Region Schwetzingen. Im Grunde geht es bei Drohnen um eine einzige Frage. Macht es einen Unterschied, einen Menschen sozusagen von Angesicht zu Angesicht zu töten oder ihn per Joystick und Satellitenfunksteuerung zu töten? Anders formuliert, ändert es etwas am Töten des Gegners, wenn man selbst nicht mehr in Erscheinung tritt und sich damit auch nicht mehr in Gefahr begibt?
Das Bestreben zu kämpfen, ohne die eigenen Truppen in Gefahr zu bringen, ist so alt wie der Krieg selbst. Von Steinschleuder sowie Pfeil und Bogen über Katapult, Gewehr und Kanone bis zu Raketen und Bombenabwürfen aus Flugzeugen wurde stets versucht, einen längeren Arm als der Gegner zu haben. Doch all diese „Fortschritte“ sind etwas völlig anderes als das System Drohne. Bis zu 48 Stunden können die unbemannten und ferngesteuerten oder gar autonom fliegenden Flugzeuge in der Luft bleiben, über Zehntausende Kilometer hinweg den Feind lokalisieren und eliminieren.
Krieg der Maschinen: Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln
Diese Art zu kämpfen bedeutet das Ende des Krieges im Sinne von Carl von Clausewitz. Dieser definierte den Krieg 1832 in seinem Werk „Vom Kriege“ als „erweiterter Zweikampf“, der Regeln und Symmetrien unterliege. Das Töten erscheint geregelt und deshalb ist auch die Rückkehr zur gewaltlosen Auseinandersetzung stets im Bereich des Möglichen. Nur so macht Clausewitz’ berühmte Formulierung Sinn, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
Die Drohnen und ihr bisher praktizierter Einsatz verwandeln nun diesen eingegrenzten Krieg in ein regel- und grenzenloses Schlachtfeld voller Asymmetrien. Kein Duell von Staaten, sondern Mord und Terror. Die Drohne verändert die Sicht auf den Gegner mit der Zeit grundlegend. Dem gegnerischen Soldaten wurde bisher stets eine gewisse Gleichartigkeit unterstellt. Der Feind ist ein Gegner und kein ehrloser Verbrecher. Die Drohne ist nun gerade dabei, diese Sicht nachhaltig zu verändern. Wird der Gegner hier doch tatsächlich zum Verbrecher. Ein Vergleich, der übrigens nicht ganz stimmt. Werden dem Verbrecher in Rechtsstaaten doch grundlegende Rechte zugestanden.
Im Drohnenkrieg werden alle diese Rechte nun beschnitten. Der Betroffene kann sich nicht verteidigen und die Einsatzverantwortlichen sind zugleich Ermittler, Ankläger, Richter und Vollstrecker. Eine Macht, die in Demokratien aus gutem Grund niemanden zusteht. Die Drohne erscheint hier als Schritt auf die schiefe Ebene. Demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze werden ausgehöhlt und eine ängstliche, populistische Willkürherrschaft tritt an deren Stelle.
Krieg der Maschinen: Denken und Handeln der Akteure
Und insofern erscheint der Satz des früheren Verteidigungsministers Thomas de Maiziere, ethisch sei eine Waffe stets als neutral zu betrachten, mindestens zweifelhaft. Viel eher scheint der Satz des legendären kanadischen Medienwissenschaftlers Herbert Marshall McLuhan zu gelten, das Medium ist die Nachricht. Die Drohne wäre dann eine Waffe, die das Denken und Handeln der Akteure verändert und zunehmend einengt. Gib einem Menschen einen Hammer in die Hand und er erkennt nur noch Nägel. Gib ihm eine Drohne und er entdeckt zunehmend Verbrecher, die ihn bedrohen, seien sie auch Tausende von Kilometern weit weg.
Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass bisher noch jede Waffenerfindung irgendwann kopiert wurde und zum Erfinder zurückgekehrt ist. Wenn der Westen Drohnen über Pakistan, dem Irak oder Afghanistan fliegen lässt, wer will ihnen verhehlen, wenn diese Länder das gleiche irgendwann bei uns tun.
Schon jetzt fatal scheint die Wirkung auf Menschen zu sein, die den Einsatz der Drohne tagtäglich erleben. Der frühere Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, wahrlich mehr Falke denn Taube, erklärte, dass der Einsatz der Drohne den Hass gegen Amerika schüre. Drohnen schaffen offensichtlich mehr Terroristen als sie beseitigen, so Rumsfeld. Eine Berechnung des britischen „Bureau of Investigative Journalism“ schätzt die zivilen Opferzahlen bei Drohneneinsätze in den Jahren 2004 bis 2014 allein in Pakistan auf 410 bis 890. Das heißt, so eine Studie der Stanford-Universität „Living under Drones“, dass im schlimmsten Fall nur zwei Prozent der Drohnenopfer tatsächlich militärische Anführer und damit laut offizieller US-Politik auch legitime Ziele gewesen seien. In den Augen des Pentagon-Beraters David Kilcullen, im Rahmen einer Senatsanhörung, eine Trefferquote, die den Einsatz von Drohnen in Gänze delegitimiert. Über eine Beschränkung dieser alle Grenzen verschiebende Waffe sollte also dringend nachgedacht werden. Ähnlich wie bei Initiativen gegen Gaswaffen, Streumunition oder Antipersonenmienen.
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