Tiefe Geothermie - Als sei man im alleinigen Besitz der Wahrheit Der polemische Schlager der Bürgerinitiative

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Die Bürgerinitiative (BI) gegen Geothermie wirft Staatssekretär Dr. Andre Baumann unter anderem vor, „sogar Krieg“ werde als Argument für Geothermie verwendet: Klarer als aktuell vorliegend kann man Abhängigkeitsumstände und die Erpressbarkeit im Energiesektor doch gar nicht vorgeführt bekommen! Geothermie könnte jedenfalls völlig unabhängig von Diktatoren genutzt werden.

Auf welche Techniken beziehen sich die Befürchtungen der BI eigentlich? Petrothermale oder konventionelle, hydrothermale Geothermie? Nur Tiefen- oder auch oberflächennahe Geothermie? Gar Erdwärmesonden? (zirka 400 000 hiesige Anlagen, Schadenswahrscheinlichkeit bei 0,002 Prozent per anno laut KIT – dem Karlsruher Institut für Technologie); gigantisches Potenzial, fast CO2-frei, wetterunabhängig (laut Umweltbundesamt).

Geheimnisvoll fabuliert die Bürgerinitiative über eine „Satellitenstörung“ bei Kriegsbeginn, Windradausfall, Warnstufe (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) – quasi obligatorisch bei Kriegszuständen und Infrastruktur. Status nun: Nichts ist bewiesen, nichts bekannt. Wen schert es?

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Eine große Anzahl beieinanderliegender Geothermie-Anlagen bedeutet für die BI unterschiedslos ein großes potenzielles Erdbebengebiet – unterschiedliche Geothermie-Konzepte und -Systeme interessieren sie nicht – das Worst-Case-Szenario wird im unzulässigen Ringschluss als stets „sicher eintreffend“ angenommen. „Man sei sich einig“ und verwendet dies für maximale Angstmache: großflächige Zerstörung von allem! Das technische Gelingen von übergreifender Vernetzung und die Steuerung verschiedenster Anlagen werden einfach mal so behauptet – was hier eine weitestgehend von Sachkenntnis befreite Aufstellung der BI aufzeigt.

Exemplarisch sei der von der BI angeführte anekdotische „Beweis Pohang“ (Südkorea 2017) genannt. Droht jenes nun überall? Die BI stellt fest: Ach, doch nicht – bei uns ist ein anderes System geplant – gelangt aber dennoch zu einer spektakulär abweichenden, pauschalen Folgerung: Doch! Zweifelsfrei! Diese Energieform! Nebenbei: Die Folgekosten des Klimawandels lassen schon jetzt „Pohang“ wie Portokosten aus dem 19. Jahrhundert aussehen.

Die BI hängt einer idealistischen Idee von einer ungestörten Natur nach – auch im knirschenden Tiefengestein soll nicht „manipuliert“ werden. Dass es der Mensch zu einem eigenen, von ihm geprägten Erdzeitalter – dem Anthropozän – bringen könnte, kann dazu deutlicher nicht ausfallen.

Es wird gefordert, in seismisch aktive Gebiete nicht einzugreifen; ich empfehle die Lektüre des Diercke-Weltatlas, Plattentektonik, 8. Klasse – und eine Erweiterung des Protestgebietes auf den Erdöl-, Gold-, Diamanten-, Steinkohle-, Kupfer- und den Salz-Bergbau sowie für alle Thermalbäder.

Aneinandergereihte Halbwahrheiten, ungeprüfte Allgemeinplätze – dieses Vorgehen, sich derart zu artikulieren, ist hinlänglich von Verschwörungsmystikern bekannt. Zu jedem Halbsatz müsste man eine eigenständige Korrekturfahne schreiben. Im Geothermie-Bereich wird massiv geforscht, um alle Aspekte stetig zu verbessern – UBA, KIT – sind das alles Unwissende? Alleinig die BI scheint im Besitz „der Wahrheit“ zu sein.

Das BI-Pamphlet mündet im Aufruf, Dr. Baumann solle rücksichtslose Eingriffe in „unsere Natur und unseren Lebensraum“ unterlassen. Noch war er nicht im Baumarkt.

Stefan Behme, Schwetzingen