Brühl. Das Mannheimer Unternehmen Südkabel feiert seinen 125. Geburtstag. Aus diesem Anlass führte unsere Zeitung ein Interview mit Hans Stang, einem ehemaligen Mitarbeiter, der seit 1955 in dem Werk gearbeitet hatte. Eine Leserin aus Brühl, Bruna Hornug, erkannte den früheren Südkabel-Mitarbeiter wieder, denn auch sie absolvierte bei diesem Unternehmen ihre Ausbildung zur Elektroassistentin. „Herr Stang lief da immer rum und man hat sich gegrüßt“ – genauso wie noch andere Personen auf dem bei uns veröffentlichten Gruppenfoto von 1961. Im Gespräch mit unserer Zeitung erinnert die Brühlerin sich an die damalige Zeit.
Im Jahr 1962 habe sie ihre Ausbildung zur Elektroassistentin bei Südkabel und an der staatlichen Ingenieurschule Mannheim, aus der die heutige Hochschule hervorging, gemeinsam mit einer Schulfreundin begonnen. Sie zählte damals nach eigenen Angaben zu einer der ersten Frauengruppen, die diese Ausbildung in der Männerdomäne durchliefen.
Der Wegbereiter Oskar Meixner und die praxisorientierte Berufsausbildung für eine Brühlerin
Auf den Weg gebracht habe die Ausbildung mit Firmenunterstützung der damalige Leiter der Ingenieurschule, der gebürtige Brühler Professor Oskar Meixner, der als Pionier in Sachen praxisorientierter Berufsausbildung gilt.
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Der Wegbereiter dieser modernen Ausbildungsform, dessen Familie Namensgeber der Villa Meixner in Brühl ist, studierte einst selbst Maschinenbau an der damaligen Ingenieurschule, ehe er zunächst als Dozent und ab 1955 als Direktor, später als Rektor der Einrichtung tätig war.
Unter seiner Leitung entwickelte die Ingenieurschule sich zur Fachhochschule mit eigenem Campus unter Obhut des Landes Baden-Württemberg.
Eine Zeitzeugin aus Brühl berichtet: Einblick in den Arbeitsalltag im Hochspannungslabor
Sein Engagement für die Fortentwicklung der Hochschullandschaft und insbesondere im Bereich der Ingenieurausbildung würdigte die Universität Mannheim 1984 mit seiner Ernennung zum Ehrensenator. Im Jahr darauf verabschiedete sich Meixner in den Ruhestand.
In der Männerdomäne Elektrotechnik galt die 20-köpfige Frauengruppe an der Ingenieurschule damals als exotisch. Dennoch sei Hornug stets sehr gut mit den männlichen Kollegen ausgekommen: „Wir hatten null Probleme. Die waren alle total sachlich.“
Einzig über die Degradierung seitens der Ingenieurschule habe sie sich geärgert: „Es gab einen Studentenausweis und auf unserem, dem für Frauen, war das Wort Student durchgestrichen. Dort stand stattdessen Elektro-Assistentinnen Schüler – und auch der Zusatz, dass der Inhaber dieses Ausweises ordentlicher Studierender der Ingenieurschule sei, war bei uns Frauen komplett geschwärzt.“
Man darf nicht vergessen: Das Bürgerliche Gesetzbuch schrieb bis 1977 vor, dass eine Frau die Erlaubnis von Ehemann oder Vater brauchte, wenn sie arbeiten gehen wollte. Auch wenn der Frau erlaubt wurde zu arbeiten, verwaltete der Mann dennoch ihren Lohn. Das änderte sich erst schrittweise. Ohne Zustimmung eines Mannes durften Frauen kein eigenes Bankkonto eröffnen, noch bis Hornugs Ausbildungsjahr 1962. Erst nach 1969 wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen.
Kollegialität und Unterstützung: Eine außergewöhnliche Erfahrung für eine Frau in der Männerdomäne
Den praktischen Teil des dreisemestrigen Lehrgangs absolvierte sie bei Südkabel in Neckarau. In den Bereichen Hochspannungslabor und Starkstrom gab es „natürlich Dinge, an die wir uns gewöhnen mussten“, dennoch seien „sie eigentlich gut aufgenommen worden“.
Im sogenannten Prüffeld, einer Art Qualitätskontrolle, seien damals zwar viele Frauen beschäftigt gewesen, im Hochspannungslabor jedoch war die Leserin eine Ausnahmeerscheinung. Anfeindungen oder abfällige Sprüche habe sie sich jedoch nie anhören müssen, im Gegenteil: Sie schwärmt von der damaligen Zeit. „Dort hatte ich immer große Unterstützung, konnte immer Fragen stellen. Das war wunderbar.“
Die Kollegialität mit den beiden jungen Frauen ging sogar so weit, dass das Essen untereinander geteilt wurde. „Die meisten Kollegen kamen aus der Pfalz und haben uns zum Frühstück mit der mitgebrachten Wurst regelrecht gemästet“, witzelt Hornug. In anderen Betrieben gestaltete sich das Dasein als Frau in einer von Männern geprägten Arbeitsumgebung gänzlich anders, wie sie von ehemaligen Klassenkameradinnen erfahren hatte: „Mit Anfeindungen musste man als Frau damals rechnen. Bei uns hat es aber nie gravierenden Ärger gegeben. Das war schon außergewöhnlich. Ich habe mich dort wohlgefühlt.“
Ausbildung in einer Männerdomäne: Brühlerin lernte bei der Arbeit in Mannheim ihren Mann kennen
Gegipfelt ist ihr Wohlbefinden, als sie ihren Mann bei Südkabel kennenlernte. „Das war ganz lustig“, blickt sie zurück. Am geschlossenen Bahnübergang auf dem Heimweg habe er sie damals spontan zum Mitfahren eingeladen, die beiden hätten einen Ausflug nach Heidelberg unternommen.
„Ich wollte eigentlich wie jeden Tag nach der Arbeit nur nach Hause fahren“, erinnert sich Hornug, die im Anschluss an ihre Ausbildung im Hochspannungsbereich beschäftigt war. Die Prüfung und Berechnung verschiedener Kabel und die Messung von Spannungen seien unter anderem ihre Aufgaben gewesen. Gerechnet hätten sie damals noch mit dem Rechenschieber. „Heute frage ich mich, wie ich das eigentlich alles gelöst habe.“
Nach rund einem Jahr der Festanstellung bei Südkabel schied sie 1965 freiwillig aus ihrem Beruf aus. Warum? Nun, der Abschied bei Südkabel erfolgte zeitgleich zu ihrer Hochzeit mit dem einstigen Arbeitskollegen bei dieser Firma.
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