Brühl. Mit der Lesung aus dem Roman „Die Erfindung der Wirklichkeit“ nahm Helmut Orpel die Zuhörer mit auf eine Reise in die Welt der Kunst, der Kunstfälscher und kriminellen Machenschaften sowie in Geschehnisse rund um den fiktiven Direktor des städtischen Museums Worms, Oliver Treschko. Büchereileiter Christian Sauer begrüßte mit Orpel einen in der Region bekannten Kunsthistoriker, Journalisten und Schriftsteller, dem es in seinen Romanen gelingt, kunstgeschichtliche Recherche mit kriminalistischer Spannung zu verbinden.
Den meisten im Publikum dürfte die Figur des Museumsdirektors Treschko bekannt gewesen sein, denn nach „Tintorettos Geheimnis“ aus dem Jahr 2015, „Der König von Burgund“ von 2017, „Der Totentanz von Beram“ von 2020 ist „Die Erfindung der Wirklichkeit“, erschienen 2022 im Worms Verlag, der vierte Roman dieser Reihe.
Blick über die einstige Mauer
„Wichtig in diesen Kunstkrimis sind natürlich die Kunstwerke“, führte Orpel in die Lesung ein, „außerdem stelle ich das Kunstverständnis der DDR-Diktatur dem der Bundesrepublik gegenüber und arbeite ein dunkles Kapitel der DDR-Vergangenheit auf“, sagte er im Hinblick auf den kommenden Feiertag, dem Tag der Deutschen Einheit.
Als promovierter Kunsthistoriker und Redakteur, der lange für das Fachmagazin „Kunsthandel“ auf europäischen Kunstmessen unterwegs war, kennt er sich in diesem Metier bestens aus. Entsprechend fließt in die Romane Insiderwissen ein, er bietet Einblicke in die unsauberen Machenschaften des Kunsthandels.
Zur Handlung des Roman wollte er nicht viel erzählen, sondern einfach den Text sprechen lassen, wie er einleitend betonte. Mit der Passagenauswahl, die er traf, präsentierte er Texte, die aus dem Alltag gegriffen schienen. „Die Geschehnisse im Roman weisen auf eine Wirklichkeit hin, die es so eigentlich gar nicht gibt“, erklärte Orpel den Titel des Romans. Kunst ist unabdingbar mit dem Narrativ der Wirklichkeit verbunden, hat viel mit dem Wirtschafts-, dem gesellschaftlichen und dem politischen Leben zu tun.
Fiktiv sind natürlich die Geschichten der Menschen und der handelnden Personen, die darin vorkommen, meinte der Autor. Damit weckte er die Neugier der Zuhörer, ohne jedoch zu viel zu verraten. Um die komplexen Stränge und die verschiedenen Ebenen der Handlung zu verstehen, sollten sie dann schon das Buch selbst lesen. Orpel begann in der Mitte des Buches, wo bekannte Figuren aus den früheren Büchern auf den Plan traten wie die Berliner Fernsehjournalistin Katja Kronberg, die den Machenschaften des Kunsthandels auf die Spur kommen will. Deshalb reiste sie nach Worms, wo sie Oliver Treschko trifft. Im Gespräch geht es um den vermutlich bestochenen Gutachter, der gefälschte Kunstwerke als echt beglaubigt sowie um Kunsthändler, die solche Gemälde zur Versteigerung freigeben und auf diese Weise die Geldwäsche unterstützen.
Auch in Nebenschauplätzen erhielten die Zuhörer allmählich Einblicke und in Gesetze, die den Kunstmarkt bestimmen. Obwohl auch im vierten Band der Reihe ein Mord geschieht, ist er kein wirklicher Krimi, dafür hat er viel mit Kunst zu tun und ihre Rolle in der Gesellschaft. So stellt der Autor eine freie Gesellschaft wie die Bundesrepublik einer gegenüber, die den Zwängen der Diktatur unterliegt wie in der DDR.
Lange Zeit der Recherche
Wie lange er am Roman geschrieben habe, wollte der Büchereileiter Sauer am Ende der Lesung wissen. „Begonnen habe ich in der Corona-Zeit. Die Recherchen und Sichtung des Materials haben viel Zeit in Anspruch genommen“, erzählte der Autor, „von der Idee bis zur Veröffentlichung sind zwei Jahre vergangen.“
Woher er so gut über die Kunstszene in der DDR Bescheid wisse, wollte eine weitere Zuhörerin wissen. „Ich habe ja den Mauerfall selbst erlebt und alles, was mit der DDR zu tun hatte, hat mich immer schon interessiert“, sagte Orpel. Eine authentische Quelle war für ihn insbesondere die Galerie Döbele in Mannheim, die Werke von Künstlern aus der ehemaligen DDR ausstellte, als es den Staat noch gab. So war es möglich, auch vor 1989 schon einiges über das Kunstgeschehen von dort zu erfahren.
Info: „Die Erfindung der Wirklichkeit“ von Helmut Orpel, Worms-Verlag 2022, 240 Seiten, 24,90 Euro.
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