Schwetzingen. Passanten sind immer wieder zu beobachten, wie sie durch die geschlossenen Gittertore in den Schlossgarten Schwetzingen spähen. Die sehnsuchtsvollen Blicke lassen sich dabei nur erahnen. Seit Monaten sind Park und Schloss dicht. Ein Zustand, der mit Blick auf die Pandemie notwendig sei, so Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württembergs. Doch was passiert eigentlich hinter den geschlossenen Toren? Nicht nur darüber sprach die Redaktion mit Michael Hörrmann.
Die Staatlichen Schlösser und Gärten bleiben weiterhin geschlossen: Wie geht es Ihnen mit dieser Entscheidung?
Michael Hörrmann: Wir akzeptieren die Entscheidung aus Überzeugung. Zunächst müssen wir als Gemeinschaft die Pandemie in den Griff und die Gesundheitsrisiken für die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen minimiert bekommen, bevor wir das gesellschaftliche Leben wieder beschleunigen können. Das gilt für die umfassende Teilhabe am kulturellen Erbe leider ebenso, wie für alle anderen wichtigen Lebensbereiche. Zugleich aber leiden wir mit unseren Besuchern. Es tut schon weh, wenn man an solch wunderbaren sonnigen Schneetagen die Winterwunderwelt eines der schönsten europäischen Gartendenkmale nicht öffnen kann.
Wie muss man sich die Lockdown-Zeit in einem Monument vorstellen: Staubt da im Schloss alles ein, wuchert der Garten zu, adaptieren die Eichhörnchen den Park?
Hörrmann: Unsere tierischen Parkbewohner fühlen sich eindeutig wieder als rechtmäßige und alleinige Besitzer des Gartens. Könnten sie entscheiden, sie würden mit Sicherheit für eine weitere Schließung stimmen. Natürlich gehen die Pflegearbeiten ebenso weiter wie die gärtnerischen Vorarbeiten für die kommende Saison. Auch all unsere Maßnahmen, mit denen wir versuchen, die Schädigung des Klimawandels in Grenzen zu halten, werden im Hintergrund weiter vorangetrieben.
Welche konkreten Maßnahmen konnten in den vergangenen Lockdown-Wochen umgesetzt werden – drinnen und draußen?
Hörrmann: In der Lockdown-Zeit haben wir uns vor allem mit Umbau- und Reparaturarbeiten beschäftigt- Schlossrestaurant beziehungsweise Küche, Beginn des Umbaus der Besuchertoiletten, Brandschutz im Südzirkel und Überarbeitung des Schlossshops. Maßnahmen, die sich mittelbar, aber auch direkt auswirken werden. Die Unterhaltung des Schlossgartens ist natürlich auch während des Lockdowns eine Vollzeitaufgabe die von unseren Kollegen in verschiedenen Teamsdurchgeführt werden.
Sind sämtliche Mitarbeiter in Kurzarbeit?
Hörrmann: Das ist einer der wenigen Lichtblicke in der momentanen Lage: Niemand der rund 570 Mitarbeiter der Staatlichen Schlösser und Gärten musste in Kurzarbeit oder wurde entlassen, weder letztes noch dieses Jahr. Das galt und gilt natürlich auch für die 33 Kollegen, die in Schwetzingen arbeiten.
Das Themenjahr 2021 ist mit dem Titel „Exotik – Faszination & Fantasie“ überschrieben. An sich sehr einladend, in „fremde Sphären“ einzutauchen nach einer langen Zeit, in der das nicht möglich war. Ist dieses Thema im Corona-Jahr ausgewählt worden oder stand das schon weitaus früher fest?
Hörrmann: Solche Großthemen benötigen einen längeren Planungsvorlauf. Die Entscheidung, 2021 dem Thema „Exotik“ – bei den Staatlichen Schlössern im ganzen Land – zu widmen, trafen wir deutlich vor Ausbruch der Pandemie. Aber wir nutzen die Zeit der Schließung, um das Programmangebot besonders dicht, spannend und vielfältig zu entwickeln. Denn mit dem Themenjahr wollen wir uns unseren Besuchern mit allem Elan präsentieren, sobald wir wieder öffnen dürfen.
Planen Sie aufgrund der Pandemielage verhalten mit Veranstaltungen innerhalb des Themenjahres oder steht das Portfolio wie in den Jahren vor Corona?
Hörrmann: Unser Ziel ist natürlich, so schnell wie möglich auf Normalbetrieb zu schalten. Die notwendigen Vorbereitungen sind im Hintergrund alle erfolgt. Aber aktuell existiert leider noch kein belastbares Planungsszenario. Vermutlich müssen bis Mai/Juni noch auf Sicht fahren müssen und eher von Woche zu Woche entscheiden, was möglich ist. Jedenfalls werden wir alles, was die Pandemielage verantwortbar erlaubt, auch anbieten und umsetzen.
Haben Sie im Vorfeld der Planungen Überlegungen angestellt, mehr virtuell anzubieten oder setzen Sie auf Präsenz?
Hörrmann: Kein virtuelles Angebot kann den Spaziergang durch den Gärten ersetzen, keine virtuelle Näherung an historische Schlossräume kann es in Intensität und Attraktivität mit dem unmittelbaren sinnlichen Besuchserlebnis aufnehmen. Der Hunger nach dem Original ist in den viele Anfragen, die wir erhalten, auch deutlich spürbar. Aber klar ist, der Entwicklungsschub, den die Corona-Krise bei den digitalen Angeboten bewirkte, und die gestiegene Bereitschaft breiter Besuchergruppen, sie zu nutzen, war enorm und wird im Wesentlichen unumkehrbar sein. Wie alle großen kulturtouristischen Anbieter in Europa werden wir künftig auch in dieses Segment intensiv investieren müssen, wollen wir mittelfristig erfolgreich bleiben. Da sind wir bereits auch ganz gut dabei. Bereits während der ersten Schließphase haben wir unsere digitale Sichtbarkeit deutlich erhöht, nicht nur in Schwetzingen, sondern in allen 62 Monumenten der Staatlichen Schlösser und Gärten.
Welche Erfahrungen haben Sie mir Ihren virtuellen Angeboten gemacht?
Hörrmann: Zwei Erkenntnisse vor allem: Zum einen, sie können als großer Anbieter nicht mehr entscheiden, ob sie sich auf diesem Feld engagieren wollen oder nicht. Es wird von Ihren Kunden schlicht erwartet. Zum anderen: Wir konnten aus dem Stand auch in diesem Feld mithalten, aber wir werden künftig unsere Kompetenz weiter stärken müssen: inhaltlich, personell und finanziell.
Auf was dürfen sich die Menschen freuen?
Hörrmann: Auf das vielfältige, kurzweilige Besuchs- und Vermittlungsangebot, für das die Staatlichen Schösser und Gärten in den letzten Jahren schon standen und das uns auch so erfolgreich werden ließ. Vor allem aber auf ausgiebige, nicht eingeschränkte Besuche in Schloss und Garten. Ich kann noch nicht genau sagen, ab wann wir es anbieten können, aber es wird dieses Jahr wieder möglich werden – versprochen.
Zur Anlage gehört das Schlossrestaurant, in dem ein Pächterwechsel stattfindet. Inwieweit können Sie hier schon vorgreifen, was die Besucher künftig erwarten wird?
Hörrmann: Darauf bin ich auch gespannt, mit was uns der neue Pächter alles überraschen wird. Nach allem, was ich höre, legt sich das neue Team bereits mächtig ins Zeug.
Was hat Ihnen in den vergangenen Wochen persönlich am meisten gefehlt – sowohl auf Ihre Arbeit bezogen als auch privat? Und auch: Was konnten Sie vielleicht besonders genießen?
Hörrmann: Eindeutig der unmittelbare Kontakt mit meinen Kollegen draußen in den Monumenten und die Besuche in den Gärten und Gebäuden. Um es bezogen auf denSchwetzinger Schlossgarten in Anlehnung an Loriot zu sagen: Ein Leben ohne Schlossgarten Schwetzingen ist vermutlich möglich, aber sicher nicht lohnend.
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