es gibt fortwährend zarte Geräusche, die so fragil sind, wie die Pflanzen selbst. Die Besucher müssen also sehr gut zuhören und zusehen.
Und das Licht?
Grace: Ich habe Blumen gepflückt und sie beobachtet, während sie verwelkten. Davon habe ich Fotos gemacht. Im Anschluss habe ich diese Bilder auf Transparentfolien übertragen und diese dann mit anderen Bildern von weiteren verwelkenden Blumen kombiniert. So entstehen völlig neue Muster. Dieser Arbeitsprozess ist sehr langsam. In jedem Fall waren die Ergebnisse dadurch immer stark abstrahiert – und vor allem bunt . . .
Sun: Besucher erleben also, wenn sie die Orangerie betreten, eine farbenprächtige Explosion von Blumenbildern – und erst beim genauen Hinsehen bemerken sie, dass es sich um einen Sterbeprozess handelt. Mehr als 600 Fenster werden von farbigen, transparenten Folien bedeckt sein, die Grace gestaltet hat. Es sind ebenso viele einzelne Blätter mit Blumen in verschiedenen Stadien des Verwelkens, also Phasen der Sterblichkeit. Die Besucher sind trotzdem umgeben von dieser besonderen Farbexplosion – und das bei etwas, das eigentlich im Sterben liegt. Diese Schönheit des Sterbeprozesses vermischt sich dann mit persönlichen Erfahrungen.
Inwiefern orientiert sich „Imagined Garden“ an der Wissenschaft?
Sun: Auch zu Tamaras System fällt mir noch etwas ein. Denn ihr Konzept ist mit einer Entdeckung verwandt, die Menschen vor kurzem erst im Wald gemacht haben. Als wir unsere gemeinsame Reise für „Imagined Garden“ vor etwa fünf Jahren begannen, fanden wir gemeinsam etwas über eine Wissenschaftlerin namens Suzanne Simard heraus.
Wer war sie – und was habt ihr herausgefunden?
Sun: Sie war die erste Wissenschaftlerin, die nachweisen konnte, dass Bäume miteinander kommunizieren und unterirdisch Informationen austauschen. Und zwar über das „Mycel“ – also die Pilze, die unter der Erde im Boden wachsen und die Wurzelsysteme der Bäume bedecken. Simard konnte beweisen, dass es sogenannte „Mutterbäume“ gibt, die Nährstoffe und Informationen in größerem Umfang an ihre Nachkommen weitergeben, als an andere Bäume. Bäume können zwischen ihren Nachkommen und anderen Bäumen unterscheiden. Tamaras Metallobjekte werden in einem ähnlichen System untereinander kommunizieren.
Miller: Mein System ist eine Art kontrollierter Nachbau. Der Strom fließt in bestimmten Rhythmen durch die „Wurzeln“. Ein solches Wurzelkommunikationssystem ist den Impulsen in unserem Gehirn erstaunlich ähnlich. Es ist nicht völlig zufällig, da es innerhalb eines bestimmten Rahmens möglicher Aktionen programmiert ist und versucht, sich so organisch wie möglich zu verhalten.
Welche Botschaft wollt ihr verbreiten? Wollt ihr einen bestimmten Gedanken anstoßen oder ist „Imagined Garden“ nur ästhetisch ansprechend?
Barkey: Das Auslösen einer Botschaft oder einer Vorstellung ist bereits eine merkliche Veränderung. Der Wille etwas zu verändern und die Veränderung selbst brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Unsere Installation soll den Menschen Raum geben, nachzudenken. Zum Beispiel darüber, dass wir die Natur nicht mehr als permanent und unsterblich hinnehmen können.
Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche für den Rest von uns in diesem Jahr?
Barkey: Hoffnung und Freude sind mir für die Festspiele in diesem Jahr wichtig. Ich persönlich hoffe, dass zu diesen Festspielen viele Menschen kommen, um schöne Musik zu hören, um den Garten zu sehen – und natürlich, um unseren „Imagined Garden“ zu besuchen. Die SWR Festspiele geben mir Hoffnung . . .
Sun: Es ist überaus prächtig, welche farbenfrohe Mischung aus musikalischen Genres der alten und neuen Tonkunst Heike Hoffmann in den Jahren ihrer Festivalleitung in die Welt gesetzt hat. Dafür sind ihr tausende beglückte Festivalbesucher und ich von Herzen dankbar.
Info: „Imagined Garden“ in der Orangerie ist gratis und bis 25. Mai täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
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