Pro-Stimme »Demokratie und Journalismus halten das aus«
Ob jemand etwas verdient hat, gehört zu den ältesten Moralfragen der Menschheit. Ob eine Zeitung über den – kalkulierten und kess provozierten – medialen Erfolg eines Stadtrats berichten sollte, ist einfacher zu beantworten: mit Ja.
Journalismus, der das Selbstverständnis seiner Seriosität daraus zieht, sich für die Erwähnung der Schmuddelecken bunterer Blätter zu vornehm zu sein, fühlt sich moralisch überlegen – ein Grundproblem von uns Einordnenden und Kommentierenden. Individuelle Genervtheit über Ferrats frivole Dauer-Sottisen bleibt weiterhin erlaubt. Doch ein Journalismus des Weglassens unterschlägt, dass der Mann Teil eben dieser Stadtgesellschaft ist, gar ein von deren Bürgern demokratisch gewählter Vertreter ihres Parlaments.
Dass der erotisch überambitionierte Schalk dieses und dessen demokratische Verfahren selbst diskreditiere, dass er „ein Spinner“ sei, darf man privat finden. Sein Treiben, seine kuriosen Anträge und provokanten Eingaben im Journalismus mit bürgerlichen Empörungsreflexen auszublenden, ist für die Zeitung vor Ort der falsche Weg.
Beim Namen Ferrat fällt in allen Medien das Wort Mannheim mit. Und Humor braucht es oft auch bei seriöser auftretenden Volksvertretern. Am prachtvollen Hofe von König Demokratie haben viel Narren Platz, auch die nackten.
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Langsam reicht’s. Jetzt lädt Julien Ferrat den „MM“ auch noch zum Nackt-Dreh für ProSieben ein und meint, dass wir ihm ja noch einen Abschlussbericht schulden. Unsinn.
Es stimmt natürlich, dass er mit seiner „Bildungsfahrt“ medial für Furore gesorgt hat. Wir haben ja auch berichtet – aber in Maßen. Dennoch: Wenn Mannheims OB Christian Specht jetzt bei Ferrat ein Skript für einen Imagewerbefilm bestellen würde – man könnte da ja einen kleinen Porno mit Aufnahmen am Wasserturm drehen –, hätten wir eine neue Sachlage.
Apropos mediale Aufmerksamkeit: Wir kommentieren auch nicht jeden Post von Markus Söder, nur weil er es damit vor zwei Wochen auf den Titel des „Spiegel“ geschafft hat. Der eine hat uns schon den Appetit verdorben, als Söder mit dreckigen Fingernägeln und irrem Blick in einen fettigen Hamburger gebissen hat. Dass ein Lokalpolitiker wie Ferrat gerne in den Swingerclub geht, treibt uns übrigens nicht die Schamesröte ins Gesicht – es juckt uns halt nicht.
Immerhin: Seitdem Ferrat Cap d‘Agde ins Spiel gebracht hat, wissen wir wenigstens, warum es dort während unseres Urlaubs mit den Kindern vor 25 Jahren einen abgesperrten Bereich gab. Ferrats Forderung, dass die Stadt Mannheim mit einem Swinger-Paradies die leeren Kassen ein wenig füllen soll, ist aber einfach nur grotesk.