Jubiläum

Seit 120 Jahren: Speyerer Gedächtniskirche als Wahrzeichen des Weltprotestantismus

Das Bauwerk beeindruckt mit seiner Schönheit und Klarheit seit mittlerweile 120 Jahren: Die Speyerer Gedächtniskirche ist eine der symbolträchtigsten Sehenwürdigkeiten der Domstadt und feiert nun Jubiläum.

Von 
Nikolaus Meyer
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Der leuchtend gelb blühende Löwenzahn auf dem Platz vor der Gedächtniskirche in Speyer bildet einen schönen Rahmen zum Blau des Himmels und dem Grau des Sandsteins der Kirche. © Klaus Venus

Speyer. Während im September die Jubiläen „1000 Jahre Königskrönung Konrad II.“ sowie den Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen der Friedenskirche St. Bernhard anstehen (wir berichteten), kann auch die Speyerer Gedächtniskirche auf eine besondere Jahreszahl verweisen. Am 31. August 1904 geweiht, wird das symbolträchtige Gotteshaus der Protestanten an diesem Samstag 120 Jahre alt.

Nach Auskunft von Pfarrer Klaus Eicher vom Pfarramt der Gedächtniskirchengemeinde verzichtet die Evangelische Kirche in diesem Jahr auf angemessene Feierlichkeiten. Sie sollen 2029 nachgeholt werden. Und zwar eingebettet in die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 500. Jahrestag des Speyerer Protestationsreichstags 1529, in dessen Folge sich nach der Protestnote von sechs Fürsten und 14 Freien Reichsstädten gegen einen Mehrheitsbeschluss des Reichstages in Glaubensfragen der Begriff Protestanten ableitete.

Gedächtniskirche: Das neugotische Juwel in Speyer ist immer einen Blick wert

Auch ohne Feierlichkeiten lohnt ein Blick auf das neugotische Juwel mit fantastischem Glasfensterzyklus. Die Kirche wurde als adäquates Gegenstück zum katholischen Dom errichtet, nachdem der bayerische König Ludwig I. Mitte des 19. Jahrhunderts die komplette Ausmalung des Mariendoms in Nazarener Manier veranlasst hatte. Zur dominanten malerischen Heiligenverehrung kam die 1858 abgeschlossene Erneuerung des Westwerkes durch den Architekten Heinrich Hübsch hinzu. Obwohl die Ausmalung des Dominneren wegen dem Kontrast von schlichter salischer Bauform und der überbordenden Bilder- und Farbfülle umstritten war, hatte der Dom in Verbindung mit dem neuen Westwerk aus Sicht der Protestanten eine enorme Aufwertung erfahren.

Architektur

Zum 120. Geburtstag: Impessionen der Gedächtniskirche Speyer

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Es musste also etwas Eigenes mit entsprechender Strahlkraft her. Quasi ein Mahnmal gegen die Bevormundung in Glaubensfragen. In Kurzform sind folgende Meilensteine zu nennen: Gründung eines Bauvereins, mehrfache Suche nach einem angemessenen Bauplatz, Start einer weltweiten Initiative zur Sammlung von Spendengeldern und Ausschreibung eines Architektenwettbewerbes. Zu den großzügigsten Geldgebern zählte der 1835 in Speyer geborene Heinrich Hilgard. Er war in die USA ausgewandert, hatte den Namen Henry Villard angenommen und als Eisenbahnmagnat ein beachtliches Vermögen angehäuft. Spenden kamen auch von der protestantischen Kaiserfamilie und dem katholischen König Ludwig II. von Bayern. Aus dem Architektenwettbewerb war das Essener Architektenbüro Flügge und Nordmann als Sieger hervorgegangen. Nach der Grundsteinlegung am 24. August 1893 wurde das Wahrzeichen des Weltprotestantismus als Gegenpol zum erstarkten Katholizismus in knapp elf Jahren errichtet. Geweiht wurde das dreischiffige Kirchenbauwerk am 31. August 1904. Etwa 10 000 Menschen wohnten der feierlichen Zeremonie bei.

Heute wie damals kann man der Gedächtniskirche sowohl historisch als auch bautechnisch einen herausragenden Stellenwert bescheinigen. Das beginnt bereits in der Vorhalle, wo der in Bronze gegossene Luther seit 1903 auf einem Granitsockel steht. Umgeben von den Standbildern der sechs protestierenden Fürsten, blickt er den Besuchern selbstbewusst entgegen. Die Rechte zur Faust geballt und in der Linken die Bibel haltend, zertritt er mit dem rechten Fuß die päpstliche Bannandrohungsbulle. Am Fuße des Denkmals ist der legendäre Ausspruch Luthers vom Wormser Reichstag 1521 eingearbeitet: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen!“

Speyerer Gedächtniskirche als beispielloses Gesamtkunstwerk in Deutschland

Im Innenraum mindern keinerlei Kriegsschäden den großartigen Eindruck. Ob Langhaus, Querhaus, Emporen, Chorraum oder der wie eine Monstranz nach oben strebende Glockenturm – in ihrer filigranen Bauausführung und feinen Ästhetik offenbart sich die Kirche als ein in Deutschland wohl beispielloses Gesamtkunstwerk. Dazu trägt auch das Dach bei, unbestreitbar eines der schönsten Kirchendächer in Europa.

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Einen besonderen Blickfang stellen die fantastischen Glasfenster mit ihren leuchtenden Motiven dar. Die Glasmalereien erzählen biblische Geschichten und treffen bildliche Aussagen über Basiswerte des evangelischen Christentums. Durch ein neues Lichtkonzept, das den Kirchenraum bei Bedarf in warme Farbtöne taucht, werden auch die Fenster besser wahrgenommen. Für gute Klänge sorgt zudem die neue Chororgel mit zwei Manualen, 25 Registern und etwas mehr als 1500 Pfeifen.

Freier Autor Freier Journalist

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