Speyer. Als ein Hoffnungszeichen in kriegerischen Zeiten wollte Gerard Bunk sein Oratorium „Groß ist Gottes Herrlichkeit“ verstanden wissen. Der Bombardierung seiner Heimatstadt Rotterdam während des Zweiten Weltkrieges begegnete der niederländisch-deutsche Komponist mit einem alle Formen sprengen wollenden musikalischen Glaubenszeugnis. Seine Aktualität behauptet das Werk bis heute, wie eine Aufführung mit dem Evangelischen Oratorienchor der Pfalz und der Kammerphilharmonie Mannheim in der Speyerer Gedächtniskirche belegt.
Das Libretto von Martha Heinemann auf der Basis des alttestamentlichen Sirach-Buches vollzieht in wechselnden Reimschemata den Dank der Schöpfung nach. Kreaturen und Elemente erhalten eine Stimme und machen die Wunder der Natur, anders als es die Beobachterrolle etwa in Joseph Haydns Schöpfungs-Oratorium gewährt, aus der Binnenperspektive erlebbar. Nacht und Tag, Gestirne und das Meer, Pflanzen und Vögel, aber auch Winde und Schnee werden allegorisch in das Lob des Schöpfers eingebunden. Selbst der Tod ist integrativer Bestandteil des Lebens und verliert als erlösendes Moment seinen eisigen Schrecken.
Kammerphilharmonie als lebender Organismus in Speyerer Gedächtniskirche
Von den dunkel raunenden Celli angekündigt, endet sein Auftritt in diesem Oratorium unter dem gleißenden Flageolett der Violinen und den Harfenklängen durchaus versöhnlich. Bassist Martin Berner verschafft ihm mit operngeprüfter Sonorität ein freundlich-autoritäres Geleit. In einer weiteren Bass-Arie lässt Berner das Meer brausen, während die Streicher der Kammerphilharmonie mächtige Wogen übereinander türmen.
Solche assoziativen Klangwirkungen dokumentieren die enge Verzahnung von Text und Musik, wie sie etwa im Trillern der Vögel, dem Fallen des Schnees oder dem Funkeln der Sterne zum Ausdruck kommt. Die Kammerphilharmonie lässt sich mit stark besetztem Blech- und aparten Holzbläsern, mit leidenschaftlich aufspielenden Streichern und markantem Schlagwerk sowie klangverstärkender Orgel (Daniel Kaiser) selbst als lebendiger Organismus erleben, gewissermaßen als tönendes Abbild jener schöpfungstheologisch makellosen Naturpoesie.
Neben Bassist Martin Berner agieren als Solisten Daniel Schreiber mit geschmeidigem Tenor, Maria Hilmes mit stark tremolierendem Alt und Franziska Zwink mit einem Sopran, der sich mühelos in luzide Höhen schwingt. Ein erlesenes Gesangsquartett, das auch in wechselnden Konstellationen Format hat. Zu berückend schönen Momenten kommt es auch dann, wenn – etwa nach dem Zwiegesang von „Nachtigall“ und „Wachtel“ – die Solostimmen im Kollektiv des Chores aufgehen.
"Groß ist Gottes Herrlichkeit"-Konzert in Speyer mit hellwacher Klangkulisse
Tatsächlich bildet der etwa 100-köpfige Oratorienchor, den Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald mit bezwingender Diskretion und Übersicht leitet, eine stimmgewaltige, hellwach agierende und sangesfreudige Klangkulisse, die diesem an Höhepunkten reichen und mit vielfältigen Farbgebungen ausgestatteten Werk einen plastischen Ausdruck gibt. Alles hat in dieser idealen Schöpfungsordnung an seinem Platz, selbst die Einsätze im fugierten Schlusschor sitzen. Überhaupt ist das postromantische Opus, so im Tenor-Solo „Der Musikus“, mit dem barocken Genre geradezu bekenntnishaft verwoben.
Die Harmonisierung der Dualismen von Hell und Dunkel und die Versöhnung der Gegensätze spiegeln sich in der chorischen Aufteilung wider; so sind Frauen- und Männerstimmen häufiger auch getrennt zu hören. Mit dem Chor der Spinnerinnen und Weberinnen erlaubt sich Bunk gar eine Reminiszenz an Richard Wagners „Fliegender Holländer“. Der beständige Wandel, der das Leben vor dem Horizont eines göttlichen Ewigkeitsversprechens charakterisiert, vollzieht sich nicht nur in den Abläufen der Natur, sondern bekehrt auch das sündige Herz. Menschliche Selbstsucht wird von Chor und Orchester in dramatischer Dringlichkeit entlarvt.
Der Schlussgesang mit seiner hymnischen Klimax, der sich als unerschütterliches Glaubensmanifest präsentiert, ist da fast schon des Guten zuviel. Immerhin dürfte der fulminante Jubel, der durch die Speyerer Gedächtniskirche hallt, auch in höheren Sphären vernommen worden sein.
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