Literatur-Veranstaltung

Daniela Dröscher liest bei Speyer.Lit aus „Lügen über meine Mutter“

Von 
Uwe Rauschelbach
Lesedauer: 
Bei Speyer.LIT war im Alten Stadtsaal auf Einladung der Buchhandlung Fröhlich Autorin Daniela Dröscher zu Gast und liest hier aus ihrem Buch „Lügen über meine Mutter“. Der scheidende Fachbereichsleiter Dr. Matthias Nowack führt in die Lesung ein. © Venus

Speyer. Es ist die Geschichte einer Familie in den 1980er Jahren. Die Frauenemanzipation ist kein Fremdwort mehr. Dennoch ist das Buch „Lügen über meine Mutter“ ein Dokument der femininen Selbstbehauptung, die sich nur unter großen Opfern durchsetzen kann. Daniela Dröscher gewährt in diesem autobiografisch getönten, von der Kritik gelobten Roman Einblicke in eine familiäre Konfliktsituation, in der sich aber auch gesellschaftliche Fehlentwicklungen spiegeln. Bei ihrer Lesung in Speyer traf sie auf ein interessiertes, vorwiegend weibliches Publikum.

Mit der Ehefrau und Mutter der Familie hat der Ehemann und Vater ein Problem: Sie sei, wie er findet, zu dick. Selbst seine Karriereabsichten scheiterten am unansehnlichen Äußeren der Frau; in der Dorfgemeinschaft leide sein Ansehen unter ihrer wenig präsentablen Figur, sie sieht sich dem zunehmenden Druck ihres Mannes ausgesetzt und reagiert zunächst mit Anpassung, später mit Widerstand. Am Ende zerbricht die Familie unterm Druck, der sich zwischen den Eheleuten aufgestaut hat.

Daniela Dröscher erzählt die Geschichte dieser Familie aus der Perspektive von Tochter Ela. Bei ihrer Lesung lässt sie nicht viel Persönliches und Privates durchblicken; die Figuren im Roman mögen zwar wirklichen Personen nachgebildet sein, dennoch führen sie im Roman ein Eigenleben. Allerdings lässt sich in der Tochter Ela unschwer das kindliche Ich der Autorin identifizieren, zumal das Setting – die Familiengeschichte spielt im Hunsrück – der autobiografischen Realität entspricht.

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Im Gespräch mit Kultur-Fachbereichsleiter und Moderator Matthias Nowack dementiert Dröscher diese literarische Besonderheit denn auch nicht. Gerne erinnert sie sich zudem an die Verleihung des Arno-Reinfrank-Preises der Stadt Speyer, den sie 2012 erhalten hat. Von Nowack nach der Bedeutung dieses Preises gefragt, bekennt die in Berlin lebende Schriftstellerin: „Ich habe ihn tief in meinem Herzen.“

Betrachtung durchs Schlüsselloch

Aus ihrem Roman liest Daniela Dröscher längere Passagen. Diese trägt sie mit leiser, zurückhaltender Stimme vor, als wollte sie dieser dysfunktionalen Familie, die wir wie durch ein Schlüsselloch betrachten, einen Rest an Diskretion bewahren. Mit Erklärungen hält sie sich bis auf ein, zwei Anmerkungen zurück. „Mehr muss man gar nicht wissen“, begründet sie mehrfach mit einem ironischen Zucken, das um die Mundwinkel spielt.

Moderator Matthias Nowack ist aufgefallen, dass das Körpergewicht der Ehefrau und Mutter an keiner Stelle des Romans konkret beziffert wird. Die Autorin hat solche Angaben mit Absicht unterlassen: Jede Leserin und jeder Leser solle sich selbst fragen, so Daniela Dröscher, ab wann jemand als übergewichtig gelte. Hier klingt Kritik am vermeintlichen Körperideal an. Die Frage des guten Aussehens lässt sich demnach objektiv nicht entscheiden, sondern beruht eher auf gesellschaftlichen und medialen Konventionen.

Im lebhaften Gespräch mit ihrem Publikum berichtet die Autorin von zahlreichen Reaktionen, die ihr Roman unter ihren Leserinnen und Lesern hervorgerufen habe. Selbst jüngere Frauen fühlten sich von der Thematik angesprochen, was zeige, dass das Ringen um Gleichberechtigung und zwischen den Geschlechtern bis heute nicht abgeschlossen sei.

Daniela Dröscher hat eine Idee, woran das liegen könnte: Frauen identifizierten sich stark mit der Rolle der Fürsorgerin innerhalb einer Familie. Sie trügen damit nicht nur mehr Verantwortung, sondern lebten auch stärker in Abhängigkeiten. Frauen könnten sich deshalb schwerer aus fremdbestimmten Einflüssen lösen. Bei einer Leserin aber hatte die Lektüre Folgen, schildert die Autorin. Die Leserin berichtete, sie habe das Buch verschlungen und daraufhin beschlossen, ihren Mann zu verlassen.

Freier Autor

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