Stadthalle

Über 900 Schüler besuchen 20. Ausbildungsmesse in Hockenheim

Insgesamt 50 Aussteller, Institutionen und Unternehmen werben beim Ausbildungstag in der Stadthalle um künftige Mitarbeiter und Auszubildende. Denn der Fachkräftemangel ist nach wie vor präsent.

Von 
Noah Eschwey
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Großes Interesse bestand auch am Stand von Metalux mit Sergej Koschevnikov (v. l.) und Michael Bock, die auf Oberflächenveredelung von Aluminium spezialisiert. © Dorothea Lenhardt

Hockenheim. Übernahmegarantie, regelmäßige Tarifverhandlungen und flexible Arbeitszeiten – bei der 20. Hockenheimer Ausbildungsmesse in der Stadthalle herrscht eine Jahrmarkts-Atmosphäre. Kein Wunder, denn die über 900 Schüler wissen, was sie vom Arbeitsleben erwarten. Und vor allem wissen die Auszubildenden (Azubis) der Zukunft, dass sie dringend gebraucht werden.

„Die Vorbereitung lief wie immer klasse, hatten ja auch 19 Versuche um zu üben“, erzählt Mitorganisatorin Sabine Seip von der Stadtverwaltung schmunzelnd. Die Nachfrage seitens der Unternehmen sei erwartungsgemäß hoch, die Stadthalle mit Ausstellern aus der Region zu füllen dementsprechend einfach. „Wie immer hat sich das Rathaus um die Pressearbeit gekümmert, wir haben im Herbst schon die Firmen angeschrieben und für diesen Veranstaltungstag kräftig die Werbetrommel gerührt. Um die Logistik vor Ort kümmert sich Julia Schell von der Stadthalle einwandfrei.“

Arbeiten statt Lernen

Eigentlich habe er vor, nach dem Abitur Ingenieurwissenschaft zu studieren, erklärt der 16-jährige Gymnasiast Christian. „Ich möchte mir trotzdem mal einen Überblick über meine Möglichkeiten verschaffen. Vielleicht finde ich ja auch ein spannendes Ausbildungsangebot.“ Eine Einstellung, die viele der Schüler an diesem Morgen in der Stadthalle teilen. „Ich möchte irgendeine Ausbildung im kaufmännischen Bereich machen“, sagt Mara (15) von der Theodor-Heuss-Realschule. Abitur käme für das Mädchen nicht infrage, wenn sie den richtigen Arbeitgeber finde. „Bisher habe ich mir noch nicht viel angeschaut, ich möchte offen gegenüber den Angeboten bleiben.“

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20. Ausbildungsmesse in Hockenheim

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Dass wie bei Mara, Abitur keine Option sei, beobachtet die Theodor-Heuss-Realschullehrerin Karin Ellis in der vergangenen Zeit oft: „Ich bin heute mit der achten Klasse hier, die haben ja noch Zeit, sich zu entscheiden. Mein Eindruck ist aber schon, dass viele direkt nach dem Abschluss ins Arbeitsleben einsteigen wollen.“ Auch ihre Kollegin Christine Lenz, die den Ausbildungstag mit der abschlussnahen zehnten Klasse besucht, teilt Ellis Eindruck. Sie schätze, dass ungefähr 90 Prozent ihrer Schüler eine direkte Ausbildung machen würden. „Viele haben schon recht klare Vorstellungen, was sie erwarten. Wenn sie dann eine Ausbildung finden, die den Ansprüchen gerecht wird, ist ein drangehängtes Abitur keine Option mehr.“

Fachkräftemangel bemerkbar

Für Karin Ellis Schüler Mustafa (16) ist das Abitur ohnehin keine Option: „Ich möchte Kfz-Mechatroniker werden. Da bietet sich eine Ausbildung an.“ Seinen Vorstellungen eines zukünftigen Arbeitgebers, werde vor allem die Bundeswehr gerecht. „Ich denke die Disziplin, die dort vorherrscht, tut mir gut. Außerdem würde ich beim Bund fit bleiben und könnte viel in der Natur arbeiten.“

Der Stand, den Christina Anger betreut, hebt sich von den insgesamt 50 Ausstellern, die sich in der Stadthalle formierten, deutlich ab: „Wir sind eine Duale Ausbildungseinrichtung und spezialisiert auf Lern-, Leistungs- und psychische Einschränkungen.“

Die negativen Auswirkungen des demografischen Wandels spüre die Standortleiterin Heidelberg vom Berufsbildungswerk Mosbach-Heidelberg nicht: „Wir haben immer schwankende Ausbildungszahlen, eine Bewerbung bei uns ist auch nur über die Arbeitsagentur möglich.“ Anger vermute in ihrer Branche eher einen Zuwachs: „Es gibt immer mehr junge Menschen, die nicht mit den Anforderungen unserer Zeit zurecht kommen. Für die sind wir da und hoffen, ihnen helfen zu können.“

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Am Standort Heidelberg biete die Ausbildungsstätte acht Einstiegsmöglichkeiten in den Berufsgruppen Friseur, Fahrradtechnik, Lagerwirtschaft und in der Möbel-Branche. Am Standort Mosbach gebe es außerdem 30 weitere Ausbildungsmöglichkeiten.

Das Pflegeheim „Haus Edelberg“ leidet unter gegenteiligen Erfahrungen. Die Suche nach motivierten und geeigneten Azubis gestalte sich zunehmend schwierig, gesteht Praxisanleiterin Daniela Stein. Sie sehe allerdings neben dem Fachkräftemangel ein weiteres, branchenspezifisches Problem, das die Nachwuchssuche erschwert: „Im Pflegebereich wurden drei Berufe zu einem zusammengefasst. Die Verallgemeinerung schreckt viele Interessenten ab.“ Die Gefahr, dass die Pflegekräfte zukünftig durch intelligente Maschinen ersetzt werden könnten, schätzt Stein als eher gering ein: „Das Empathieverhalten ist in diesem Beruf sehr wichtig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Technik jemals besser kann.“

Gewerbliche Stellen frei

Von ähnlichen Schwierigkeiten bei der Suche nach Azubis berichtet auch Lina Hammer, die das Entsorgungsunternehmen AVR vertritt. „Es kommt drauf an, welcher Beruf genau besetzt werden soll, wir bieten ja jede Menge Ausbildungsmöglichkeiten an. Kompliziert wird es vor allem bei den gewerblichen Plätzen.“

Das Problem mit den gewerblichen Berufen – ein Dauerbrenner auch für die Stadtverwaltungen. „Unsere Bewerbungsanzahl ist seit Corona stark zurückgegangen. Neben den handwerklichen Berufen, sind vor allem gewerblichen Stellen kaum noch zu besetzen“, bestätigt Irina Lautermilch von der Stadtverwaltung Schwetzingen.

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Die Kollegin aus der Nachbarstadt, Sandra Laier-Durl, sieht ähnliche Lücken in der Hockenheimer Verwaltung: „Ja, auch wir bemerken einen Rückgang. Nicht unbedingt in den Verwaltungsstellen, dafür umso mehr im gewerblichen Bereich, das ist wohl einfach der Bundestrend.“ Einem anderen Bundestrend – der Verschiebung persönlicher Treffen in den digitalen Raum – entzieht sich die Hockenheimer Verwaltung nun seit diesem Jahr mit großem Erfolg, erzählt Laier-Durl. „Wir haben uns dazu entschieden, anstatt eines alleinigen Online-Einstellungstests nun die Bewerber auch zu uns einzuladen, um zu schauen, ob sie menschlich zu uns passen.“ Bei der ersten Ausbildungsgruppe habe dies schon sehr gut funktioniert.

„Wir merken schon, dass es schwieriger wird, junge Menschen an Bord zu holen“, nimmt Cahide Welker von der Bundespolizei wahr. Ihr sei es wichtig zu betonen, dass gerade ein Tag wie dieser Veränderungen schaffen könne: „Ich bin seit 30 Jahren im Dienst und seit fünf Jahren auch auf den Messen. Dank der Möglichkeit uns hier zu präsentieren, finden wir noch Leute.“

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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