Im Interview

Ketschs Bürgermeister Wangler zieht nach zwei Jahren Bilanz: „Es liegt noch ein Marathon vor uns“

Bürgermeister Timo Wangler ist nun seit zwei Jahren im Amt und blickt auf das erste Viertel seiner Zeit als Rathauschef zurück. Er betont die Herausforderungen der Haushaltskonsolidierung und die Bedeutung der Bürgerbeziehung. Er strebt an, bis zum Ende seiner Amtszeit 2030 einen konsolidierten Haushalt zu erreichen und die Gemeinde für kommende Investitionen vorzubereiten.

Von 
Henrik Feth
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Von dem damaligen Gemeinderat Thomas Franz wird der frisch gewählte Ketscher Bürgermeister Timo Wangler 2022 vereidigt. © Schwindtner

Ketsch. Auf den Tag genau vor zwei Jahren hat Bürgermeister Timo Wangler sein Amt angetreten. In diesen 24 Monaten stand die Gemeinde vor einigen Herausforderungen, durfte nach der Corona-Pandemie wieder viele Feste feiern und sich durch die eine oder andere Krise manövrieren.

Im Interview blickt das Gemeindeoberhaupt auf das erste Viertel seiner Amtszeit zurück und spricht über die aktuelle Finanzlage Ketschs, seine bisherigen Leistungen und wie sich sein Privatleben seit der Übernahme des Bürgermeisteramtes verändert haben. Außerdem teilt er mit, wie seine Wunschvorstellung der Enderlegemeinde für das Jahr 2030, das Ende seiner Amtszeit, aussieht.

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24 Monate als Ketscher Bürgermeister, was haben Sie in dieser Zeit über die Enderlegemeinde und ihre Bürger gelernt?

Timo Wangler: Meine Familie und ich wohnen ja schon seit 2000 in Ketsch. Trotzdem gab es in den ersten beiden Jahren meiner Amtszeit noch viel über die Ketscher zu lernen. Zwar bin ich ein sogenannter „Neigeblaggter“, aber die Enderlegemeinde ist sehr offen eingestellt. Als Bürgermeister habe ich eine noch bessere Sicht auf den tollen Zusammenhalt zwischen den Vereinen und die heimatgeschichtliche Verbundenheit der Menschen. Ich bin stolz, dass Ketsch eine sehr schöne Gemeinde ist, die wahnsinnig viel zu bieten hat. Was ich außerdem gelernt habe: Ich kenne inzwischen so gut wie jeden Straßennamen in Ketsch – vorher ist man mal zur Rheinhalle oder anderen bekannten Orten in der Gemeinde gefahren und kannte die dort hinführenden Straßen, inzwischen bin ich Profi. Aber ich bin sicher, dass ich noch einiges über Ketsch und die Ketscher lernen werde.

Herausforderungen und Finanzlage der Gemeinde Ketsch

Was waren im ersten Viertel Ihrer Amtszeit die größten Herausforderungen?

Wangler: In diesem Zusammenhang kann man gar nicht von der größten Herausforderung sprechen, es ist eher so etwas wie eine Dauerherausforderung. Es gibt etliche Aufgaben, die es zu erfüllen gibt, jedoch aufgrund der fehlenden adäquaten Finanzmittel nur schwer erfüllbar sind. Von der Bewältigung der Flüchtlingskrise bis hin zu der Kinder- und Schülerbetreuung gibt es zahlreiche Thematiken. Nebenbei sind wir bemüht, auch auf die Zukunft zu blicken und den Klimaschutz immer mehr in den Fokus zu rücken. Leider kann eben jeder Euro nur einmal ausgegeben werden. Und genau dieser Zielkonflikt ist diese dauerhafte Herausforderung: die Aufgaben trotz der chronischen Unterfinanzierung zu bewältigen. Daran sitzen wir in der Verwaltung gemeinsam mit dem Gemeinderat praktisch durchgehend.

Die Beziehung zwischen der Gemeinde und den Vereinen ist dem Bürgermeister besonders wichtig, wie hier beim Tag der Ketscher Vereine zu sehen: Günther Klefenz (Tanzfreunde Ketsch, v. l.), Timo Wangler, Bernd Bürkle, (IG Ketscher Vereine) und Ralph Oswald (TSG Ketsch) freuen sich über eine gelungene Veranstaltung. © Andreas Gieser

Welche Versprechen aus ihrem damaligen Wahlkampf konnten Sie bereits umsetzen und was wird noch angegangen?

Wangler: Bewusst habe ich im Wahlkampf auf allzu große Versprechen verzichtet, da mir die finanzielle Lage der Gemeinde bekannt war. In vielen Gesprächen, auch mit der Bürgerschaft, wurde damals klar, dass gewünscht ist, den Haushalt zu konsolidieren. Und genau daran arbeiten wir, das ist die Hauptaufgabe – Ich habe versprochen, mich darum zu kümmern. Trotzdem haben wir gemeinsam mit der Verwaltung und dem Gemeinderat schon einige Maßnahmen umgesetzt. Die LED-Umstellung und die Personaleinsparungen sind nur einige davon. Auch einige Projekte, die Ökonomie und Ökologie zusammenbringen, haben wir bereits umgesetzt. Zudem entwickelt sich auch unser Gewerbegebiet wieder sehr positiv. Um noch weitere Dinge zu nennen, denke ich beispielsweise an die Umsetzung des Rechtsanspruchs für die Grundschulbetreuung ab 2025/2026. Außerdem sind die Förderung und Zusammenarbeit der Vereine noch mehr in unseren Fokus gerückt. Die Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes für die Gemeinde Ketsch ist bereits umgesetzt und in diesem Zusammenhang haben wir angefangen, auch die Dienstwagen durch E-Autos zu ersetzen oder Diensträder und Lastenräder anzuschaffen. Wichtig ist auch, dass wir die Seniorennachmittage gestärkt haben und die Gemeinde somit für alle Generationen attraktiv machen.

Sanierung des Ketscher Haushaltes: Ein steiniger Weg

Wenn Sie die Sanierung des Ketscher Haushaltes erwähnen, können Sie noch etwas genauer darauf eingehen, auf welchem Weg sich die Gemeinde hier aktuell befindet und wie dieser zukünftig weitergehen wird?

Wangler: Er ist lange und steinig und wird zum Marathon, was mir und auch dem Gemeinderat immer bewusst war. Zusätzlich kommen in diesem Bereich weitere Hindernisse hinzu: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen zwei Jahren erheblich verschlechtert. Man könnte es mit einem Kampf gegen Windmühlen vergleichen: Sobald man etwas eingespart oder Kosten optimiert hat, kommen an anderen Stellen wieder neue Herausforderungen. Beispielsweise die Steigerung der Energiepreise um ein Drei- bis Vierfaches oder die Anhebung der Kreisumlage – man wird oft wieder an den Anfang zurückgeworfen. Doch ich bin generell ein optimistischer Mensch und sehe auch das Positive: Das Defizit im Haushalt wäre wohl noch größer, hätten wir uns nicht mit dem bisherigen Engagement um die ganzen Konsolidierungsmaßnahmen gekümmert. Mit Blick auf die anderen Kommunen in Baden-Württemberg wird klar, dass es nicht nur uns so geht. 70 Prozent befinden sich in einer ähnlichen Lage und können 2024 ihren Haushalt nicht ausgleichen. So gesehen haben wir im Verhältnis sogar etwas aufgeholt. Doch die Devise bleibt: Jammern wird nicht helfen und wir werden unseren Weg weiter gehen. Dass es sich lohnt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gut es geht zu verbessern, zeigt nicht zuletzt die positive Entwicklung in unserem Gewerbegebiet.

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Hinsichtlich der Konsolidierungsmaßnahmen haben Sie bereits mehrfach an das Verständnis der Bürger appelliert, was bisher durchaus gut funktioniert hat. Glauben Sie, dass in den noch vor Ihnen liegenden sechs Jahren als Bürgermeister auch wieder größere Investitionen kommen können?

Wangler: Es müssen sogar Investitionen kommen, doch hier dürfen wir nicht den Fokus verlieren und müssen uns auf die Pflichtaufgaben konzentrieren. Und in diesem Bereich wird noch einiges auf uns zukommen. Das beginnt bei dem Ausbau der Schülerbetreuung für 2025/2026, für den wir auch schon einen Förderantrag gestellt haben und geht weiter bei einigen notwendigen Sanierungen. Dazu zählt beispielsweise das Rathaus, wo wir die Sanierung schon zu lange vor uns herschieben, Themen wie Brandschutz und Technik sind hierbei am dringlichsten. Weitere Pflichtaufgaben sind das Feuerwehrgerätehaus und auch der Kindergarten Regenbogen benötigt eine Sanierung – hier stehen wir auch schon in den Startlöchern. Energetisch müssen wir zudem an die kommunalen Liegenschaften denken und das Thema Straßen und Kanäle ist allgegenwärtig. Hier sind wir mit dem Projekt Enderlestraße schon dabei. Bei den Straßen halten wir an unserem Grundsatz fest, dass wir bei einer Komplettsanierung direkt Wasserleitungen und den Kanal mit einbeziehen und Aspekte der Klimaresilienz, Starkregenereignisse und der Mobilitätswende berücksichtigen. Um die jeweiligen Finanzierungen zu stemmen, versuchen wir, die Maßnahmen in Abschnitte aufzuteilen sowie zu priorisieren und alles sequenziell abzuarbeiten. Der Verbund aus Verwaltung und Gemeinderat wird auch hierbei, wie bisher, gute Lösungen finden.

Wie hat sich ihr Leben mit der Übernahme des Bürgermeisteramtes verändert? Dienstlich und privat.

Wangler: Tatsächlich vergeht die Zeit gefühlt doppelt oder dreimal so schnell. Zwar ist das wohl mit dem Älterwerden normal, doch das Amt des Bürgermeisters ist so etwas wie ein „Brandbeschleuniger“. Meine Kollegen aus den anderen Kommunen werden wissen, was ich damit meine. Da man faktisch jeden Tag im Dienst ist, haben sich das Privatleben und die Arbeit komplett gemischt. Doch in den beiden bisherigen Jahren als Bürgermeister durfte ich viel erleben und etliches Neues kennenlernen. Also sehe ich die Vermischung als positiv. Wir fühlen uns hier pudelwohl und sind auch bei Vereinen aktiv. Doch seitdem ich Bürgermeister bin, fühle ich mich als „Neigeblaggter“ nochmals viel heimischer hier. Auch der Blick auf gewisse Dinge hat sich eindeutig verstärkt, ob unsere schöne Ketscher Natur oder eben auch negative Einflüsse, ich beachte nun Dinge, die mir vorher vielleicht nicht unbedingt ins Auge gefallen wären.

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Was werden in den nächsten zwei Jahren die wichtigsten Ziele der Verwaltung sein?

Wangler: Das liegt natürlich auf der Hand: Weiterhin an der Konsolidierung festhalten, die Strukturen straffen und, wo möglich, Optimierungen vornehmen. Um diese Ziele auch in der Verwaltung zu erreichen, ist es essenziell, diejenigen mitzunehmen, die die größte Last tragen: unsere Mitarbeiter. Bei diesen möchte ich mich auch für ihr Engagement und ihre Tatkraft bedanken. Wir haben in den vergangenen beiden Jahren bereits einige Stellen abgebaut, das war nur möglich, weil alle mitgezogen sind und sich eingebracht haben.

Nähe zu den Bürgern in Ketsch und positive Effekte

Sie sind den Ketscher Bürgern sehr nah, helfen bei Vereinsfesten und kennen die Besucher der Gemeinderatssitzungen meistens mit Namen, welche positiven Effekte konnten sie durch solch eine harmonische Beziehung bisher erfahren?

Wangler: In einem Ort mit der Größe von Ketsch ist die Nähe zu den Bürgern unglaublich wichtig. Wenn man als Bürgermeister präsent ist und die Menschen kennt, erfährt man auch viel, was sonst wohl untergegangen wäre. Wenn ein vertrautes Verhältnis zu den Menschen herrscht, ist es auch deutlich einfacher, über kritische Maßnahmen und Entscheidungen zu reden. Von den Ketschern kann ich jeden Tag neue Dinge über die Enderlegemeinde lernen.

Wangler (v. l.) ist auch ein nahbarer Bürgermeister und kennt viele Ketscher persönlich. Mit den Ehrenbürgern Helena Moser und Jürgen Kappenstein, der sein Amtsvorgänger ist, pflegt er ein sehr gutes Verhältnis. © SCHOLL

In welchen Bereichen sind Sie aktuell selbstkritisch und sagen „hier müssen wir mehr machen“?

Wangler: Aufgrund der finanziellen Lage wissen wir natürlich, dass es einige Bereiche gibt, in denen mehr zu machen wäre. Allen voran und augenscheinlich sind hierbei unsere Straßen, bei denen wir sehr gerne mehr machen würden. Aber momentan reicht es nur zum Flicken, um einigermaßen die Verkehrssicherungspflichten einzuhalten. Da habe ich auch vollstes Verständnis für die Bürgerschaft, die die Schlaglöcher moniert. Letztlich ist der Zustand unserer Straßen nur das sichtbare Zeichen, wie sich die Aufgabenzuweisung seitens des Landes und des Bundes sowie die Unterfinanzierung der Gemeinden auswirken.

Zusammenarbeit mit dem Ketscher Gemeinderat und Zukunftsaussichten

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat in den vergangenen beiden Jahren und was erhoffen Sie sich diesbezüglich für die Zukunft nach den Kommunalwahlen?

Wangler: In meinen beiden Jahren als Bürgermeister war die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat immer sehr angenehm und sachlich. Daher auch ein großes Kompliment an die Fraktionen für die vielen gemeinsamen Beschlüsse und die Mitarbeit an der Konsolidierung. Auch während des Kommunalwahlkampfes wurden keine großen Sachen versprochen, es ist nicht selbstverständlich, dass auch der Gemeinderat so auf die Finanzen achtet. Nun wird sich die Zusammensetzung im Gremium um fast 50 Prozent verändern und ich hoffe, dass die Zusammenarbeit auch weiterhin so verlaufen wird und dass wir alle gemeinsam für Ketsch an einem Strang ziehen. Die kommenden Jahre werden finanziell noch schwieriger werden und ich hoffe, dass die Diskussionen in den Sitzungen sachlich und vor allem auch auf die örtliche Ebene gerichtet bleiben werden.

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Zum Abschluss ein kurzer Ausblick: Wie sieht Ihre Idealvorstellung der Lage in Ketsch aus, wenn ihre Amtszeit 2030 endet?

Wangler: Zunächst hoffe ich, dass Bund und Land endlich den Hilferuf aller Kommunen und Verbände erhören und wir unserem nach Artikel 28 des Grundgesetzes zugesicherten Selbstverwaltungsrecht wieder ausüben können. Zufrieden bin ich vor allem, wenn in sechs Jahren alle unsere Pflichtaufgaben erfüllt sind und wir alle unsere freiwilligen Leistungen dann immer noch anbieten können. Das Ketsch von 2030 soll einen soweit konsolidierten Haushalt haben, dass es wieder Überschüsse für kommende Investitionen erwirtschaftet und somit zukunftsweise Planungen und Projekte möglich sind.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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