Wärmeplanung

Wärmeplanung in Schwetzingen: Klimaschutz oder persönliche Interessen?

Eine Veranstaltung im Palais Hirsch in Schwetzingen zur Wärmeplanung stieß auf großes Interesse und kontroverse Diskussionen. Die geplante CO2-freie Wärmeversorgung stellte sich als sensibles Thema heraus.

Von 
Stefan Kern
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ILLUSTRATION - Eine Frau dreht an einem Heizungsthermostat. (zu dpa "Mieterbund fordert mehr Mieterschutz bei Heizungstausch") +++ dpa-Bildfunk +++ © picture alliance/dpa

Schwetzingen. Der Abend im Palais Hirsch rund um die anstehende Wärmeplanung, mit der der Weg Schwetzingens hin zur CO2-freien Wärmeversorgung beschrieben werden soll, war ein erstes städtisches Temperaturfühlen. Und es zeigte sich schnell, dass das Thema in der Bevölkerung Siedepunktpotenzial hat. Ziemlich schnell ging es um den vom Fernwärmenetz abgeschnittenen Hirschacker, den Einfamilienhaushalten, die allein gelassen würden, und mangelnde Planungssicherheit, die die Bürger verunsicherten.

Die Erwartungen an die Veranstaltung passten hier jedenfalls nicht so ganz zum Angebot. Vielleicht war die Informationsbasis noch nicht tief genug oder es zeigte sich das zunehmend häufiger anzutreffende Phänomen vom Dafürsein in der Theorie und zum Dagegensein in der Praxis. Auf alle Fälle kollidierte hier die gesamtwirtschaftliche Perspektive mit persönlichen Interessen – und dem vortragenden Alexander Fucker von der „MVV Regio Plan“ gelang es genauso wenig wie Bürgermeister Matthias Steffan, die Kluft dazwischen wirklich zu schließen. Was jedoch mehr mit der emotionalen Aufladung dieses Themenbereichs und weniger mit diesen beiden zu tun hatte.

Kluft zwischen Theorie und Praxis in Schwetzingen

Für Steffan kam das nicht ganz unerwartet. „Das Thema treibt die Menschen um, auch mich.“ Aber Steffan versprach, dass die Stadt so transparent wie nur möglich aufzeigen will, wohin die Reise in welcher Form gehen soll. Bis Ende des Jahres soll die kommunale Wärmeplanung stehen, die bis ins Jahr 2040 darlegen soll, wo eher zentrale Lösungen, wie die Fernwärme, oder eher dezentrale Lösungen, wie Wärmepumpen, angezeigt seien. Dabei ließ der Bürgermeister keinen Zweifel daran, dass das Vorhaben Heizungswende sehr anspruchsvoll sei. „Über zwei Drittel aller Haushalte in Deutschland sorgen per fossiler Energie für Wärme.“

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Auch in der kurfürstlichen Residenz dominiere die Gasheizung. Ein Bild, dass sich in weniger als 17 Jahren jedoch komplett wandeln soll. Dass es hierbei zu gesellschaftlichem Stress komme, sollte da also nicht überraschen. Doch, und davon war der Bürgermeister überzeugt, gemeinsam könne das Vorhaben gestemmt werden. Dabei bat er die zahlreichen Zuhörer um Geduld. Noch könnten keine genauen Eckdaten zum Ausbau des Fernwärmenetzes genannt werden.

Wärmeverbrauchsdichte entscheidend für Netzausbau in Schwetzingen

Alexander Fucker erläuterte dann das Vorgehen. Dabei war die MVV Regioplan bis dato vor allem damit beschäftigt, Daten rund um Verbräuche, Leitungsnetze und quartiersgenau Energiemixe zu sammeln und sie in einen Plan zu gießen, der sowohl den Istzustand, als auch Perspektiven verdeutlicht. Am Ende, bis 2040, soll der Umstieg bei der Wärmeenergieversorgung von fossil auf erneuerbar dann geschafft sein.

Ein wichtiger Punkt für den Entscheid über den zukünftigen Ausbau des Fernwärmenetzes ist die Wärmeverbrauchsdichte. Heißt, wo wird auf engem Raum viel Wärmeenergie verbraucht und wo nicht.

Der Ausbau des Fernwärmenetzes lohne sich vor allem in Arealen mit einer hohen Wärmeverbrauchsdichte. Daraus folgt, dass Gebiete mit vielen Einfamilienhäuser im Vergleich zu Gebieten mit vielen Mehrfamilienhäusern eher im Nachteil sind. Meist, führte Fucker aus, sei der Fernwärmenetzausbau in Gebieten mit eher wenigen Abnehmern pro Quadratmeter wirtschaftlich nicht darstellbar.

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Damit ist ein Ausbau des Fernwärmenetzes in der Nordstadt beispielsweise erwartbar, im Hirschacker dagegen eher nicht. Eine Sicht, die einige Bewohner des Hirschackers sichtlich aufbrachte. Damit, so der Vorwurf, würden die Menschen im Hirschacker abgehängt. Dabei wurde die Nicht-Wirtschaftlichkeit stark in Zweifel gezogen. Ein Verdacht, der auch in den Augen Steffans nicht haltbar sei. Für einen Anschluss des Hirschackers müssten Millionen Euro in die Hand genommen werden, um dann verhältnismäßig wenig Abnehmer anschließen zu können. „Die Stadtwerke können das nicht leisten.“

Einsparpotenzial bei energetisch sanierten Einfamilienhäusern

Fucker ergänzte, dass diese Einfamilienhäuser, wenn nicht schon geschehen, durch energetische Sanierung große Einsparpotenziale erreicht werden könnten. Das wiederum würde die Wirtschaftlichkeit des Fernwärmeausbau weiterzusetzen. Für ihn geht es hier auch um Einsicht in Notwendigkeiten und der daraus entstehenden Verantwortung.

Wer die Entscheidung getroffen hat, im eigenen Haus auf eher mehr Fläche zu wohnen, ist für ein zentrales Versorgungssystem doch ungeeignet. Dafür seien die dezentralen Systeme, wie Wärmepumpen plus einer Photovoltaikanlage auf dem Dach oder mit Biogas betrieben Kraft-Wärme-Kopplung, geeignete Systeme.

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Dagegen lohne sich für die Menschen, die sich für Wohnen auf eher wenig Fläche und enger zusammen entschieden haben, die Fernwärme. Das große Plus bei ersterem sei übrigens die weitgehende Autarkie gegenüber externen Schocks. Und dann, ergänzte Fucker später nur gegenüber der Schwetzinger Zeitung, mache man das alles ja nicht zum Spaß. Am Ende gehe es darum, „unseren Kindern, Enkeln und Urenkeln ein einigermaßen erträgliches Leben zu ermöglichen“.

Zu vieles noch zu ungenau

Ganz wichtig, so Steffan und Fucker gleichlautend, das alles müsse nicht bis morgen umgesetzt sein und es gebe Fördertöpfe. Und darüber hinaus böten die Stadt und die Kliba Energieberatungsagentur von der energetischen Sanierung bis zur Heizungswende verschiedene Hilfen und Beratungsangebote an.

Trotzdem waren die Besucher hier am Ende nicht so wirklich zufrieden. Vielen war zu vieles noch zu ungenau. Planungssicherheit gab es hier für niemanden. Das dürfte sich aber bis zum 13. Dezember 2023 erledigt haben. Denn dann verabschiedet der Gemeinderat die kommunale Wärmeplanung.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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