Oftersheim. Wissen Sie, werter Leser, was „Doxing“ ist? Oder ein sogenannter „Deepfake“? Vielleicht haben Sie noch nie davon gehört. Wenn aber Ihr Kind oder Enkelkind zwischen zwölf und 20 Jahren alt ist, kann es Ihnen diese Begriffe vermutlich erklären. Es handelt sich nämlich um ausschließlich zwei von unzählbar vielen Internetphänomenen, die durch die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) momentan Politik, Jugendforen und Pädagogen auf Trab halten.
Lisa Westphal und Annette Hörstel, die Referentinnen der Gemeindebücherei Oftersheim, haben sich mit genau diesen Themen beschäftigt. Schon im vergangenen Jahr fielen den Damen die Risiken und Probleme auf, die sich aus der Entwicklung des Internets für Kinder und Jugendliche ergeben.
Eine Lösung war schnell gefunden – das Brockhaus-Abonnement der Gemeindebücherei. Über diese Kooperation ist es den Mitarbeiterinnen möglich gewesen, das Computerprogramm „Smart im Netz“ vom Brockhaus-Konzern ihren Kunden zu Verfügung zu stellen. „Jeder, der einen gültigen Büchereiausweis besitzt, kann das Programm kostenfrei nutzen“, bestätigt Hörstel. Und das soll im gesamten Jahr 2024 so bleiben. Doch was kann das Programm? Und warum ist es für Eltern sinnvoll, es zu nutzen? Um über diese Themen aufzuklären, luden Lisa Westphal und Annette Hörstel zu einem Informationsabend in die Gemeindebücherei Oftersheim ein.
Seniorenfreundliche Bedienung
Die Büchereimitarbeiterinnen, die in einem lockeren, für Diskussion offenen, aber zielorientiertem Vortragsstil referierten, hätten, wie sie betonen, beide das Programm vollständig durchgearbeitet. „Es ist denkbar einfach, sich dort anzumelden. Alles was Sie brauchen, ist ein gültiger Büchereiausweis, da sind auch Kinderausweise möglich und ein Passwort“, so Westphal. Auf die Seite komme ein Nutzer über ein Modul im Web-OPac der Gemeindebücherei. „Nutzen können es Eltern, Großeltern, aber natürlich auch Pädagogen und sogar Jugendliche.“
Die Webseite selbst unterteile sich in Themenblocks, die nicht linear durchgeklickt werden müssen, sondern einzeln, je nach Interessenlage ausgewählt werden könnten. „Das fanden wir sehr sinnvoll. Wenn eine Mutter sich also Sorgen macht, dass ihr Kind süchtig nach Gaming ist, muss sie nicht erst alle anderen Module anschauen. Sie kann direkt auf das Modul Gaming klicken“, lobt Hörstel.
Falls ein Nutzer sein Wissen testen wolle, könne er außerdem auch die eingebetteten Übungsaufgaben zur Vertiefung nutzen. „Für mich als Mutter ist sehr gut, dass auch hier gilt: Alles kann, nichts muss. Das heißt, wenn die Zeit knapp ist, können die Übungsaufgaben auch übersprungen werden“, fügt Lisa Westphal hinzu.
Um auch internetfremden Menschen einen einfachen Zugang zu den sperrigen Themen zu verschaffen, gebe es einige Erleichterung auf der Seite. So könne ein Sehbehinderter die Vorlesefunktion nutzen oder – falls die Augen bloß langsam nachlassen – die Schrift vergrößern. „Das System ist nicht zu 100 Prozent barrierefrei. Ich würde aber sagen, schon sehr barrierearm“, findet Westphal.
Cyberkriminalität steigt rasant an
„Doch warum brauchen Sie dieses System?“ Auf ihre rhetorische Frage kennt Hörstel eine ganze Reihe an Antworten. Einerseits schreite die Digitalisierung des Alltags galoppierend voran und niste sich in die unterschiedlichsten und doch in nahezu allen Lebensbereiche ein. Daher sei es schon für die eigene Alltagserleichterung wichtig und spannend, sich mit den Themen der Zukunft auseinanderzusetzen.
Andererseits gebe es bei der rasant fortschreitenden Digitalisierung auch unerwünschte Entwicklungen, denen nur mit Sachverstand entgegen getreten werden könne. „Mit der dauerhaften Weiterentwicklung von KI explodiert auch Cyberkriminalität, außerdem können Kinder Sprachassistenten und Chat-Bots nutzen. Da verstecken sich einige Gefahren für die Jüngsten“, so Westphal.
Verständliche Sprache ist wichtig
„Ein Unterkapitel beschäftigt sich mit den Risiken im Netz für Kinder. Da geht es um Fragen des Datenschutzes, die Gefahr von sexuellen Übergriffen, Fake-News und Käufe über die Telefonabrechnung innerhalb einer App“, konkretisiert Referentin Hörstel. Mittlerweile gebe es sogar Hacker auf den internen Lernplattformen der Bildungseinrichtungen. Gerade daran sei erkennbar, dass Erziehungsberechtigte ihre Kinder nicht vor allem schützen können. „Wir können es aber wenigstens versuchen“, findet Mutter und Büchereimitarbeiterin Lisa Westphal.
Ein weiteres, für die beiden Vortragenden entscheidendes Modul, sei die Möglichkeit, sich vom System das Internet in kindergerechter Sprache erklären zu lassen. „Das fand ich spannend, weil ich selbst nicht wusste, wie ich das meinem Kind erklären soll“, begründet Westphal. Außerdem gebe es auch viele Anwendungen auf Alltagsgeräten, zum Beispiel dem Fernseher mit Internetzugang, die vor Kindernutzung gesichert werden müssten.
Um sich über Themen wie „Deepfakes“, also KI-generierter Stimm-Nachstellungen, „Doxing“, das ist das Veröffentlichen privater Informationen, und der Problematik der süßen – und oft peinlichen – Kinderfotos im Internet zu informieren, gebe es das Kapitel „Ethik im Netz“. Die Fachbegriffe würden in einem integrierten Wörterbuch leicht verständlich erklärt.
Und natürlich gebe es auch Informationen zu den Sozialen Medien und deren viel diskutierten internen Phänomene, wie zum Beispiel Nachmachtrends und das Anhimmeln von „Content-Creatoren“, also Influencern. „Es geht nicht darum, das Internet zu verteufeln, sondern die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen und sie auf dem digitalen Weg zu begleiten“, stellt Hörstel klar. Natürlich seien auch „Fake-News“ und politische Propaganda im Netz ein großes Thema.
Die einzige Besucherin, Mutter Angela Waack, zeigt sich begeistert: „Unsere Tochter kommt nun in das Alter, dank der Bücherei kann ich sie begleiten.“ Dass nur eine Besucherin vor Ort war, kommentiert Annette Hörstel auf Nachfrage: „Ich denke, wir sind etwas zu früh. Die Dringlichkeit des Themas, auch schon für Grundschulkinder, scheint noch nicht in der breiten Masse angekommen zu sein.“
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