Innenstadtbelebung

Soll die Karlsruher Straße in Hockenheim autofrei werden?

Die Belebung der Innenstadt durch eine attraktivere Karlsruher Straße wollen alle Fraktionen im Hockenheimer Gemeinderat erreichen. Soll sie gesperrt werden - permanent oder zeitweilig, ganz oder nur abschnittweise?

Von 
Matthias Mühleisen
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Wunschvorstellung: So belebt wie an einem verkaufsoffenen Sonntag (hier anlässlich des Frühlingsfestes 2022) könnte die Karlsruher Straße für viele Hockenheimer immer sein – nur wie? © Lenhardt

Hockenheim. Über das Thema Karlsruher Straße und Innenstadtberuhigung werde seit vielen Jahren diskutiert, bereits unter den Oberbürgermeistern Gustav Schrank und Dieter Gummer, erinnert FWV-Fraktionsvorsitzende Gabi Horn. Gewünscht und angedacht war eine Innenentwicklung mit dem und um das Areal „Zur Kanne“, anschließend daran der freie Platz zur Nutzung als Außenbereich eines Restaurants oder Cafés. „Aber leider konnten wir das in unserem Sinne nicht umsetzen, weil die Stadt bekanntlich kein Eigentum erwerben konnte.“ Es gab auch Arbeitskreise, Workshops und Gutachten - in keine andere Straße Hockenheims sei so viel Geld und Zeit investiert worden wie in diese.

Zu einer Entscheidung sei es nie gekommen, „weil die Interessen ganz unterschiedlicher Natur sind. Wie sie auseinandergehen, hat man am kürzlich in der Stadthalle abgehaltenen Workshop gesehen, der unter Beteiligung der IHK stattfand“, sagt Gabi Horn. Die einen, Anwohner und Café-Betreiber, wünschten sich eine Verkehrsberuhigung, die anderen, gerade die Einzelhändler, befürchteten eine Veränderung des Einkaufsverhaltens und damit einhergehende Umsatzrückgänge. Betroffen sei auch die Post, die mehrmals täglich Pakete zugestellt bekommt und auf den Zuliefererverkehr angewiesen ist. Die Bedeutung gerade der Postfiliale als wichtiger Frequenzbringer in dieser Straße, von der auch andere Geschäfte profitierten, sei nicht zu unterschätzen.

Innenstadt-Belebung

Beim Innenstadt-Forum von Stadtverwaltung und IHK haben sich im Oktober 2023 in der Stadthalle rund 80 Teilnehmer darüber ausgetauscht, wie die seit langem angestrebte Belebung der Innenstadt umgesetzt werden kann.

Die Befragung von Hockenheimern persönlich und online hatte ergeben, dass die Attraktivität der Innenstadt mit einer Durchschnittsnote von 3,5 bewertet wird. Die reine Onlinebewertung fiel mit 4,4 noch schlechter aus.

Fünf Schlüsselprojekte kristallisierten sich im Lauf des Anfang 2022 gestarteten Prozesses heraus: 1. Weiterentwicklung des Areals rund um die Zehntscheune. 2. Verkehrliche und gestalterische Veränderung der Karlsruher Straße, 3. Wochenmarkt, 4. Pop-up-Store-Initiative „Senkrechtstarter. 5. Stärkung des City-Managements zentralen Ansprechpartner. mm

Verkehrsberuhigung sei ein Aspekt, habe aber für Restaurant- und Café-Besitzer eine exzessivere Nutzung zur Folge und damit werde es für die Anwohner auch wieder lauter. „Fraglich ist, ob das gewünscht ist und hingenommen werden wird“, sagt die Fraktionsvorsitzende.

FWV: Gegen komplette Schließung der Karlsruher Straße für den Verkehr

Eine komplette Schließung halten die Freien Wähler für nicht geeignet, eventuell eine partielle, bei der nur der obere oder untere Bereich der Karlsruher Straße verkehrsberuhigt wird, und eine zeitlich begrenzte Schließung mittels versenkbarer Poller. „Hier müsste es auf jeden Fall zunächst eine Probephase geben“, findet die FWV und fordert: „Es bedarf hier einer Interessenabwägung und es sollten dabei keine Einwände unberücksichtigt bleiben.“

Vorstellen könne sich die FWV einfache Maßnahmen schon vor den Beratungen: strenge Überwachung des fließenden Verkehrs mittels Kontrolleinrichtungen, Aufstellung von Sitzgelegenheiten sowie Reinigung der Blumenkübel und Bepflanzung mit hochwertigen Grünpflanzen, die gegen Diebstahl gesichert sind.

Kommentar Parkplätze sind nicht alles

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Matthias Mühleisen
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Beim Dauerthema muss sich endlich etwas bewegen, teilen die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Bärbel Hesping und der CDU-Vorsitzende Patrick Stypa in ihrer gemeinsamen Stellungnahme mit. Die Straße wieder zu einer florierenden Einkaufsstraße zu machen, sei aufgrund gravierender Veränderungen im Einzelhandel durch das Internet unrealistisch. „Deswegen wollen wir mit konkreten Maßnahmen die Straße so gestalten, dass sich Menschen dort gerne aufhalten - sei es, um etwas zu trinken oder zu essen, um Einkäufe zu erledigen oder, um sich dort einfach aufzuhalten, weil die Straße verschiedene Attraktionen anbietet.“

CDU: zeitweise Sperrung beantragt

Die Christdemokraten hätten bereits beantragt, die Straße zwischen der Fortunakreuzung und der Metzgerei Hauser zeitweise - beispielsweise am Samstagabend und sonntags - mit ausfahrbaren Pollern für den motorisierten Verkehr zu sperren, damit sich beispielsweise Gastronomie ausbreiten kann. „Damit sind wir flexibel und können auf die Wünsche der Bevölkerung und des Gewerbes reagieren.“

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Allgemein gebe es wenig Bänke und Schattenplätze, sodass mehr Bänke im Schatten angeboten werden sollten. Mit dem gemeinsam mit der FDP-Fraktion eingebrachten Antrag eines „Walk of Fame“, einer Art Ehrenpfad, und den Fotoleinwänden will die Union Gründe schaffen, in die Straße zu kommen. Erste Maßnahmen sollten zeitnah und bedacht umgesetzt und nicht auf ein „ganzheitliches Konzept“ gewartet werden: „Diese Warterei bremst bisher jeglichen Fortschritt aus. Unsere Vorschläge sind sichtbare Veränderungen, die auch aus finanzieller Sicht sofort umgesetzt werden können und einem späteren Konzept nicht im Wege stehen.“

Die CDU begrüße es, wenn der Zehntscheunenplatz nicht nur ein reiner Parkplatz ist und aufgewertet wird - der zweiwöchentliche Abendmarkt sei ein guter Anfang.

Für die SPD Hockenheim ist die Aufwertung der Karlsruher Straße ein nächster Schritt nach Hochwasserschutz- und Ökologieprojekt und Zehntscheunenplatz für eine attraktivere Stadtmitte im Herzen Hockenheims, sagt Vorsitzender Jakob Breunig. „Hierzu gehört für uns definitiv eine Anpassung des fahrenden Verkehrs. Besonders wichtig dabei ist es, die gewerbetreibenden und wohnenden Anliegenden zu berücksichtigen.“

Bei einer Umsetzung eines Fahrverbots sowohl in einer Variante bis zum Messplatz als auch bis zur Kreuzung Wilhelm-Leuschner-Straße/ Schubertstraße sollten keine baulichen Maßnahmen vorgenommen werden, die schwierig zu revidieren sind, sollte das angepasste Konzept nicht aufgehen, fordern die Sozialdemokraten. So könnte auch erprobt werden, wie sich der Verkehr auf die Parallelstraßen Ludwig-Grein- und Kaiserstraße auswirkt.

SPD: Kübel in Karslruher Straße in Hockenheim höher bepflanzen

Außerdem wäre ein Modell zu bevorzugen, bei dem Anwohnende und Gewerbetreibende ihre Gebäude weiter erreichen. In Bezug auf die Parkplätze gilt für die SPD: Wer heute in die Karlsruher Straße mit dem Gedanken fährt, vor seinem Zielgeschäft zu parken, setzt entweder auf sehr viel Glück oder ist bereit, falsch zu parken.“

Zur Verschönerung sei eine hellere Ausstattung der Kübel mit einer höheren Bepflanzung eine relativ günstige Option, die das Straßenbild aufwerte. Eine gezielte Ansiedlung von Gastronomie am Zehntscheunenplatz sei für die SPD aktuell kein primäres Ziel der Innenstadtbelebung, da sich in der Karlsruher Straße bereits eine gewisse Ballung an gastronomischen Betrieben gebildet habe, stellt Breunig fest.

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Die Innenstadtentwicklung sei seit 2019 regelmäßig in der Presse und eines der Topthemen in dieser Wahlperiode, stellt Grünen-Fraktionssprecherin Elke Dörflinger fest. Mit den Bestrebungen der Stadt, im Jahr 2021 ein gesamtstädtisches Entwicklungskonzept auf den Weg zu bringen, seien die Bemühungen, die Innenstadt für die Zukunft fit zu machen, ins Stocken geraten, sagt sie. Hier seien die Karlsruher Straße mit angrenzenden Bereichen und Platz um die Zehntscheune, aber auch der Bahnhofsvorplatz zu nennen.

Grüne Hockenheim erinnern an Versuchsantrag

Im Februar 2021 hätten die Grünen einen Antrag auf Einrichtung einer temporären Fußgängerzone in der oberen Karlsruher Straße gestellt. Dort sollte eine Verkehrsberuhigung von Mai bis Oktober erprobt und ausgewertet werden. Die notwendigen Poller zur Absperrung sollen bereits bestellt worden sein. Dörflinger: „An diesem Vorschlag, der damals abgelehnt wurde, halten wir nach wie vor fest.“ Zumal den Bürgern und den Gewerbetreibenden eine Belebung wichtig sei. An den Infoständen im Kommunalwahlkampf sei dies lebhaft diskutiert worden, was zeige, dass die Bürger auch hier mitgenommen werden wollen.

Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Karlsruher Straße ein wesentlicher Frequenzbringer für Pkw, nicht Besucher. Zählungen der Grünen an Samstagen hätten zwischen 300 und 450 Fahrzeugen in zwei Stunden ergeben. Die Brücke am HÖP, die zur Entlastung der Karlsruher Straße vorgesehen wurde, sei im gleichen Zeitraum mit nur rund 40 Fahrzeugen gering frequentiert gewesen. Dörflinger: „Insofern sollten die derzeitigen Alternativen in Ludwig-Grein-Straße und Kaiserstraße bei entsprechendem Fahrbahnbelag ausreichen.“

Durch das Versäumnis, das Vorkaufsrecht des „Kanne“-Areals in Anspruch zu nehmen, sei eine innerstädtische Gesamtentwicklung schwierig. Deshalb sei zu prüfen, inwieweit das ursprüngliche Sanierungsgebiet Stadtmitte doch noch in Angriff genommen werden kann. Dazu gehöre auch der von Parkplätzen dominierte und überwiegend der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzte zugepflasterte Zehntscheunenplatz. Eine Entsiegelung und Gestaltung im Sinne eines zentralen „grünen“ parkähnlichen Begegnungs- und Erlebnisplatzes sowie die Anbindung von Gastronomie als Frequenzbringer werten die innerstädtische Gesamtgestaltung auf. Nachhaltige Innenstadtentwicklung bedeute, Räume zu schaffen, die heute und für zukünftige Generationen eine gesunde und vielfältige Lebensqualität bieten, seien die Fraktionsmitglieder Adolf Härdle, Christian Keller und Elke Dörflinger überzeugt.

„Als FDP sind wir eigentlich gegen ein generelles Verbot des motorisierten Verkehrs in Innenstädten“, schickt Fraktionsvorsitzender Frank Köcher-Hohn voraus. Es könnte Auswirkungen auf den Einzelhandel und die Erreichbarkeit der Innenstadt haben und die Liberalen setzten sich für verkehrspolitische Vielfalt ein. Was die Karlsruher Straße betrifft, sehe es die FDP etwas anders: „Hier ist es aus unserer Sicht nötig, diese zu einer Fußgängerzone umzugestalten. Wenn wir uns die Ergebnisse des Innenstadt-Forums 2023 anschauen, sehen wir, dass die Anwohner das genauso sehen. Vor solchen Veränderungen müssen aber wirklich alle Aspekte gut durchdacht werden.“

Bevor man den motorisierten Verkehr einschränkt, müssten die Alternativen geprüft werden. Radwege und Fußwege müssten gut ausgebaut sein. „Wir müssen sicherstellen, dass alle Bevölkerungsgruppen weiterhin gut und flexibel mobil bleiben können. Genauso muss der Anlieferverkehr der Geschäfte sichergestellt sein sowie der Anwohnerverkehr“, fordert Köcher-Hohn.

Für den Anfang würde die FDP eine differenzierte Lösung bevorzugen, das heißt, zunächst nur bis zur Abfahrt zum Messplatz. Für den Bereich Fortunakreuzung bis Abfahrt zum Messplatz könnten wir uns eine permanente Lösung vorstellen.

FDP: Wandel durch Fußgängerzone in Hockenheim

Die FDP sei für eine Umgestaltung: „Liberale Verkehrspolitik unterstützt funktionierende und lebendige Innenstädte und fördert den innerörtlichen Einzelhandel.“ Die Andienung von Industrie, Handel und Gewerbe müsse auch in der Innenstadt und in den verkehrsberuhigten Zonen gewährleistet werden. Einzelhandel, Gewerbe und Handwerk müssten sich zukünftig wieder verstärkt in den Kernbereichen der Stadt ansiedeln können. Hierzu sei es nötig, die Karlsruher Straße zu einer Fußgängerzone umzugestalten. „Wir müssen Ruheplätze schaffen und gleichzeitig dafür sorgen, dass ein gemütlicher Einkaufsbummel möglich wird“ sagt Köcher-Hohn und verweist auf den „Hockenheimer Walk of Fame“-Antrag mit der CDU. Durch diese Änderungen erhoffe man sich eine attraktive Innenstadt, die zum Verweilen einlädt.

Für den Zehntscheunenplatz ist mit der Ansiedlung eines Feierabendmarktes der erste Schritt gemacht worden. Jetzt müsse sich zeigen, wie die Bevölkerung diesen annimmt, weitere Optionen müssten besprochen werden.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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