Im Gespräch

SWR Festspiele in Schwetzingen: "Pygmalion" als Konzerthighlight

Michael Schneider hat für die SWR-Festspiele das Melodram „Pygmalion“ inszeniert. Die Zusammenarbeit mit Festspielleiterin Hoffmann und die Besonderheiten des Melodrams werden von Schneider erläutert – und unsere Leser können Tickets dafür gewinnen.

Von 
Jakob Roth
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Michael Schneider wird bei den SWR-Festspielen eine echte musikalische Rarität auf die Bühne bringen: Das Melodram „Pygmalion“. © Jakob Roth

Schwetzingen. Zum letzten Mal übernimmt Heike Hoffmann die künstlerische Leitung der Schwetzinger Festspiele – und überrascht musikalisch, wie zuletzt 2022, mit einer echten Rarität: dem Melodram. Das ist eine seltene Form des Musiktheaters, bei der Musik mit gesprochenem Wort ergänzt wird.

Im Rahmen der Festspiele soll daher am Mittwoch, 8. Mai, um 19 Uhr im Rokokotheater ein besonderer Konzertabend stattfinden: Eingeleitet durch eine Ouvertüre von Franz Ignaz Beck wird Georg Bendas Melodram „Pygmalion“ aufgeführt – programmatisch ergänzt durch eine Einpersonenoper von Georg Philipp Telemann. Die gute Nachricht: Es gibt noch Tickets.

Exklusive Musiktheaterraritäten bei den Schwetzinger Festspielen

Die musikalische Leitung übernimmt, wie schon vor zwei Jahren, der Leiter des Ensembles „La Stagione Frankfurt“ Michael Schneider. Im Interview erklärt er, dass die Oper eigentlich ziemlich lebensfern erscheint. Aber auch, wie er die (nun letzte) Zusammenarbeit mit Festspielleiterin Heike Hoffmann erlebt hat und warum ein Melodram aus vielen „Musikschnipseln“ besteht.

Tickets gewinnen

  • Für die Aufführung am 8. Mai verlosen wir als Medienpartner des SWR 3x2 Karten.
  • Die Gewinnspieladresse lautet: schwetzinger-swr-festspiele@swr.de, Stichwort Gewinnspiel „Pygmalion“.

Beim Begriff Musiktheater denken die meisten Menschen an Opern oder Musicals. Sie werden bei den SWR Festspielen aber eine spezielle Verbindung von Musik und Sprache zeigen: das Melodram. Was macht es so besonders und welche dramaturgischen Möglichkeiten bietet diese Form?

Michael Schneider: Musiktheater lässt sich ja auf sehr unterschiedliche Weise darstellen. Es ist eine durchaus erstaunliche Entwicklung, dass sich seit 1600 ausgerechnet die Oper durchgesetzt hat, in der alle Akteure sich ansingen – eigentlich eine recht lebensferne Art des Umgangs. Fast ebenso erstaunlich ist es, dass das Melodram nur im 18. Jahrhundert eine kurze, aber intensive Blüte hatte – um dann bei Strauss und Schönberg noch einmal an Bedeutung zu gewinnen. Im Melodram wird gesprochen und gegebenenfalls agiert wie im Schauspiel, wobei die Musik eine unterstützende Wirkung hat. Die Musik verstärkt im Text angelegte Affekte quasi wie durch einen „Turbo“. Aber eigentlich ist das Melodram, ohne dass wir uns dessen bewusst sind, auch heute die alltäglichste und uns allen bestens vertraute Form des Musiktheaters: Und zwar in Form von Filmmusik.

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Wie korrespondiert denn der gesprochene Text zur Musik in einem Melodram?

Schneider: Auch hier gibt es ja unterschiedliche Verfahren. Georg Benda, der wichtigste Komponist von Melodramen überhaupt, lässt das gesprochene Wort nicht zur Musik erklingen, sondern wechselt bis auf wenige Ausnahmen zwischen Text- und Musikabschnitten ab. In anderen Melodramen, wie zum Beispiel bei denen von Arnold Schönberg, wird der Text gleichzeitig über der Musik gesprochen.

Warum ist diese musikalische Gattung in Konzerthäusern so selten zu hören?

Schneider: Zum einen gibt es nicht allzu viele solcher Melodramen. Von einigen Experimenten Mozarts und Beethovens abgesehen, ist Benda, wie gesagt, der Hauptvertreter dieser Gattung – vor allem durch seine drei Melodramen „Ariadne“, „Medea“ und „Pygmalion“. Georg Benda und sein Bruder Franz sind damit Vertreter der bis heute wirkenden Musikerdynastie der Bendas. Und die werden im kommerziell gesteuerten Musikleben bestenfalls als „in der zweiten Reihe stehend“ wahrgenommen. Außerdem wird das Problem der Landessprache in einem Schauspiel in erheblich höherem Maße virulent als in einer Oper mit gesungenen Texten. Akteure im Melodram müssen nämlich zwangsläufig Muttersprachler sein – und das Publikum erwartet auch, jedes Wort und jede Ausdrucksnuance verstehen zu können. Von den „Bendaschen Melodramen“ gibt es auch Versionen in tschechischer Sprache (die Bendas kamen aus Böhmen). Im Falle von „Pygmalion“, das in Schwetzingen zur Aufführung kommt, haben wir es mit einer wörtlichen Übersetzung des Librettisten Gotter aus dem französischsprachigen Originaltext von Jean Jacques Rousseau zu tun.

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Der Abend in Schwetzingen heißt also „Pygmalion“ – wie das Melodram von Friedrich Wilhelm Gotter nach Jean-Jacques Rousseau, das als eines der Ersten überhaupt gilt. Wie unterscheidet sich dieses Werk im Klang von den anderen Stücken des Abends?

Schneider: Die Fokussierung auf „Pygmalion“ entspricht eigentlich nicht meiner Programmidee. Telemanns „Ino-Kantate“ und Bendas „Pygmalion“ sind an diesem Abend gleichwertige Bestandteile und ergänzen sich im Rahmen des Gesamtkonzepts. Die meisten Zuschauer verbinden den Namen Telemann hauptsächlich mit dem eines Barockkomponisten. Seine „Ino“ hat er aber 1766 in einem Alter von weit über 80 Jahren komponiert – und das in einem frühklassischen Stil, genau wie Benda und Beck. Die Werke Telemanns und Bendas, mit jeweils gleicher zeitlicher Ausdehnung, entsprechen und ergänzen sich in vielerlei Hinsicht: In beiden Fällen handelt es sich um „Monodramen“ mit jeweils nur einer Akteurin oder einem Akteur. Beide gehen auf Vorlagen aus Ovids „Metamorphosen“ (also „Verwandlungen“) zurück. „Pygmalion“ ist ein Monolog für einen Schauspieler mit Musik, „Ino“ eine Oper mit Arien und Rezitativen für nur eine Sängerin. Franz Ignaz Becks Ouvertüre zum Melodram „Pandore“, in dessen typisch kühnem Stil, passt als Eröffnung perfekt dazu: Der Franzose aus Mannheim hat sein Melodram in französischer Sprache und damit wohl im Eindruck einer Aufführung der Bendaschen „Ariadne“ in Paris komponiert, wobei er auch die „Bendasche Technik“ von abwechselnden Text- und Musikabschnitten übernahm.

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Wie lässt sich die unglückliche Liebe Pygmalions nur über pantomimische Darstellungen und Musik kommunizieren? Kurz gesagt: Wie funktioniert ein Melodram?

Schneider: Das hängt davon ab, in welchem Maße man ein Melodram auch szenisch oder halbszenisch umsetzt. Grundsätzlich reicht zur Rezeption die konzertante Rezitation der Textes durch einen guten Schauspieler aus. Wir wissen, dass im 18. Jahrhundert Bendas Melodram „Medea“ mit mehreren darzustellenden Personen zuweilen von nur einer Schauspielerin gesprochen wurde. In Schwetzingen werden wir eine den räumlichen Bedingungen angepasste, leicht szenische Version bieten. Die „Ino-Kantate“ erklingt jedoch ausschließlich konzertant.

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Gibt es bei Melodramen besondere Herausforderungen in der Probenarbeit – worauf achten Sie als musikalischer Leiter besonders?

Schneider: Ein Melodram enthält hunderte von kleinen musikalischen „Schnipseln“, bei denen sich zwar einige Ideen im Verlaufe des Stücks wiederholen, dennoch grundsätzlich für jeden Abschnitt ein neues Tempo und ein neuer darzustellender Affekt gewählt werden muss. Letztendlich sollen Text und Musik, obwohl abwechselnd dargeboten, für das Publikum zu einer Einheit zusammenfließen.

Sind die SWR Festspiele in diesem Jahr eine Möglichkeit, diese unbekannte Werkgattung für die Öffentlichkeit noch sichtbarer zu machen?

Schneider: Die Festspiele sind gerade ein Ort, an dem solche musiktheatralischen Raritäten einen Platz haben – zudem natürlich an historischen Spielstätten. Nachdem ich in den vergangenen Jahren bereits Becks „Stabat Mater“ zusammen mit dem SWR-Vokalensemble und dessen Singspiel „L’Isle deserte“ (eine Oper mit gesprochenen Zwischentexten statt Rezitativen) präsentieren durfte, ist jetzt „Pygmalion“, nach unserer „Medea“ vor zwei Jahren, bereits das zweite Benda-Melodram im Rahmen der Festspiele.

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Wie war für Sie die Zusammenarbeit mit Heike Hoffmann, die die Festspiele in diesem Jahr zum letzten Mal leitet?

Schneider: Ich bedaure sehr, dass sie aufhört! Die Zusammenarbeit mit ihr war fantastisch. Auch auf solch wichtigen kulturellen Posten ist es keineswegs eine Selbstverständlichkeit, derart rundum gebildete und umfassend informierte Persönlichkeiten mit gestalterischen Ideen vorzufinden. Ich schätze an ihr und ihrer Programmgestaltung vor allem, dass sie immer an durchaus anspruchsvollen Inhalten interessiert ist – und nicht nur eine Show von Starnamen für ihre Festivals konzipiert.

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