Selbstversorger

Selbstversorger: Gemüse löst den Zierrasen im Garten ab

Von 
Sabine Rößing
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Dank Hochbeeten lassen sich Gurken, Zucchini und Co. selbst auf dem Balkon anpflanzen. © Daniel Karmann/dpa

Mannheim. „Wir haben wohl die Kurve gekriegt“, freut sich Susanne Woll, stellvertretende Marktleiterin im Mühltaler Gartenmarkt südöstlich von Darmstadt. Und meint wohl ganz allgemein die Gemeinschaft der Gartenfreunde, die seit geraumer Zeit ungeahnten Zulauf erhält. Es sei nicht lange her, da hätten viele ihrer Kunden vor allem nach Schotter in unterschiedlichen Grautönen für ihren neuen, pflegeleichten Steingarten gesucht. Das, sagt sie, sei weitgehend vorbei.

Die Deutschen hegen und pflegen ihre Gärten mit neuer Inbrunst - und entdecken dabei den Gemüseanbau neu: Der Verkauf von schneckensicheren Hochbeeten boomt, sogar beim Discounter Lidl sind sie aktuell im Angebot. Rasenstücke werden abgetrennt, um Platz zu schaffen für Bohnen und Tomaten. Kultiviert wird auf der kleinsten Fläche: „Der eigene Garten“, vermutet Woll, „ist zur Zufluchtsstätte geworden“.

Ähnlich sieht es der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten (BHB): Er registriert im gesamten Bundesgebiet eine steigende Nachfrage nach Saatgut und Anzuchtpflanzen als Folge eines gesteigerten Bedürfnisses zur Selbstversorgung und einer Rückbesinnung auf den eigenen Nutzgarten. Wer keinen Garten hat, sucht nach platzsparenden Lösungen für den Balkon.

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„Selbstversorgergärten boomen seit Beginn der Corona-Pandemie“, bestätigt ein Sprecher der Hornbach Baumärkte. Die Nachfrage nach Pflanzerde, Dünger, Samen und Setzlingen steige. Sogar Home Farming sei im Kommen, zu merken unter anderem an einem zunehmenden Absatz von Geflügelfutter. Seit Beginn der Pandemie verbringen die Menschen wieder mehr Zeit zu Hause. Der Krieg in der Ukraine erneuert die Sehnsucht nach Geborgenheit. Inflation und die spürbar anziehenden Lebensmittelpreise tun ein Übriges.

Cocooning tauften Sozialforscher bereits in den späten 1980er Jahren den Wunsch vor allem vieler junger Menschen, sich in den eigenen vier Wänden einzukuscheln und einer zunehmend unübersichtlichen Welt den Rücken zu kehren. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wollen sich unabhängiger machen - auch von leeren Regalen im Supermarkt. Es wird fermentiert, eingelegt und Brot gebacken wie zu Großmutters Zeiten. Im Web wetteifern 20-jährige Influencer mit Bauanleitungen für mehrstöckige Marzipan-Torten. Wer etwas auf sich hält, reflektiert im eigenen Blog über die perfekte Konsistenz von Fruchtaufstrichen, den eigenen Bienenstock und die Wiederkehr des Römertopfs.

„Einzelhandels- und Konsumgüterunternehmen müssen ihre Produkt- und Dienstleistungsportfolios anpassen“, raten die Consumer Research-Experten der Beratungsgesellschaft Accenture: Die im Zuge der Corona-Pandemie zu beobachtende Rückbesinnung der Menschen auf ihre heimische Community werde langfristig sein und ein „Jahrzehnt des Zuhauses“ mit sich bringen. Einzelhändlern und Herstellern empfehlen sie, ihren Kunden mit Produkten und Dienstleistungen „ein stärker lokal ausgerichtetes Erlebnis zu bieten“.

Accenture befragte mehr als 8000 Menschen aus 20 Ländern. Sichtbar werde daraus ein anhaltendes Unbehagen gegenüber öffentlichen Räumen. Außerdem schrumpfen derzeit die Haushaltseinkommen: „Das Zuhause ist der neue Horizont - es ist zum Arbeitsplatz, zur Schule und zu einem Ort geworden, an dem man neue Hobbys ausprobieren kann.“

Der Begriff Nachhaltigkeit sei inzwischen tief in den Werten der Deutschen verankert, ermittelte die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Der GfK Nachhaltigkeitsindex zeige, dass sogar die Bereitschaft, für nachhaltige Produkte höhere Preise zu bezahlen, seit Februar trotz leichter Rückgänge weitgehend stabil geblieben ist.

Doch schlägt sich dieser Trend nicht automatisch in steigenden Umsätzen nieder. „Schon zu Beginn der Coronakrise hatten die Menschen verstärkt Gemüse und Obst angebaut“, sagt Afra Stoll vom Mannheimer Gartencenter Beier. Um etwa zehn Prozent sei die Nachfrage nach Utensilien für den Obst- und Gemüseanbau gegenüber 2019 gestiegen, schätzt sie. Und auch Peter Schulz vom Blumenhaus Schulz bei Darmstadt ist skeptisch: Schließlich verfügten immer weniger Menschen in Ballungsgebieten über die nötige Fläche für die Selbstversorgung: „Die Grundstücke werden immer kleiner, der Platz ist nicht einfach mehr da.“ Trotz leichter Zuwächse in der Pandemie sei der Umsatz mit Anzuchtpflanzen im Zehn-Jahres-Vergleich deutlich zurückgegangen.

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    In Suppen, als Auflauf, gegrillt oder gefüllt: Die Zucchini ist ein echter Alleskönner in der Küche. Das Sommergemüse punktet zudem mit wichtigen Nährstoffen und wenig Kalorien. So schreibt es die KKH Kaufmännische Krankenkasse in einer Pressemitteilung und da kommt es gerade recht, dass auch die Schwetzinger Zeitung im "Urban Gardening"-Beet im Marstallhof besagten Alleskönner anbaut. Geschmacklich ist die Zucchini, die mit dem Kürbis verwandt ist und daher auch ihren Namen hat (ital. zucchini – kleine Kürbisse), eher neutral. Deshalb lässt sie sich äußerst vielfältig zubereiten. „Roh eignet sie sich als Fingerfood oder Salat. Noch aromatischer schmeckt sie aber angebraten oder gedünstet. Gemeinsam mit Tomaten, Paprika und Aubergine entsteht zum Beispiel ein sommerlich leichtes Ratatouille“, erklärt Dr. Anja Luci, Ernährungswissenschaftlerin der KKH Kaufmännische Krankenkasse. Das schmeckt nicht nur gut, sondern ist sehr gesund und leicht verdaulich. Durch ihren hohen Wasseranteil von bis zu 90 Prozent hat die Zucchini nur etwa 20 Kalorien pro 100 Gramm sowie kaum Fett. Damit ist sie ein echter Schlankmacher. „An heißen Tagen ist die Zucchini ein hervorragender Flüssigkeitslieferant. Hinzu kommt, dass sie auch Vitamine und zahlreiche Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium, Eisen und Magnesium enthält“, weiß die Ernährungswissenschaftlerin. „Kalzium ist beispielsweise für den Aufbau von Zähnen und Knochen wichtig, Eisen benötigen wir für die Blutbildung.“ Da die meisten Vitamine unter der Schale sitzen, sollte die Zucchini im Idealfall ungeschält gegessen werden.  Mit etwa 18 Gramm Vitamin C auf 100 Gramm unterstützt das Gemüse die Funktion des Immunsystems und wirkt zellschützend. Grün oder gelb, gestreift und gesprenkelt Zucchini wachsen in verschiedenen Formen: Sie können rund oder länglich sein, grün oder gelb, gestreift oder gesprenkelt. Geschmacklich unterscheiden sich die Sorten aber kaum. Ihr weißes bis hellgrünes Fruchtfleisch macht nicht nur mariniert auf dem Grill eine gute Figur. Populär ist das Sommergemüse inzwischen auch als gesunde Nudelalternative: Ob Bolognese oder Carbonara – mit den sogenannten Zoodles lassen sich alle Nudelklassiker als Low-Carb-Variante, sprich kohlenhydratarm zubereiten. {element} Auch bei Hobby-Gärtnern ist das Sommergemüse beliebt. Schon wenige Pflanzen bescheren meist eine ertragreiche Ernte. Aber Achtung! „Selbst angebaute Zucchini enthalten in seltenen Fällen Bitterstoffe, die sogenannten Cucurbitacinen. Diese können beim Verzehr die Schleimhäute in Magen und Darm angreifen und Vergiftungserscheinungen auslösen“, warnt Dr. Anja Luci - ein Tipp, der natürlich auch für das hauseigene Beet dieser Zeitung nicht uninterresant ist. Betroffene klagen über Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Für einen unbedenklichen Zucchini-Genuss empfiehlt die KKH-Expertin deshalb, zuerst eine kleine Menge zu probieren und das Gemüse bei Bitterkeit sofort zu entsorgen. Denn auch Kochen kann das Gift nicht zerstören. Bei gekauften Zucchini aus dem Supermarkt besteht die Gefahr in der Regel allerdings nicht, da die Bitterstoffe aus modernen Sorten herausgezüchtet wurden.

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  • Machen Ideen für schattige Plätzchen im Garten

    Wieder zwölf Stunden Sonne: Sommerwetter wie aus dem Bilderbuch. Zum Ausruhen allerdings rücke ich dieser Tage den Liegestuhl lieber in den Schatten. Dafür sorgt die Garage auf dem Nachbargrundstück. Doch in diesem Garteneck wächst bislang nur das Moos im Rasen richtig gut. Eigentlich schade, denke ich und mache mich auf die Suche nach Ideen, wie man auch dieses Plätzchen schön begrünen könnte. „Das ist so ein Klassiker“, sagt Andreas Huben von der gleichnamigen Baumschule in Ladenburg. Ich scheine also nicht die einzige zu sein, die sich da schwertut. Der Fachmann erklärt mir, dass Schatten nicht unbedingt gleich Schatten ist. {element} Nur wo im Tagesverlauf wirklich kaum ein Sonnenstrahl hinfällt, spricht man von Vollschatten. {furtherread} Dagegen definiert sich der Bereich etwa unter einer Weide oder einer Birke als lichter Schatten. Denn sonnige und schattige Phasen wechseln sich dort ständig ab. Und an Stellen, wo grob bis zu vier Stunden die Sonne hinkommt, dann aber Schatten herrscht, spricht man von Halbschatten. Letzteres ist tatsächlich bei mir der Fall. „Für ordentlich Grün an so einer hausabgewandten Seite könnte beispielsweise der Portugiesische Lorbeer sorgen“, schlägt mir Andreas Huben vor. Die dunkelgrünen Blätter mit den rötlichen Stielen behält der recht pflegeleichte Strauch nämlich das ganze Jahr. Seine weißen Blüten bieten im Juni Nahrung für Insekten und duften nach Honig. Über die purpur bis schwarz glänzenden Beeren freuen sich später im Jahr die Vögel. „Für besonderes Flair im Halbschatten sorgt aber auch die Samthortensie“, meint der Gärtner. Die schirmartigen Blütenstände des Kleinstrauchs sind zwar nicht ganz so prächtig wie die Blütenbälle der Bauernhortensie. Dennoch sind sie sehr hübsch anzusehen. Die ursprünglich aus chinesischen Wäldern stammende Samthortensie schätzt feuchte Luft und kann Trockenheit gar nicht leiden. Besonders an heißen Tagen dürfen Pflanzenfreunde daher das Gießen nicht vergessen. Farbkleckse zaubern natürlich auch Stauden in den Halbschatten. Andreas Huben empfiehlt beispielsweise Anemonen, einige Astern-Arten und Heuchera. Letztere bestechen mit ihren kleinen Blütenglöckchen und ihren auffälligen Blättern, die je nach Sorte grün, silbrig, gelb-orange, violett, dunkelrot oder bronze leuchten. Als besondere Schönheiten und inzwischen als Klassiker im Schattenbeet gelten zudem die Funkien – auch Hosta genannt. Sie bestechen vor allem durch ihre herzförmigen Blätter, die oft mehrfarbig sind. Auf Ernte-Freuden muss im Halbschatten ebenfalls nicht verzichtet werden, erklärt mir Andreas Huben. Johannes- und Stachelbeeren als ursprüngliche Waldbewohner wachsen da gut – genauso wie Himbeeren und Brombeeren. „Tatsächlich essbar sind auch die Früchte der Felsenbirne“, erklärt der Experte. Deren Aussehen erinnert allerdings mehr an Heidelbeeren als an Birnen. Die Früchte werden Ende Juni/Anfang Juli reif und können zu Marmelade, Saft oder Likör verarbeitet werden. Je nach Züchtung lassen sich die verschiedenen Sorten der Felsenbirne als Strauch oder als Hausbaum in den Garten pflanzen. Im Hochstamm-Format würde dann auch mein Liegestuhl prima darunter passen. Nicht nur im Sommer wäre die Ecke neben der Garage des Nachbarn dann ein schöner Ort zum Entspannen. Unter dem farbigen Laub der Felsenbirne ließe es sich dort auch im Herbst ganz gut aushalten.

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