Wissen Sie schon, wie Sie Ihren Weihnachtsbaum in diesem Jahr schmücken werden? Wie wär’s denn mal mit Arschpfeifenrössl, Biertragerl, Grillenhäusl, Minimöbeln und Spiegeln en minature? Dies alles ist Holzschmuck und kommt im oberbayerischen Berchtesgaden an den Tannenbaum.
Im südöstlichen Zipfel Deutschlands pflegen Menschen eine Tradition, die einst einheimische Künstler auf den Weg brachten. Farbenfroh bemaltes Holzspielzeug galt zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert als so genannte „Berchtesgadener War“ (Ware aus Berchtesgaden) als Exportschlager. Und es diente als lebensnotwendiges Zubrot für arme Familien. Denn seinerzeit profitierten vom Salzabbau in der Region nur wenige, allen voran die Augustiner Chorherren. Vom Großvater bis zum Enkel wurde daher in Bauersfamilien gesägt, geschnitzt, zusammengefügt und bemalt. Mit dem ersten Blechspielzeug Anfang des 20. Jahrhundert gerieten die Holzunikate in Vergessenheit. Einige Familien besinnen sich jedoch wieder auf die schöne Tradition, passt sie doch hervorragend in eine Zeit, in der Nachhaltigkeit und Regionalität Schlagworte in der Gesellschaft sind.
Adressen und Tipps rund um Berchtesgaden
- Infos zur Region: Berchtesgadener Land Tourismus GmbH, Maximilianstraße 9, 83471 Berchtesgaden, Telefon 08652/6 56 50 50, info@berchtesgaden.de, www.berchtesgaden.de
 - Tipp Museum Schloss Adelsheim in Berchtesgaden: Im Renaissance-Schlösschen Adelsheim aus dem Jahr 1614 ist eines der bedeutendsten volkskundlichen Museen Bayerns untergebracht. Hier findet man Sammlungen des legendären Holzspielzeugs, darunter Pfeifenrössl und Grillenhäusl, sowie Christbaumschmuck, filigrane Beinschnitzarbeiten aus Tierknochen, aufwändig gestaltete Spanschachteln und feine Instrumente wie das Glockenspiel der Familie Graßl und hochwertige Holzbildhauerei, die auf die Berchtesgadener Schnitzschule verweist. Deren einstiger Direktor Bernhard Wenig sowie der Kunstmaler Anton Reinbold, der Großvater der heutigen Museumsleiterin Friederike Reinbold, gelten als Initiatoren zum Erhalt der besonderen Handwerkskunst in der Region. Skurril und witzig ist die Mausefallensammlung im Museum. Öffnungszeiten und mehr: www.museum-schloss.adelsheim.de
 - Tourentipp „Kleine Reibn“: Die „Kleine Reibn“ ist eine Traumrunde für Bergliebhaber – per pedes und im Winter als Skitour. Von der Bergstation Jennerbahn (1800 Meter) in Schönau geht es über das Stahlhaus (Übernachtungsmöglichkeit) steil bergan zum Schneibstein Gipfelplateau (2276 Meter) mit sagenhafter Aussicht auf das Hagengebirge, das Steinerne Meer, die Watzmann-Ostwand und die Südwänden des Untersberges. Der Abstieg führt am wunderschönen Seeleinsee vorbei über Almwiesen zur Jenner-Mittelstation. Einkehrtipp etwas oberhalb der Mittelstation: das urige Dr. Hugo-Beck-Haus (Öffnungszeiten variieren saisonal). Die Tour ausführlich gibt es hier.
 - Im Winter: Winterwandern, Langlauf, Skifahren, Rodeln, Eislaufen – es gibt nichts, was man nicht tun kann in und um Berchtesgaden. Die Jennerbahn bringt die Gäste in Zehnerkabinen auf den Hausberg am Königsee. Von hier aus startet man bequem zu Wander- und Bergtouren in den Nationalpark Berchtesgaden. Im Winter wartet eine acht Kilometer lange Talabfahrt, oben gibt es Sessel- und Schlepplifte. Familien finden am Obersalzberg und am Hochschwarzeck in Ramsau Abwechslung. Naturschneegebiete gibt es am Rossfeld. Infos zu Betriebszeiten der Bahn und Preise: www.jennerbahn.de
 - Tipp Berghotel Rehlegg: Das Vier-Sterne-Superior-Haus setzt auf Natur pur sowie Regionalität und liegt in allen Belangen am Puls der Zeit – inklusive E-Tankstellen. Einst ein Bauernhaus aus dem Jahr 1454 ist es heute ein Gastbetrieb mit viel Liebe zum Detail. Es gibt einen großen Wellnessbereich und ein beheiztes Freibad. Das Haus stellt eigene Naturkosmetik her, mit der sich die Gäste in der „Almwiesn-Spa“ verwöhnen lassen können. Kontakt: Berghotel Rehlegg AG, Holzengasse 16, 83486 Ramsau, Telefon 08657/9 88 40, info@rehlegg.de, www.rehlegg.de
 
Allerdings gibt es nur noch eine Handvoll Kunsthandwerker für die Berchtesgadener Handwerkskunst. Einer davon ist Stefan Wenig. Den Endvierziger kann man getrost als Unikat beschreiben, genau wie seine Produkte wunderschöne Einzelstücke sind. Der Baggerfahrer entwirft und drechselt alles in seiner Freizeit, lässt die Holzobjekte bemalen und bringt sie dann an den Kunden.
Er macht’s aus „Liebe zur Sach’“
Stefan Wenig lebt in Berchtesgaden in exponierter Lage unterhalb der Kneifelspitze (1189 Meter) mit Blick auf den Watzmann (2713 Meter). An der Werkstatt hängen zwei große Holzlaternen und ein rot-gelb bemalter Vogel. Dies ist ein kleiner Vorgeschmack auf das, was in den Werkstatt-Regalen ausgestellt ist und in vielen Kartons bei Stefan Wenig schlummert. Der kreative Sympathikus gewährt Einblicke in sein Reich, das mit Drechselmaschinen ausgestattet ist. Fertig verzierte Figuren wie Engel, Pfauen, Vögel, Salzmännchen als Hommage an das Bergwerk, Grillenhäuschen, Minimöbel, kleine Bauernschränke mit Geheimfächern, Räucherfiguren und Pferdchen, aber auch Rohlinge, die auf Bemalung warten, stehen überall. Er fertigt überlieferte Modelle („Es gibt um die 170 Vorlagen“), genauso Neues, das ihm meist „im Schlaf“ einfällt, erzählt der gesellige Oberbayer, der alles aus „Liebe zur Sach’“ macht. „Wenn ich Samstag und Sonntag nicht in die Werkstatt gehe, habe ich ein schlechtes Gefühl. Ich habe diese Hände geschenkt bekommen, die sind dafür da, etwas zu machen“, zeigt er seine starken „Pranken“, die wunderbar Filigranes entstehen lassen. Stefan Wenig widmet sich mit Leidenschaft dem Berchtesgadener Handwerk, „das ist eine Lebensart, die kann man mit nichts vergleichen“, versucht er, die Berufung zu erklären. Und: „Ich möchte einfach etwas hinterlassen.“
„Ratscherei“ ist die beste Werbung
Die geschickte Ader habe er in die Wiege gelegt bekommen, die Vorväter konnten sogar schnitzen. Er selbst drechselt, schneidet, baut zusammen, entwickelt raffinierte Verschlüsse und Objekte: Einer seiner neuesten Engel beispielsweise trägt im Inneren die heilige Familie, die dann durch das Öffnen eines Türchens an Heiligabend sichtbar wird. Die Arbeiten erfordern viel Zeit, Erfahrung und Geschick: „Wenn man zum Beispiel einen Engel entwirft, empfiehlt es sich, die Malerin dabeizuhaben. Oftmals ist alles Zehntelmillimeterarbeit, damit Kopf und Rumpf harmonisch wirken und sich gut verzieren lassen.“
Stefan Wenigs Arbeiten faszinieren. Für ihn ist es das schönste Kompliment, wenn die Kundschaft ihre Begeisterung ausdrückt. Und Kunden hat er übrigens weltweit – sogar in Australien und den USA. Aber wie kommt man an seinen Christbaumschmuck? „Ratscherei“ sei die beste Werbung, sagt Stefan Wenig lachend. Seine Waren sind aber auch auf Märkten der Region und natürlich bei ihm persönlich zu haben.
- Kontakt zu Stefan Wenig: www.facebook.com/stefan.wenig.96
 
Tipp für die Adventszeit: der Berchtesgadener Advent
Ob Pfau, Hühnersteige oder Arschpfeifenrössl – Figuren im XXL-Format der Berchtesgadener Handwerkskunst säumen den Adventsmarkt (28. November – 31. Dezember; 25. Dezember geschlossen) auf dem Schlossplatz in Berchtesgaden. Wer ein wenig Ruhe sucht, bricht zum Emmaus-Rundweg auf, der mit 80 handgefertigte Laternen geschmückt ist und einem Panoramablick auf die weihnachtlich dekorierten Dachgiebel im Ort und die Bergwelt bietet. Mehr Infos (auch zu Corona-Regeln) gibt es hier.
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