Speyer. Was geschieht, wenn einem Musiker die Musik abhanden kommt? In ihrem Roman „Beat“ thematisiert Ann Kathrin Ast (Bild) eine Verlusterfahrung der besonderen Art. Selbst als Cellistin ausgebildet, schreibt die in Speyer geborene und aufgewachsene Autorin über einen Schlagzeuger, der an der Alltagssituation in der Musikhochschule Mannheim verzweifelt. Der Drill, das ständige Üben, der Erfolgsdruck – all das führt letzten Endes zum Zusammenbruch, wie Ann Kathrin Ast bei der Lesung aus ihrem Roman in der Reihe Speyer.Lit schildert.
Begleitet wird sie dabei von Leonie Klein, die im Alten Stadtsaal ein mehrteiliges Schlagwerk aufgebaut hat. Geschickt und virtuos flicht die Solistin Beiträge ein, die das Gelesene illustrieren: den Rhythmus aus Maurice Ravels „Bolero“ oder ein komplexes Stück, das Schlagzeugstudent Beat vortragen muss. Das präzise Ticken eines Metronoms kommentiert sie mit polyrhythmischen und variationsreichen Schlägen, die den metrischen Zwang mit künstlerischem Freiheitsbegehren kontern. Das Schlagfeuerwerk, das Leonie Klein dabei zündet, wirkt als leidenschaftliches Bekenntnis zu einer Tätigkeit, die im Orchesterbetrieb in der Regel ein Schattendasein fristet.
Ann Kathrin Ast beginnt mit jenem Kapitel, in dem Schlagzeuger Beat während einer Orchesterprobe die ersten irritierenden Wahrnehmungen erleidet, die ihn im weiteren Verlauf des Romans als dissoziierende Phänomene zuteil werden. Immer verwirrender gestaltet die Autorin jenes Spiel mit Realität und Metarealität, in das sie ihren Protagonisten verwickelt. Die Erfahrung der Verliebtheit, die Beat gegenüber einer Mitstudentin empfindet, birgt zwar kathartisches Potenzial. Doch kann es sich nicht wirklich entfalten, in der ersten gemeinsamen Nacht schläft der geplagte Musikstudent vorzeitig ein.
Tiefe Einblicke in Musikbetrieb
Mit „Beat“ führt die Autorin ihr Publikum hinter die Kulissen des Musik- und Konzertbetriebs. Wird den Lesern und Hörern auch die Ernüchterung des Künstler-Ichs gegenüber den strapaziösen Anforderungen eines Musikeralltags vor Augen geführt, so fördert die Suche nach Indiskretionen, die die ehemalige Mannheimer Musikstudentin gewiss liefern könnte, keine Ergebnisse zutage.
Zumal die fortschreitende Entwicklung im Roman mit zunehmender Intensität Räume der Fantasie aufstößt, in denen eine Unterscheidung zwischen Realität und Schein kaum mehr möglich ist. Erstaunlich, wie viel Fachwissen die Autorin über das Handwerk eines Schlagzeugers einfließen lässt, die das Cellospiel zwar nicht an den Nagel gehängt hat, die Schriftstellerei aber inzwischen mit größerer Leidenschaft betreibt.
Während in der Realität und unweit von dieser Veranstaltung, auf dem Speyerer Domplatz, eine Demonstration gegen Rechts zu Ende geht, lässt auch Ann Kathrin Ast in der letzten gelesenen Romanpassage ihren Schlagzeugstudenten in eine Demonstration geraten und ihn die beglückende Erfahrung machen, Teil eines Kollektivs zu sein, wie sie das Orchester so nicht mehr bieten kann. Im Alten Stadtsaal stößt die literarisch-musikalische Präsentation des Romans auf lebhafte Resonanz, wie die angeregten Gespräche mit beiden Künstlerinnen dokumentieren.
Nächster Gast der Reihe Speyer.Lit ist Caroline Wahl, die am Freitag, 9. Februar, 19.30 Uhr, im Alten Stadtsaal ihr erfolgreiches Romandebüt „22 Bahnen“ über zwei Schwestern präsentiert, die mit einer alkoholkranken Mutter zurechtkommen müssen.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/speyer_artikel,-speyer-ann-kathrin-ast-beleuchtet-bei-speyerlit-musikeralltag-im-roman-beat-_arid,2172770.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/speyer.html