Inklusion

Barrierefreiheit in Brühl: Für eine echte Teilhabe am Alltag

In Brühl sind die Bäder bereits barrierefrei zugänglich. Der Behindertenbeauftragte Rudi Bamberger lobt zwar das Engagement der Gemeinde, zeigt aber auch Lücken der Barrierefreiheit auf.

Von 
Ralf Strauch
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Ein Positivbeispiel der Barrierefreiheit: Behindertenbeauftragter Rudi Bamberger (Mitte) und Bäderchef Patrick Berndt (2. v. r.) fachsimpeln zu Beginn der Freibadsaison im vergangenen Jahr im Beisein (v. l.) von Schwimmmeister Marc Herbel und den Rat-hausmitarbeitern Kai Rill und Dirk Faulhaber sowie Bürgermeister Dr. Ralf Göck über den neuen Poollift. © strauch

Brühl. In Sachen Teilhabe am öffentlichen Leben scheint in Brühl für Menschen mit Behinderung schon viel erreicht zu sein. Als Beispiel kann man da die Bäder nennen – sowohl Frei- als auch Hallenbad sind barrierefrei erreichbar, in beiden Freizeiteinrichtungen steht am Beckenrand ein Poollift zur Verfügung, mit dem Rollstuhlfahrer teilweise sogar komplett ohne Hilfe einer zweiten Person zum Schwimmen ins Wasser gelangen können.

Klingt prima. Allerdings haben Rollstuhlfahrer zwischen Eingang zum Hallenbad und dem Beckenrand noch immer eine Hürde zu überwinden: die Umkleidekabinen. Die regulären sind einfach zu klein und eine spezielle für ihre Bedürfnisse lässt noch auf sich warten. Und so ist Teilhabe noch nicht ganz so gut möglich, wie es sein könnte. Doch, so betont der kommunale Behindertenbeauftragte Rudi Bamberger im Gespräch mit unserer Zeitung, man ist in Brühl auf einem guten Weg.

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„In unserer stetig diverser werdenden Gesellschaft ist es unerlässlich, dass der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen für alle Bürger, ungeachtet ihrer individuellen Bedürfnisse, gewährleistet ist“, erklärt Bamberger, der selbst Rollstuhlfahrer ist und deshalb viele Mankos aus dem eigenen Erleben kennt, an die Menschen ohne Behinderung wahrscheinlich gar nicht denken.

Barrierefreiheit ist mehr als nur Rampen

Inklusion funktioniert nicht ohne durchgängige Barrierefreiheit. „Denn wo Orte, Räume oder Kommunikationsmittel nicht barrierefrei sind, bleibt Teilhabe am kulturellen und politischen Leben, an der Arbeitswelt und in der Freizeit verwehrt“, heißt es seitens der Aktion Mensch. Die Meisten verstehen unter Barrierefreiheit Rampen statt Treppen, breite Türen und absenkbare Busse. Doch bauliche Veränderungen und speziell ausgerüstete Fahrzeuge reichten nicht aus, um den Alltag barrierefrei zu gestalten, so die Sozialorganisation weiter. Barrierefreiheit heiße, dass Gebäude und öffentliche Plätze, Arbeitsstätten und Wohnungen, Verkehrsmittel und Gebrauchsgegenstände, Dienstleistungen und Freizeitangebote so gestaltet würden, dass sie für alle ohne fremde Hilfe zugänglich seien.

Wo Orte, Räume oder Kommunikationsmittel nicht barrierefrei sind, bleibt Teilhabe am kulturellen und politischen Leben, an der Arbeitswelt und in der Freizeit verwehrt
Rudi Bamberger

Konkret bedeute Barrierefreiheit also auch, dass Formulare nicht in komplizierter Amtssprache, sondern auch in Leichter Sprache vorhanden sind, und dass auch gehörlose Menschen einen Vortrag verfolgen können – zum Beispiel mit Hilfe eines Gebärdensprachdolmetschers. Außerdem müsse bei der Definition die digitale Barrierefreiheit mitgedacht werden. Das bedeute, Internetseiten müssten so gestaltet sein, dass jeder sie nutzen kann. Dazu gehört aus Sicht der Aktion Mensch zum Beispiel das Hinterlegen von Bildbeschreibungen für blinde Menschen und die Möglichkeit, Videos in barrierefreien Formaten abzuspielen.

Inklusion als Menschenrecht und gesellschaftliche Verpflichtung

Eine ungehinderte Teilhabe am Alltagsleben spiegele nicht nur die internationalen Menschenrechtsstandards wider, sondern sei auch ein zentraler Gedanke der UN-Behindertenrechtskonvention, die im Dezember 2006 beschlossen wurde, ergänzt Bamberger. Die Konvention betone die Inklusion als Menschenrecht, das die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an sämtlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sicherstellen solle. „Dabei steht die Barrierefreiheit im Fokus, und zwar nicht nur in Gebäuden, sondern auch im öffentlichen Raum, bei Veranstaltungen, im öffentlichen Verkehr, auf Webseiten und in der sprachlichen Kommunikation“, zeigt der Behindertenbeauftragte die Reichweite dieser Vorgabe auf.

„Im Zuge dieser Bestrebungen fordern wir eine selbstverständliche und unkomplizierte Umsetzung von barrierefreien Maßnahmen in öffentlichen Einrichtungen“, hebt er hervor. Der Zugang zu Hilfsmitteln sollte ohne bürokratische Hürden gewährleistet sein, damit wirklich alle Menschen die Möglichkeit hätten, aktiv am täglichen Leben teilzunehmen.

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Und dann zieht er einen interessanten Vergleich: Defibrillatoren. Das ist ein Gerät zur Behandlung von plötzlich auftretenden Herzrhythmusstörungen. Es verbessert auch für Ersthelfer die Chancen einer erfolgreichen Herz-Lungen-Wiederbelebung. „Obwohl Defibrillatoren selten in Anspruch genommen werden, erfüllen sie also eine lebensrettende Funktion“, erklärt Bamberger und lobt, dass es inzwischen in vielen Orten des öffentlichen Raumes möglich sei, auf solche Geräte zuzugreifen. „Barrierefreiheit sollte ähnlich betrachtet werden – als essenzielle Voraussetzung, die im Falle unvorhergesehener Ereignisse das Wohlbefinden und die Lebensqualität jedes Einzelnen sicherstellt.“

Respekt und Solidarität

Die Einführung barrierefreier Einrichtungen gehe aus seiner Sicht über die bloße Einhaltung von Gesetzen hinaus; es handele sich um eine moralische Verpflichtung, unterstreicht Bamberger. „Es ist an der Zeit, dass wir uns kollektiv dafür einsetzen, dass unsere öffentlichen Einrichtungen für jeden Bürger zugänglich und nutzbar sind“, fordert der Behindertenbeauftragte. Nur so könne man eine inklusive Gesellschaft schaffen, in der Vielfalt als Bereicherung betrachtet werde.

Die Förderung der Barrierefreiheit sei nicht nur ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung, sondern auch ein Ausdruck von Respekt und Solidarität gegenüber den Mitbürgern, hebt Bamberger abschließend noch einmal hervor.

Redaktion

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