Mannheim. Claudio Preto ist sauer. Sehr sauer. Noch mehr hat er aber Angst. Angst um das deutsche Eishockey - und dessen Nachwuchs im Speziellen. Grund ist die Entscheidung des Bundestages, die ab April den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit erleichtern wird. Kurz gesagt: Eine Einbürgerung soll nun in der Regel bereits nach fünf statt bisher acht Jahren möglich sein. Bei besonderen Integrationsleistungen sogar schon nach drei Jahren.
Neues Einwanderungsgesetz: Claudio Preto macht sich Sorgen um Eishockey-Nachwuchs
Preto, der Vorstand der Jungadler Mannheim, macht sich um den richtigen Umgang mit diesem Gesetz im Eishockey Sorgen - rein technisch, nicht politisch gesehen. Und ist damit nicht allein. Diese Thematik treibt auch die Ligen, Spieler, Clubs und Verbände um. „Dieses Gesetz wird die deutsche Eishockeylandschaft komplett verändern“, ist sich Preto im Gespräch mit dieser Redaktion sicher.
Als er diesen Satz sagt, sitzt er in der Geschäftsstelle der Jungadler Mannheim. Dem Epizentrum des Erfolgs im deutschen Nachwuchs-Eishockey der vergangenen Jahrzehnte, in denenen die Jungadler eine Nachwuchsmeisterschaft nach der anderen einfuhren und über 250 Spieler in den Profibereich brachten. Bei seinen Aussagen erhebt Preto immer mal wieder die Stimme, fährt sich nachdenklich durch seinen Bart oder unterstreicht seine Argumente gestenreich.
Doppelte Staatsbürgerschaft als Weg um die Kontingent-Stelle
Der Mannheimer befürchtet ab der kommenden Saison eine Einbürgerungswelle im deutschen Eishockey. Vor allem, weil die Spieler nun ihre Staatsbürgerschaft behalten dürfen und dennoch keine Kontigentstelle besetzen.
„Viele Spieler haben sich in der Vergangenheit gesträubt, ihre Staatsbürgerschaft zugunsten der deutschen abzugeben“, erläutert der fachkundige Preto und ergänzt: „Aber jetzt haben sie ja im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu verlieren. Im Gegenteil: Sie bekommen den deutschen Pass ja geschenkt.“
Auch den Sprachkurs, den ausländische Spieler ohne deutsche Vorfahren für den Passerhalt absolvieren müssten, sieht Preto nicht als eine mögliche Hürde an. „Es wird nicht lange dauern, bis bekannt ist, auf was man sich konkret vorbereiten muss. Wenn mir der Pass die Garantie gibt, drei, vier oder fünf Jahre länger mein Geld im deutschen Eishockey zu verdienen, dann investiere ich doch die Zeit und lerne das nötige Deutsch, um den Test zu bestehen“, sagt Preto.
Entsprechend werden laut dem 57-Jährigen auch die Vereine nicht davor zurückschrecken, mögliche Spieler mit einem deutschen Pass auszustatten. „Die Clubs sehen dann, dass sie drei Kontingentspieler eindeutschen und dafür drei neue ausländische Spieler holen können und versprechen sich davon natürlich Erfolg“, sagt Preto.
Einbürgerungskandidaten
- Adler Mannheim: Jordan Szwarz, Tyler Gaudet, Jordan Murray (alle bereits seit drei Jahren in Deutschland).
- Eisbären Berlin: Morgan Ellis, Zach Boychuk, Julian Melchiori und Yannick Veilleux (drei Jahren).
- Düsseldorfer EG: Victor Svensson, Stephen MacAulay (bereits seit fünf Jahren); Kyle Cumiskey, Alec McCrea, Kevin Clark, Brendan O’Donnell (drei Jahren).
- Schwenninger Wild Wings: Thomas Larkin (mind. fünf Jahren), Joacim Erikson, Ben Marshall, Tylor und Tyson Spink, Chris Brown (drei Jahren).
- EHC München: Ben Smith (fünf Jahren); Jonathon Blum, Chris DeSousa, Ben Street, Ryan McKiernan, Austin Ortega (drei Jahren).
- Hinweis: Nur Beispiele aus der DEL
Marcus Kuhl, Mannheimer Spielerlegende, langjähriger Adler-Manager und nun schon seit vielen Jahren als sportlicher Leiter der Jungadler tätig, unterstreicht diese These. „Für viele Manager kommt das Thema gerade recht. Denn es gibt im Prinzip keine deutschen Spieler auf dem Markt“, betont er, glaubt aber auch, dass „das Thema gut fünf Jahre brauchen wird, bis man die Auswirkungen endgültig sehen kann.“ Bereits jetzt spielen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), DEL 2 und den Oberligen 191 Spieler, die nicht in Deutschland geboren und/oder eishockeytechnisch ausgebildet wurden, mit deutschem Pass. 41 weitere könnten ligenübergreifend schon in diesem Sommer Deutsche werden.
Auswirkungen auf den deutschen Nachwuchs und damit auf die Nationalmannschaft befürchtet
Preto könnte das Handeln der Clubs aus wirtschaftlicher Sicht „auch irgendwo verstehen“, doch am Ende planen diese laut dem Jungadler-Vorstand „zu kurzfristig“, schauen „nicht über den Tellerrand hinaus“ und dadurch wird sich ihr Handeln „auch auf den deutschen Nachwuchs sowie die Nationalmannschaft auswirken“, ist er sich sicher und konkretisiert: „Durch die Einbürgerungen werden immer weniger deutsche Nachwuchsspieler oben ankommen. In Zukunft werden wir bestimmt nur noch drei, vier gebürtige deutsche Ü-23-Spieler bei den jeweiligen Teams haben.“
Die Folge wird laut Preto sein, dass immer weniger Kinder mit dem Eishockey anfangen werden. „Wenn du dein Kind im Eishockeysport richtig unterstützen und fördern möchtest, gibst du so vieles auf. Du opferst tausende von Stunden und Euro“, zählt Preto aus eigener Erfahrung - seine Söhne Pierre und Philipp sind als Spieler in der DEL2 beziehungsweise DEL aktiv - auf und fragt rhetorisch: „Warum sollten die Eltern das noch tun, wenn in den Ligen sowieso kein Platz ist? Sehr viele Eltern sparen sich das Geld regelrecht vom Mund ab.“
Gentlemen’s Agreement: Lösungsvorschlag für Deutsche Eishockey-Bund (DEB)
Bei aller Aufregung ist sich Preto natürlich bewusst, dass die Politiker bei diesem Gesetz - durch das sie als Einwanderungsland Facharbeiter anziehen wollen - als allerletztes ans Eishockey oder den Profisport im generellen gedacht haben. „Aber dann muss ich mich doch als Spitzensportverband, wie der Deutsche Eishockey-Bund einer ist, mit den anderen Verbänden zusammentun, direkt zum Sportministerium gehen, Fragen erörtern und mögliche Probleme aufzeigen“, kann Preto nicht nachvollziehen, warum hier noch keine Lösungsansätze vorliegen.
Der DEB, der für die drittklassigen Oberligen zuständig ist, teilte indes mit: Die „DEB-Führung und die zuständigen Gremien befassen sich auf allen Ebenen intensiv mit dem Sachverhalt zum Thema Einbürgerung und den daraus entstehenden Konsequenzen“.
Für Preto liegt die Lösung indes schon auf der Hand: „Man müsste ein Gentlemen’s Agreement verfassen, durch das nur noch in Deutschland ausgebildete Spieler als Lizenzdeutsche gelten“, sagt er. Und auch die laut ihm am Boden liegenden Jugendligen müssten reformiert werden, um den Nachwuchs konkurrenzfähiger zu machen. „Doch dafür müsste man unangenehme Entscheidungen treffen, was wiederum keiner machen möchte“, bemerkt Preto.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Im deutschen Nachwuchseishockey müssen unbequeme Wege gegangen werden