Ortshistorie

Brühler Luftschiffhallen erwachen aus langem Schlaf

Noch heute gibt es die Straße „An den Werften“ im Gewerbegebiet von Brühl mit den Überresten der Luftschiffhallen. Diese sollen nun dank eines neuen Investors saniert werden.

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Ralf Strauch
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Nach der Sanierung erstrahlen die alten Hallen von Schütte-Lanz wieder in alter Backsteineleganz – in acht Wochen soll die Sanierung abgeschlossen sein, damit Oldtimer der Automobilgeschichte dort einziehen können. © strauch

Brühl. Von den wenig übrig gebliebenen Relikten der historisch wichtigen Luftschiffwerft in Brühl sind diese drei 1909 errichteten Hallen die augenfälligsten. Sie sind mit den für Brühl typischen gelben Ziegelsteinen gebaut worden und messen insgesamt 50 auf 18 Meter. Das wuchtige Tonnendach erinnert mit seiner Holzkonstruktion an das Innengerüst der Luftschiffe von Schütte-Lanz.

Nur eines waren die Luftschiffhallen allerdings nie – Hallen für die Luftschiffe. Die waren nämlich weiter östlich in der Nähe der heutigen Fastfoodtempel untergebracht. Sie bestanden in Leichtbauweise aus Holz und Leinwand und übertrafen die erhaltenen backsteinernen Hallen in der Größe um ein Vielfaches. Dennoch sind die drei letzten Hallen auf dem einst gigantischen Areal der Werft sehr wichtige Zeugnisse der Industriegeschichte.

Von Eventlocation bis Kulturzentrum - es gab schon viele Ideen für die Luftschiffhallen

Bereits als der Investor Haus + Co das historische Industrieareal 2007 gekauft hat, trieb es dem Unternehmen Sorgenfalten auf die Stirn. Umso mehr, als die Halle 2009 als erhaltungswürdiges Denkmal eingestuft wurde. Während für das Gewerbegebiet drumherum 2014 der erste Spatenstich vorgenommen wurde, da lagen die sogenannten Luftschiffhallen noch im tiefen Dornröschenschlaf.

Immer wieder kamen Ideen der Nutzung auf – etwa als Eventlocation oder als Kulturzentrum mit Proberäumen. Doch so schnell wie die Gedanken aufkamen, wurden sie auch wieder verworfen. Meist scheiterte es an den Kosten für den Umbau. Wie hoch die ausfallen können, zeigte sich, als 2019 die marode Dachhülle von Haus + Co komplett erneuert wurde.

Das Kopfsteinpflaster über das einst Kaiser und Großherzog zur Taufe der jeweiligen Luftschiffe von Schütten-Lanz schritten, liegt zurzeit auf einem Haufen neben der alten Halle. © strauch

Die drei Hallen wurden zum kostspieligen Klotz am Bein. Im Januar wurde die Halle dann aber doch nach 16 Jahren an einen Mannheimer Investor verkauft, der ein Konzept dafür erarbeitet hatte. „Dieser scheint jetzt Renovierungsarbeiten durchzuführen – bitte haben Sie Verständnis, dass wir den Namen nicht weitergeben“, antwortete Haus + Co auf unsere Anfrage.

So nach und nach zeigt sich allerdings aktuell durch unsere Recherche, wie die Zukunft des alten Industriekomplexes nun tatsächlich aussehen könnte. Dabei spielen Oldtimer des Straßenverkehrs wohl eine wichtige Rolle, hieß es. Und nach einigen Telefonaten kristallisierte sich der Name des neuen Eigentümers heraus: Es ist der Mannheimer Investor Egon Scheuermann.

Mannheimer Investor Egon Scheuermann unterstützt Blumepeterfest und viele Vereine

Wer aber ist Scheuermann? Nach der Tätigkeit für eine Mannheimer Baufirma, bei der er zum kaufmännischen Leiter aufstieg, wagte er Anfang der 1980er Jahre den Weg in die Selbstständigkeit und übernahm als Geschäftsführer das Ingenieurbüro Boxheimer und Partner, das später in Boxheimer und Scheuermann umfirmierte.

Er realisierte viele bedeutende Wohn- und Gewerbebauten in der Region. Als Projektentwickler bewies er oft das richtige Gespür für Markttrends. An seinem Erfolg ließ er aber immer gerne andere teilhaben. Das Blumepeterfest und viele Vereine unterstützt er oft und gerne, was ihm auch zahlreiche Auszeichnungen einbrachte.

Die Mitarbeiter von Schütte-Lanz posieren stolz vor dem SL-Luftschiff, dessen große Leichtbauhalle etwa beim heutigen McDonald’s war. © vhbp

Als er die Hallen Anfang des Jahres von Haus + Co nach langem Leerstand gekauft habe, seien sie in erbärmlichen Zustand gewesen, berichtet Scheuermann im Gespräch mit unserer Zeitung. Grafitti hätten die Wände verunstaltet, Fenster seien eingeschlagen gewesen, Sicherungen eingetreten. „Doch mir ist es wichtig, das alles an ursprünglich wegweisender Industriekultur möglichst der Nachwelt zu erhalten“, betont der Mannheimer Unternehmer. Der 80-jährige Projektentwickler wurde auf die historische Halle im vergangenen Jahr aufmerksam und schloss im Januar den Kaufvertrag mit Haus + Co.

Nun sind also die sogenannten Luftschiffhalle sein neues Projekt. „Es war – wie gesagt – ein schlimmer Zustand, wie die Hallen vor unserer Übernahme ausgesehen haben – das hat wirklich geschmerzt“, hebt er hervor. Es sei ihm deshalb wichtig, dieses alte Kulturgut aus der Zeit der Luftschiffgeschichte zu erhalten und es so wieder herzustellen, wie es einmal war, sagt er auf Nachfrage unserer Zeitung. So wurde die Fassade aus dem für Brühl typischen gelben Backstein in den vergangenen Tagen mittels Sandstrahlern von mehreren Schichten Farben befreit. Nach und nach sollen auch die nicht historischen Vergitterrungen der Fenster ersetzt werden und der Boden im Innern der Halle wieder auf den alten Stand zurückgebaut werden.

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All diese Arbeiten sollen in nur acht Wochen abgeschlossen sein, ist Scheuerman überzeugt – das klingt sportlich. Er verweist dazu aber auf seine langjährige Erfahrung als erfolgreicher Projektsanierer der Region. „Der Zeitrahmen bis August kann meines Erachtens gehalten werden“, bekräftigt er auf unsere Nachfrage.

Und wie soll der Gebäudekomplex künftig genutzt werden? Es soll eine Unterbringungsmöglichkeit für private Oldtimer werden, lässt Scheuermann im Gespräch durchblitzen, ohne dann doch genauere Informationen zu geben.

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Ein Museum mit festen Öffnungzeiten wird ziemlich sicher ausgeschlossen

Teilweise spricht er von einem museumsähnlichen Komplex, doch wie das ganze Konzept aussehen wird und ob die Öffentlichkeit tatsächlich Zugang zu den dann restaurierten und ganz neu bestückten Hallen erhalten wird, stehe derzeit noch in den Sternen, betont er im Gespräch mit Nachdruck. Ein typisches Museum mit festen Öffnungszeiten sei jedoch aus seiner Sicht ziemlich sicher ausgeschlossen. „Aber auch das ist noch unklar“, räumt der Investor ein.

Wichtig für die Ortsgeschichte ist und bleibt allerdings, dass die historischen Hallen in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten bleiben und auch die Nachwelt ein Stück Brühler Luftfahrtgeschichte vor Ort erleben kann – kleinere Exponate werden ja bereits im Museum des Vereins für Heimat- und Brauchtumspflege in der Kirchenstraße gezeigt.

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Nach Gründung der „Luftschiffbau Schütte-Lanz OHG” 1909 wurde in den folgenden zwei Jahren deren erstes Luftschiff mit einer Länge von 131 Metern und einem Durchmesser von 18,4 Metern entworfen und gebaut. Bei diesem Luftschiff aus Brühler Produktion ist das gesamte tragende Gerüst – wie das Dach der Hallen – aus Sperrholz ausgeführt. Dies dürfte die erste ingenieurmäßige Anwendung von Sperrholz überhaupt gewesen sein. Das verleimte Holzgerüst bewies bei den Luftschiffen auf 56 Probefahrten eine hohe Festigkeit und Elastizität. Die war ein erheblicher Unterschied zu den Luftschiffen des Grafen von Zeppelin, der bereits seit 1900 mit Aluminium-Konstruktionen experimentierte.

Brühler Luftschiffhallen sind ein wichtiger Teil der Industriegeschichte

Insgesamt verlief der Bau der Werkshallen, Büros und Unterkünfte sowie des Prototyps des SL I in der Hufeisengemeinde der Überlieferung zufolge jedoch unerwartet schwierig und langwierig, sodass weitere Investoren gewonnen werden mussten: Julia Lanz und August Röchling (Völkinger Hütte) steuerten weiteres Geld bei, sodass bis Ende 1911 rund 1,7 Millionen Mark in den Bau des Luftschiffs „SL I“ flossen.

Die MG-Schießstände am Eingang erinnern an die kriegerische Geschichte von Schütten-Lanz, als die Hallen im Ersten Weltkrieg gegen den Feind verteidigt werden sollten. © strauch

Zum ersten Mal stieg es 1911 über seiner Werft im Brühler Norden auf. Die „Fliegende Zigarre“ übte eine große Faszination auf die Öffentlichkeit aus – davon existieren viele Postkarten auch im Brühler Heimatmuseum.

Entsprechend der Versailler Verträge mussten die Luftschiffe allerdings nach dem Ersten Weltkrieg zerstört werden. Alle speziellen Anlagen zu deren Herstellung – auch in Brühl – mussten bis 1922 abgebrochen werden. Die Hallen blieben allerdings unversehrt und wurden noch über Jahrzehnte für die Holzverarbeitung von Schütte-Lanz und Finnforest genutzt. Die jüngeren Hallen im Süden des historischen Backsteinensembles von 1909 werden seit Jahren als Geschäfts- und Lagerräume genutzt.

Redaktion

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