Kassenärtzliche Vereinigung

Notfallpraxis Schwetzingen soll geschlossen werden – Interventionen nutzen nichts

Warum muss die Bereitschaftspraxis im Schwetzinger Kreiskrankenhaus schließen? Das wollten die Abgeordneten Andreas Sturm und Andre Baumann sowie OB Matthias Steffan von der verantwortlichen KVBW-Managerin wissen.

Von 
Jürgen Gruler
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Die Bereitschaftspraxis in Schwetzingen soll geschlossen werden. © picture alliance/dpa

Schwetzingen. Briefe an die Landesregierung, Interventionen an die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), eine Klage vor dem Verwaltungsgericht, Unterschriften von mehr als 14.000 Bürgerinnen und Bürgern, Landtagsbeschlüsse und Debatten in den Ausschüssen. Am Ende wird alles umsonst gewesen sein. Denn auch ein letzter Versuch der beiden Landtagsabgeordneten Andreas Sturm (CDU) und Andre Baumann (Grüne) zusammen mit dem Schwetzinger Oberbürgermeister Matthias Steffan, in einer Videokonferenz mit der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der KVBW, Dr. Doris Reinhardt, den Erhalt der Notfallpraxis in Schwetzingen doch noch zu erreichen, ist gescheitert.

Im Gespräch mit dieser Zeitung zeigte sich am Rande des Spargelanstichs OB Steffan enttäuscht. „Offensichtlich versucht die KVBW bewusst, ihre Vorschläge durchzudrücken, noch bevor die neue Koalition in Berlin übergeordnete Lösungen beschließen kann, die dort geplant sind“, sagt der OB: „Damit wird eine funktionierende Versorgung vor Ort ohne Grund zerschlagen.“

Die Abgeordneten Andre Baumann und Andreas Sturm setzen sich für Erhalt von Schwetzingens Notfallpraxis ein

In einer gemeinsamen Pressemitteilung der beiden Landtagsabgeordneten heißt es dazu: „Die Schließung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes am Kreiskrankenhaus Schwetzingen bewegt die Gemüter. Die Bevölkerung ist verunsichert und zahlreiche Politiker versuchen, zusammen mit den Rathauschefs, das Aus der Bereitschaftspraxis zu verhindern. Beschlossen hatte die Schließung die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihrer Selbstverwaltung. „Danke, dass Sie mit uns und den Kommunen ins Gespräch kommen“, eröffnete Dr. Andre Baumann das Gespräch. „Wir wissen um die Selbstverwaltung. Und wir sehen den enormen Reformbedarf im Gesundheitswesen“, so Baumann. Aber dennoch bleibe die Frage, warum gerade der Standort Schwetzingen geschlossen werden solle: „Ich kenne den verantwortlichen Arzt, der das organisiert, wohne selbst neben dem Kreiskrankenhaus, ich habe viele Gespräche geführt und verstehe das nicht. Man findet hier Ärzte für die Dienste. Warum also soll Schwetzingen geschlossen werden, wenn es funktioniert?“

Die Abgeordneten Andreas Sturm und Dr. Andre Baumann, Oberbürgermeister Steffan und Dr. Doris Reinhardt im Gespräch. © Screenshot

Andreas Sturm stimmt Baumann zu. Für ihn ist es auch eine Frage der Zeit: „Die Notfallaufnahme im Mannheimer Theresienkrankenhaus wird demnächst schließen und dafür soll es beim Bereitschaftsdienst eine verlängerte Öffnungszeit um eine Stunde geben.“ Andreas Sturm fordert darum einen Aufschub: „Wir sollten zuerst schauen, was in Mannheim passiert!“

KVBW sieht Ursprung des Problems tieferliegend

Doris Reinhardt versteht die Angst vor dem Ende der bewährten Strukturen. Aber aus Sicht der KVBW liegen die Probleme tiefer: „Wir haben ein ganz anderes Hauptproblem. Wir haben weniger niedergelassene Ärzte, dafür aber mehr Ärzte, die angestellt sind, und mehr, die in Teilzeit und Anstellung arbeiten. Damit die niedergelassenen Ärzte als Arbeitgeber Ärzte anstellen, braucht es Anreize.“ Die zusätzliche Dienstverpflichtung im Bereitschaftsdienst sei nicht hilfreich. 1.000 unbesetzte Standorte gäbe es bereits in der Regelversorgung. „Die wieder zu besetzen ist unser Hauptjob“, so Reinhardt.

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Ohne Zweifel sei der Standort des Bereitschaftsdienstes am Kreiskrankenhaus genau richtig, so Reinhardt. „Dort können akut erkrankte Menschen am Wochenende gut versorgt werden. Und natürlich gibt es Kollegen, die bereit sind, Bereitschaftsdienst zu machen“, bestätigte sie. Aber genau das sei das Problem. Die Kolleginnen und Kollegen werden in der Regelversorgung benötigt. „Lange Bereitschaftsdienste und Nachtdienste sind da eher hinderlich“, erklärte Reinhardt. „Als Verantwortungsgemeinschaft für alle Regionen in Baden-Württemberg müssen wir größer denken, damit wir die Regelversorgung verbessern können.“ Und dafür gäbe es das neue Standortkonzept der KVBW, in dem der Bereitschaftsdienst neu geregelt werde.

Oberbürgermeister Matthias Steffan: Neuausrichtung ist für die Metropolregion ungeeignet

Oberbürgermeister Matthias Steffan brachte zum Ausdruck, dass eine Neuausrichtung und eine Standortreduzierung nach dem Prinzip einer Erreichbarkeit von angeblich 30 Minuten zur nächsten Praxis nicht zielführend für Metropolregionen seien. Er betonte, dass die Rhein-Neckar-Region mit Blick auf ihre Einwohnerzahl und ihre Herausforderungen, eine andere Bewertung durch die KVBW bedurft hätte. Aus diesem Grunde habe man bereits vor über acht Jahren den Standort der Notfall- und Bereitschaftspraxis am Standort der GRN-Klinik Schwetzingen für den südlichen Landkreis gebündelt. Seither habe sich die KVBW-Praxis für Patienten und Hilfesuchende bewährt. Aus Sicht des Schwetzinger Oberbürgermeisters trage das neue Konzept nicht den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen im Notfall- und Bereitschaftsdienst des Rhein-Neckar-Raumes entsprechend Rechnung.

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Andreas Sturm pflichtete bei: „Wir erleben gerade eine schwierige Situation in der Gesundheitspolitik und vor Ort. Mögliche Krankenhausschließungen, ein neues Notfalldienstgesetz, von daher plädiere ich für Ruhe im System und dafür, gut funktionierende Strukturen zu erhalten.“ Laut KVBW sei der ärztliche Bereitschaftsdienst auch bei einer Standortverlagerung nach Mannheim und Heidelberg gesichert: „Sie dürfen nicht nur auf die Öffnungszeiten schauen, es werden auch mehr Ärztinnen und Ärzte da sein. Die verfügbaren Arztzeiten werden gemäß regionalem Bedarf ausgebaut“, erklärte Reinhardt.

Dr. Andre Baumann: „Im Gesundheitssystem besteht dringender Reformbedarf“

Aber Fakt sei eben auch, dass für die KVBW die Regelversorgung wichtiger sei als der Bereitschaftsdienst. Denn dieser sei nur eine Ergänzung und keine Alternative zur normalen hausärztlichen Versorgung. „Unser Auftrag ist die Sicherstellung der Regelversorgung und der Bereitschaftsdienst gewährleistet die Überbrückungsbehandlung“, stellte Reinhardt fest. „Wir können uns Fehlallokationen im Gesundheitswesen nicht mehr leisten. Die Inanspruchnahme steigt überall im Gesundheitssystem. Wir brauchen dafür eine Steuerung, damit die Menschen wohnortnah durch ihre Hausärztinnen und Hausärzte aber auch Fachärzte sowie Psychotherapeutinnen versorgt werden können.“ Die Situation sei besorgniserregend: „Pflegeheime können keine neuen Bewohner mehr aufnehmen, weil sie keine betreuende Hausarztpraxis finden“, erklärte Reinhard weiter.

Laut Pressemitteilung kann Dr. Andre Baumann die Argumente nachvollziehen: „Im Gesundheitssystem besteht dringender Reformbedarf. Und es gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz, nämlich dass vergleichbare Bedingungen für alle Menschen im Land bestehen. Aber wir haben gerade festgestellt, dass wir uns zurzeit in einer sehr ereignisreichen Situation befinden. Kann man da wirklich nicht noch abwarten?“, fragt Baumann nochmals nach einer speziellen Behandlung des Standortes nach.

Aber Doris Reinhardt hält an ihren Plänen fest: „Wir brauchen lieber heute als morgen eine bessere Regelversorgung. Wir als KVBW kämpfen um jede Arztpraxis“, stellt sie fest. Und auch, wenn das Gespräch keine substanziellen Ergebnisse lieferte, gab es wenigstens die Einigkeit, uneinig zu sein: „Wir haben unterschiedliche Ansichten, aber wir reden miteinander“, stellten alle Anwesenden am Ende fest. Für die Notfallpraxis dürfte dies das Ende sein – im August ist Ultimo.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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