Kultur in der Pandemie

SWR Festspiele in Schwetzingen sind abgesagt

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Jürgen Gruler
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Von Jürgen Gruler

Bis zuletzt hatten alle gehofft und gebangt, doch nun müssen die Schwetzinger SWR Festspiele, die Ende April beginnen und den ganzen Mai hindurch dauern sollten, doch abgesagt werden. In Abwägung der epidemiologischen Prognosen sowie aus organisatorischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Gründen sei die Absage alternativlos gewesen, hieß es in einem Schreiben an die Sponsoren und Freundeskreismitglieder am Mittwoch. Wir haben mit der künstlerischen Leiterin Heike Hoffmann über die Absage gesprochen und über die Frage, ob es im Herbst nun wieder ein kleines Festival geben wird.

Das Herbst-Programm 2021 der Schwetzinger SWR Festspiele

  • Freitag, 15. Oktober, 11 Uhr, Rokokotheater: Orpheus und die Zauberharfe. Ein Opern-Pasticcio (nicht nur) für Kinder (Vorstellung für Schulen)
  • Samstag, 16. Oktober, 15 und 18 Uhr, Rokokotheater: Orpheus und die Zauberharfe.
  • Sonntag, 17. Oktober, 11 Uhr, Mozartsaal: Schumann Quartett mit Haydns Quartett Es-Dur op. 17 Nr. 3, Ives Quartett Nr. 1 „From the Salvation Army“ und Bahms Quartett Nr. 3 B-Dur op. 67.
  • Sonntag, 17. Oktober, 19.30 Uhr, Mozartsaal: „Sonette an Orpheus“ – eine musikalisch-literarische Collage mit Udo Samel, Olivier Wille und Markus Becker.
  • Montag, 18. Oktober, 19.30 Uhr, Rokokotheater: „Dialoge des Erinnerns“ mit der Schola Heidelberg und dem Ensemble Aisthesis; Solistin Elisabeth Kufferath (Violine), musikalische Leitung Walter Nußbaum spielen Bergs Violinkonzert sowie Werke von Marenzio, Desprez und anderen.
  • Dienstag, 19. Oktober, 19.30 Uhr, Rokokotheater: „Charpentier in Rom“ mit dem Ensemble Correspondances; Werke von Charpentier, Graziani, Cavalli, Carissimi, Melani.
  • Mittwoch, 20. Oktober, 19.30 Uhr, Rokokotheater: Nils Mönkemeyer & Freunde mit Mozarts sechs Variationen „Hélas, j‘ai perdu mon amant“ KV 360, Quartett Es-Dur VK 493, Adagio F-Dur KV 280; Pärts Mozart-Adagio und Dvoøáks Klavierquartett Nr. 2 Es-Dur op. 87
  • Donnerstag, 21. Oktober, 19.30 Uhr, Jagdsaal: „Music for two“ mit Nils Mönkemeyer (Viola) und Dorothee Oberlinger (Blockflöten). Werke von Bach, Oswald, Berio, Bartók und Cage.
  • Freitag, 22. Oktober, 19.30 Uhr, Mozartsaal: Cuarteto Quiroga spielen Kurtágs Arioso, Bergs Quartett op. 3, Weberns Sechs Bagatellen op. 9 und Beethovens op. 95 „Serioso“.
  • Samstag, 23. Oktober, 15 Uhr, Schlossplatz: „Im Paradies der Tonkünstler“ als Stadtrundgang mit Kurzkonzert.
  • Samstag, 23. Oktober, 19.30 Uhr, Rokokotheater: Akademie für alte Musik Berlin und Sopranistin Christina Landshamer. Werke von Haydn, Mozart, Beethoven.
  • Sonntag, 24. Oktober, 11 Uhr, Mozartsaal: Bennewitz Quartett spielt Schulhoffs fünf Stücke für Streichquartett, Janáèeks Quartett Nr. 2 „Intime Briefe“ und Smetanas Quartett Nr. 1 e-Moll „Aus meinem Leben“.
  • Sonntag, 24. Oktober, 19.30 Uhr, Mozartsaal: Erinnerung – ein Liederabend mit Christophe Prégardien & Stefan Litwin. Lieder von Franz Schubert, Gustav Mahler, Hugo Wolf, Charles Ives, Hanns Eisler.
  • Montag, 25. Oktober, 19.30 Uhr, Mozartsaal: Schwanengesang – mit Julian Prégardien (Tenor), Marie-Elisabeth Hecker (Violoncello) und Martin Helmchen am Klavier.
  • Dienstag, 26. Oktober, 19.30 Uhr, Mozartsaal: Antje Weithaas (Violine) und Mahan Esfahani (Cembalo). Sonaten und Sonatinen von Bach, Corelli, Milhaud und Piston.
  • Mittwoch, 27. Oktober 19.30 Uhr, Mozartsaal: „Schatten“ mit der Capella de la Torre und Hanns Zischler. Texte von Walter Benjamin und W. G. Sebald. Musik von Holborne, Arcadelt, Cavalieri, de la Rue, Frescobaldi, Busnois, Senfl und Praetorius.
  • Donnerstag, 28. Oktober, 19.30 Uhr, Mozartsaal: Brentano String Quartet.
  • Freitag, 29. Oktober, 19.30 Uhr, Mozartsaal: Cuarteto Casals spielt Haydns Quartett D-Dur op. 20 Nr. 4, Mendelssohn Bartholdys Quartett e-Moll op. 81 Nr. 3 und Bartóks Quartett Nr. 4.
  • Samstag, 30. Oktober, 19.30 Uhr, Jagdsaal: „Dimensions – Polyphonie und Karate“ mit der Capella de la Torre, Maurizio Castrucci Karateka und Mirella Weingarten – eine szenische Einrichtung.
  • Sonntag, 31. Oktober, 11 Uhr, Mozartsaal: „A Sentimental Journey“ mit Ulrich Noethen, Hans von Trotha und dem Boulanger Trio. Texte von Laurence Sterne und Jean Paul – Musik von Schumann, Schubert, Rimski-Korsakow, Bonis, Martin, Ives, Pärt und Kagel.

    Tickets gibt’s ab 15. September.

Nun doch! Die Festspiele müssen wieder ausfallen?

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Heike Hoffmann: Ja, leider. Die seit einigen Tagen wieder exponentiell steigenden Infektionszahlen und die völlig unklaren Perspektiven und Bedingungen für die Wiederöffnung kultureller Veranstaltungen zwingen uns dazu, nach intensiver Beratung mit den Gesellschaftern der Schwetzinger SWR Festspiele zum zweiten Mal die Festspiele im Mai abzusagen. Bis zuletzt hatten wir gehofft, doch nun ist die Absage alternativlos. Eine für Publikum, Künstler und Mitarbeiter sichere Durchführung eines so komplexen Festivals ist in der jetzigen Situation nicht möglich. Im Gegenteil: Wenn die Zeichen nicht trügen, stehen wir unmittelbar vor einem erneuten, dann hoffentlich konsequenten, Lockdown.

Welche Rückmeldungen haben Sie von Künstlern, die gebucht waren?

Hoffmann: Überrascht war eigentlich niemand, als mein Anruf kam. Ich war ja seit Wochen mit allen in ständigem Kontakt und wir haben gemeinsam gebangt und gehofft. Dennoch - es ist natürlich bitter und enttäuschend. Für die Künstler, die seit über einem Jahr keine Auftrittsmöglichkeiten haben, und für alle, die hinter den Kulissen zum Gelingen der Festspiele beitragen, Partner, Förderer, Mitarbeiter, Praktikanten, Agenten, Dienstleister, aber auch Hotellerie und Restaurants in Schwetzingen, die alle so dringend auf eine Perspektive warten. Viele sind akut in ihrer Existenz gefährdet, zumal auch die Hilfen nur schleppend oder gar nicht ankommen. Zur Enttäuschung kommt die Fassungslosigkeit über das Versagen der politisch Verantwortlichen im Bund und in den Landesregierungen, die seit dem vergangenen Herbst immer wieder die gleichen Fehler machen und ohne gemeinsame Strategie handeln oder eben nicht handeln. Der Stufenplan für die Öffnungsschritte, in dem immerhin das Wort Kultur erstmals vorkam und der für unsere Branche einen Schimmer Hoffnung brachte, war das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt war. Die Öffnungsschritte mitten in den Beginn der dritten Welle hinein kann man nur als fahrlässig bezeichnen, weil weder durch eine hinreichende Impfquote noch durch verfügbare Schnelltests und elektronische Kontaktnachverfolgung abgesichert. Es ist niederschmetternd, zu erleben, dass ein Land wie Deutschland die Chancen verspielt.

Gibt es wieder Festspiele light im Herbst?

Hoffmann: Ja, und so „light“ werden sie gar nicht. Ich habe schon Anfang Februar, als sich abzeichnete, dass die Lage wegen der Mutante wackelig werden könnte, vorsorglich einen Plan B entwickelt, den einzigen noch verfügbaren Zeitraum im Schloss optioniert und mit allen Künstlern geprüft, ob sie freie Termine in diesem Zeitraum haben. Alles in der Hoffnung, diesen Plan B schlussendlich gar nicht zu brauchen. Das war nicht einfach, weil eben alles in permanenter Unsicherheit und Bewegung ist. Dank der enormen Flexibilität aller Beteiligten ist es gelungen, dass wir 21 Veranstaltungen in den Herbst schieben können, darunter auch unser Opernpasticcio „Orpheus und die Zauberharfe“. Das Staatstheater Oldenburg - unser Kooperationspartner - hat dankenswerterweise in einem organisatorischen Kraftakt die gesamte Spielplanung für den September und Oktober umgeworfen, um die drei Aufführungen in Schwetzingen an den unsererseits einzig möglichen Terminen samt vorherigen Wiederaufnahmeproben zu ermöglichen.

Durch diese Doppelplanung sind wir nun in der Lage, das Herbst-Programm jetzt schon zu veröffentlichen. Wie im vergangenen Jahr werden wir den Menschen, deren für Mai erworbene Tickets nun zurückerstattet werden - das geschieht übrigens automatisch - ein Vorkaufsrecht für die jeweiligen Konzerte im Herbst einräumen. Der allgemeine Vorverkauf beginnt am 13. September, wenn wir hoffentlich wieder mehr Plätze anbieten können, weil die Mehrheit geimpft und intelligente Nachverfolgungsmittel in Form einer App verfügbar sind.

Was geschieht mit den Veranstaltungen, die nicht im Herbst stattfinden können?

Hoffmann: Für zahlreiche weitere Projekte konnte ich Termine in den kommenden beiden Jahren finden, sodass am Ende für nahezu alle Künstler eine Perspektive bei uns da ist. Die Opern habe ich bereits vor einigen Wochen in die Folgejahre geschoben, was natürlich die gesamte Planung für die nächsten Jahre gehörig durcheinandergewirbelt hat. Für unsere szenische Produktion „Force & Freedom“, die wir im Februar 2020 mitten in den Proben abbrechen mussten, wird das dann der dritte Versuch - und der muss einfach klappen! Auch etliche Konzerte konnte ich verschieben, das Tetzlaff-Quartett etwa wird seine Schwetzinger Residenz im Jahr 2023 nachholen. Die Klanginstallation von Christina Kubisch - künstlerisch und technisch seit langem fertiggestellt - lagern wir bis zum nächsten Jahr ein. Auch das für den Garten geplante Konzert mit Studenten der Hochschule Musik Saar und der Royal Academy of Music aus London hat schon einen neuen Termin im Rahmen der Festspiele 2022.

Sie wollen aber im Mai Konzerte streamen, was erwartet uns da?

Hoffmann: Der SWR, der ja üblicherweise sonst einen ganzen Monat aus Schwetzingen sendet, schaltet nun auch auf Oktober um, die Redaktion von SWR 2 hat aber auch noch ein tolles Angebot für den Mai. Die Orchesterakademie des SWR Symphonieorchesters wird im Mai aus dem Funkstudio am Berg in Stuttgart live gestreamt und weitere fünf Konzerte aus unserem Programm werden im Mai in den Studios Baden-Baden und Stuttgart aufgezeichnet oder live gesendet - alles natürlich ohne Publikum. Das ist beispielsweise für die Preisträger des ARD-Wettbewerbs eine wunderbare Chance, nun doch noch zusammen zu musizieren, nachdem die Tournee schon im vergangenen Jahr ausfallen musste und nicht ein weiteres Mal verschoben werden kann.

Und was wünschen Sie persönlich sich für den Herbst?

Hoffmann: Ich wünsche mir, dass wir alle geimpft sind und einander wieder ohne Angst vor Ansteckung begegnen können, die Kinder in die Schule gehen, kulturelle Veranstaltungen wieder selbstverständlich zu unserem Leben gehören. Und ich wünsche mir eine Regierung, die gemäß ihres auf die Verfassung abgelegten Eides handelt und in Krisenzeiten parteipolitische Befindlichkeiten hintenanstellt. Sonst steht zu befürchten, dass unser Land dauerhaft Schaden nimmt.

Eine Grafik mit den aktuellen Corona-Zahlen gibt's hier:

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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