Festspiele - Bei seinem Konzert in Schwetzingen begeistert Martin Helmchen mal mit poetisch-entrückten Tönen, mal mit dynamischer Klanggewalt.

Schwetzingen: Martin Helmchen brilliert am Klavier

Von 
Hans-Günter Fischer
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Ausdrucksstarkes Spiel: der deutsche Pianist Martin Helmchen beim Konzert in Schwetzingen. © SWR/Anna Jenetzky

Schwetzingen. Einen deutschen Pianisten (oder gern auch eine Pianistin), der beim eisernen Bestand des Repertoires, von Bach bis Schumann, einen wirklich tiefen Fingerabdruck hinterlassen könnte, trifft man heutzutage ziemlich selten. Aber wenn, dann trifft man meistens Martin Helmchen.

Der gebürtige Berliner hat etwa mit seiner Aufnahme von Beethovens Klavierkonzerten Aufsehen erregt - im Jubiläumsjahr des Komponisten. Bei den SWR-Festspielen ist er schon seit längerem ein Stammgast, und bei seinem diesjährigen Auftritt arbeitet er sich am offiziellen Festival-Motto „Arkadien“ ab. Er scheint dieses Gelobte Land bereits im ersten Satz des ersten Stücks erreicht zu haben: im Präludium der B-Dur-Partita Bachs.

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Absolutes Gleichgewicht

Verzückt-entrückt blickt Helmchen drein und tupft auch ebenso entrückte Töne in die Tasten. Töne, wie man sie seit einer legendären Platteneinspielung Dinu Lipattis - einer von massiven Rauschfahnen umwehten, über 70 Jahre alten Monoaufnahme - nur selten hört. Es herrscht ein absolutes Gleichgewicht aus Kontrapunktik und kantabler Linienführung. In diesem Arkadien gibt es in der Sarabande gar eine lyrische Gesangsszene. Auf einem Tasteninstrument.

Schumanns „Gesänge der Frühe“ kann und will der Pianist nur punktuell zu solcher Poesie verhelfen. Hier regieren Reduktion und Sprödigkeit des auch in der thematischen Erfindung ausgedünnten Spätwerks. Helmchen kehrt das sogar offensiv hervor, mit viel Dynamik und Pedal. In Bartóks kleinem Werkzyklus „Im Freien“ ist es endgültig vorbei mit der Romantik, das Klavier wird Schlagzeug. Ein Kontrast, den Helmchen eher noch betont, wenn nicht verstärkt. Man kann ihn wirklich nicht als Forte- und Fortissimo-Verächter brandmarken, besonders in den Außensätzen schleudert er die perkussiven Klangeffekte ungebremst heraus. Den Nacht-Klängen im vierten Stück spendiert er dafür einen Riesen-Resonanzraum, eine extragroße Hallglocke.

Kunst der Dialektik

Helmchen - als Mann fürs Große und Gewichtige - entdeckt auch in der vorletzten Sonate Schuberts immer wieder einen Kampfplatz für Konflikte. Jedes Loslassen, so wunderbar es dann gerät, ist hart errungen. Selbst in der finalen Tonkaskade liegt das Wagnis eines Sprungs aus großer Höhe. Helmchen meistert ihn natürlich glänzend - wie in seiner ersten Zugabe die Anschlagstudie „Vogel als Prophet“ von Schumann. Ihre Stimmung gibt sich mysteriös und zwielichtig: Dieser Prophet beherrscht die Kunst der Dialektik.

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