Handwerk

Wie ein Schwetzinger aus Brennholz Gitarren macht

Instrumentenbauer Stefan Richter fertigt Unikate und verwendet dafür fast nur recycelbares Material. So wird auch schon mal eine Gitarre aus Teilen einer alten Scheune.

Von 
Andreas Lin
Lesedauer: 
Stefan Richter ist ein leidenschaftlicher Instrumentenbauer. Hier legt er letzte Hand an einer E-Gitarre an. © mig.art

Schwetzingen. Stefan Richter hält ein altes Stück Holz in der Hand, es ist ein Rest von einem Balken aus einer Scheune in Ketsch. „Daraus mache ich eine E-Gitarre“, sagt der 37-Jährige. Wer sich in seiner Werkstatt umschaut, der glaubt ihm das auch. Unzählige fertige, halbfertige Instrumente oder Bestandteile davon stehen, hängen oder liegen dort. Stephan Richter hat die meisten von ihnen selbst gebaut – alle sind Unikate. Und das Besondere ist, dass er dafür entweder einheimisches Holz oder gar altes reycelbares Material verwendet: Da werden schon mal Obstkisten, Brennholz, Essstäbchen, Treppenstufen, Geländer, Transportholz und Jeans verarbeitet – oder eben Balken aus einer alten Scheune. Er beweist so, dass Nachhaltigkeit auch gut klingen kann.

„Das war mal ein Handlauf aus der orthopädischen Klinik in Ziegelhausen“, zeigt Richter auf ein Stück an einem Gitarrenhals. Ein anderer wurde aus gepressten benutzten Holzessstäbchen aus Bambus gefertigt. „Die wurden natürlich vorher gereinigt“, lacht er. Der Gitarrenbauer ist ständig auf der Suche nach verwendbaren Materialien.

Die interessante Vita des Schwetzinger Gitarrenbauers

Stefan Richter hat eine interessante Vita. Aufgewachsen ist er in Griechenland, wohin seine Eltern ernst auswanderten. „Ich kann immer noch ganz passabel Griechisch sprechen“. Als er 14 war, kehrte die Familie nach Deutschland zurück und wurde in der Rhein-Neckar-Region heimisch. Der Junior machte Abitur und fing an, in Heidelberg zu studieren: Archäologie, Paläonthologie und Philosophie zu studieren – Griechenland war offensichtlich inspirierend. „Doch das war mir zu trocken“, merkte er bald und wollte etwas anderes machen.

Diese Gitarre hat Stefan Richter angefertig. © mig.art

Beim Herumschlendern an einem verregneten Herbsttag in Mannheim entdeckte er in einem Schaufenster ein E-Bass, was bei dem „leidenschaftlichen Bassisten“ sofort die Fantasie anregte. „Der war teuer, so kam ich auf die Idee: Damit könnte man doch Geld verdienen.“ Als er seinem Vater davon erzählte, riet der ihm dazu, doch zuerst eine Schreinerlehre zu machen, um einen ordentlichen Berufsabschluss in der Hand zu haben. „Und ich habe auf ihn gehört“, erzählt Richter. Die Ausbildung absolvierte er dann bei Andreas Kopke („Holz & Raum) in der Schwetzinger Borsigstraße – dort wo heute auch seine eigene Werkstatt ist.

Vom Schreinergesellen zum Instrumentenbauer

Ein Jahr arbeitete Stefan Richter noch als Geselle, um dann in Weingarten bei Ravensburg bei Gitarrenbaumeister Andreas Dill eine Weiterbildung draufzusatteln – verkürzt auf zwei Jahre, weil er als gelernter Schreiner schon die Grundlagen verinnerlicht hatte. „Ich war sofort Feuer und Flamme für den Beruf“, erinnert er sich. Er erlernte die Kunst des Zupfinstrumentenbaus an akustischen Gitarren und Bässen mit ihren vielen Feinheiten, stellte klassische, elektrische und Westerngitarren sowie akustische Bässe her.

Für die Berufsschule musste er ins Instrumentenbauer-Mekka Mittenwald und nach der Abschlussprüfung wurde er 2013 mit dem bayerischen Staatspreis für herausragende Leistungen ausgezeichnet. Die Aufenthalte in Mittenwald hatten übrigens noch einen wunderbaren Nebeneffekt für Stefan Richter: „Dort habe ich meine Frau kennengelernt.“ Sie hatte an der Staatlichen Musikinstrumentenbauschule im Zweig Musikfachhändler ihren ausbildungsbegleitenden Unterricht besucht. Inzwischen haben die beiden zwei Kinder.

Mehr zum Thema

Handwerk

Hut ab: Laura Marie Bette aus Ketsch holt den Bundessieg

Veröffentlicht
Von
Pressemitteilung
Mehr erfahren
Ausbildung

Wie aus einem jungen Ketscher ein leidenschaftlicher Handwerker wurde

Veröffentlicht
Von
Caroline Scholl
Mehr erfahren
Arbeitsmarkt

Fachkräftemangel bei Schwetzinger Gastronomie und Handwerk?

Veröffentlicht
Von
Noah Eschwey
Mehr erfahren

Im Sommer 2022 bezog Stefan Richter die neu erbaute Werkstatt in der Borsigstraße und ist immer noch dabei, an der Einrichtung zu feilen. Denn mittlerweile hat er sich einen Namen gemacht in der Szene und die Aufträge nehmen zu. „Viel Beinarbeit, viel telefonieren“, das sei notwendig gewesen, um bekannt zu werden. „Außerdem gehen wir auf Messen.“ Zum Beispiel im September wieder auf die „Guitar Summit“ in Mannheim, eine Fachmesse mit dem Schwerpunkt auf Saiteninstrumenten, insbesondere E-Gitarren, Bass-Gitarren, Akustik-Gitarren, Gitarrenverstärker, Effektpedale und Zubehör. „Alles, was Rang und Namen hat auf der Welt, ist da“, schwärmt Richter. Er auch.

Schwetzinger nutzt Tropenholz nur aus alten Treppen

Einen gewissen Namen hat er sich in der Szene schon gemacht, auch weil er besonders ist. Im Gegensatz zum traditionellen Instrumentenbau, in dem oft tropische Holzarten verwendet werden, nutzt Stefan Richter Material aus deutschen Wäldern. „Die können genau das, was tropische Hölzer auch können“, betont der Handwerker und ergänzt: „Und sie haben keinen Regenwald auf dem Gewissen.“ Die Baumarten sind vielfältig: „Pflaume verwende ich zum Beispiel gern. Auch Ahorn, Esche, Weide, Nussbaum oder Kirsche. „Die stand in Bobenheim-Roxheim“, zeigt er auf das Teil eines Instruments.

Aus diesem Stück von einem alten Balken will Stefan Richter einen Gitarrenkörper bauen. © Lin

Und wenn es doch mal tropisches Holz sein soll, dann handelt es sich meist um recyceltes Holz – das vorher nachweislich zum Beispiel eine alte Mahagoni-Treppe, ein Fenster oder ein Balken war. Auch Altbestände vergangener Jahrzehnte kommen in Frage, die ungenutzt in Schuppen und Dachböden auf Verwendung warteten. Stefan Richter schaut sich beispielsweise bei Auflösungen von Schreinereien oder Kleinanzeigen um. Es gibt sogar noch einen viel außergewöhnlicheren Rohstoff, aber über den darf er derzeit aus patentrechtlichen Gründen (noch) nicht sprechen.

Schwetzinger Gitarrenbauer: Vieles ist Reparatur

Aber Stefan Richter baut nicht nur neue Gitarren, etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit investiert er in Reparaturaufträge. Brüche oder Risse reparieren, das Instrument perfekt einstellen oder Elektrik nach Wunsch modifizieren. „Richter richtet’s“, den Spruch hat seine Frau erfunden, sagt er. Auch aus nicht mehr reparierbaren Altinstrumenten kann er oft wieder neue herstellen. Und wenn gar nichts mehr zu retten ist, bastelt er etwas anderes daraus – etwa Lampen, Weinregale oder den originellen Kleiderhalter, den er aus dem Fach zieht.

Aber in erster Linie will er schöne Gitarren und Bässe fertigen – gern auch aus Brennholz oder einem alten Balken aus einer Scheune in Ketsch.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung

VG WORT Zählmarke