Konzert im Dom

Motettenchor in Speyer: Mannheimer Ensemble begeistert mit Passionsvertonung

Der Motettenchor Mannheim führt im Speyerer Dom Charles Woods Passionsvertonung von 1920 auf.  Solisten und der Domorganist unterstützen die Darbietung mit feinsinniger Begleitung.

Von 
Uwe Rauschelbach
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In der Konzertreihe „Cantate Domino“ der Dommusik Speyer gastiert der Motettenchor Mannheim unter der Leitung von Klaus Krämer und Mitwirkung von Domorganist Markus Eichenlaub im Speyerer Dom und bietet die „Saint Markus Passion“ (Markuspassion) dar. © Venus

Speyer. Auf der Ebene hinter dem Pfarraltar platziert, wirkt der gut 30-köpfige Motettenchor Mannheim schon optisch weit weg. Das hat auch akustisch Folgen; denn der Gesang des Vokalensembles scheint im Speyerer Dom nahezu entrückt. Das ist dem Anlass und dem Charakter dieser Aufführung rundum angemessen: Die 1920 entstandene Passionsvertonung des spätromantischen britischen Komponisten Charles Wood nach dem neutestamentlichen Bericht des Evangelisten Markus legt es vor allem auf den inneren Nachvollzug an.

Das Publikum wird damit nicht zum Zeugen einer Konzertveranstaltung, sondern hat Anteil an einem liturgischen, im Grunde gottesdienstlichen Geschehen. Gethsemane und Golgatha sind die geografischen Koordinaten des Leidens und Sterbens Jesu, das gerade in der nüchternen Schilderung des Markus noch immer betroffen macht. Während im Garten rund um den Dom der Frühling aufbricht, rückt Karfreitag in der noch winterlich kühlen romanischen Kathedrale bedrückend nahe.

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Doch die Passion Charles Woods – er lebte von 1866 bis 1926 – hält auch Passagen bereit, in denen Raum für Trost und Hoffnung geschaffen wird, ohne den Opfertod des Juden Jesus zu verklären. Freilich gestaltet der Komponist die entsprechenden gebetshaften Reflexionen eines gläubigen Ichs ungemein berührend und durchaus romantisch harmonisiert. Der Mannheimer Motettenchor legt unter der engagierten und auf differenzierte Artikulationen bestehenden Leitung von Bezirkskantor Klaus Krämer ein hohes Ausdrucksvermögen an den Tag.

Woods’ zeitgenössische Adaption des lateinischen Hymnus erfordert den gesanglichen Wechsel zwischen gregorianischer und spätromantischer Klangsprache, zwischen Unisono- und homophonen Satzweisen. Ebenso erweitert der Chor den Bericht des Evangelisten durch responsorische Deutungen. Das letzte Abendmahl wird vom Chor mit einer ergreifenden Stimmung versehen. Als es ernst wird auf Golgatha und Jesus seinem tragischen Ende entgegengeht, wird der Gesang auf seine Grundstruktur reduziert und erklingt rein a cappella; in der Kargheit der musikalischen Darstellung ist kein Platz mehr für Ausschmückungen. Was dort vor mehr als 2000 Jahren geschehen ist, lässt sich eben durch nichts beschönigen.

Am Ende herrscht Schweigen

Sebastian Hübner (Tenor) zeichnet die Schilderungen des Evangelisten einfühlsam nach, ohne die neutrale Position des Beobachters aufzugeben. Timothy Sharp (Bariton) ist vor allem ein sein Missgeschick mit souveräner Haltung duldender Jesus. Chorsopranistin Monika Wiegelmann gibt den Mägden, die den Jünger Petrus zum Leugnen provozieren, eine kraftvolle Stimme. Und Domorganist Markus Eichenlaub begleitet die Gesänge an der Chororgel des Speyerer Doms mit enormem Feinsinn für die rhetorischen Details sowie die dramatischen Prozesse, denen das Kreuzigungsgeschehen unterworfen ist.

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Die äußerste Verlassenheit im Angesicht des Todes wird von Charles Wood durch klangliche Mittel nachvollzogen, die den tiefen Ernst der Lage aufspüren. Erst vor dem Schlusshymnus findet die Orgel noch einmal zu kraftvollen Ausdrucksregistern. Doch mit dem Finale wird das Geschehen durchaus nicht in einen Triumph verwandelt; der Sieg über den Tod ist nicht Teil des Passionsgeschehens. Wie in Johann Sebastian Bachs großen Passionen bleiben die Zeugen des Sterbens Jesu vielmehr erschüttert am Grab zurück.

Dass der Tod nicht das letzte Wort behält, ist dann auch nicht mehr als eine zarte Hoffnung. Nachdem eine gute Stunde verklungen ist, herrscht im Speyerer Dom erst einmal Schweigen.

Freier Autor

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