Heimat- und Kulturkreis

Heimat- und Kulturkreis Oftersheim bietet idealen Ort, um zu lernen

Oftersheimer Verein nimmt den Dialog mit Zeitzeugen auf der Suche nach Spuren der Zuwanderung in den Ort auf. Auf diese Weise soll die „Katscher Stube“  erweitert werden.

Von 
Marco Montalbano
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Begeben sich gemeinsam auf Spurensuche zur Erforschung der Geschichte der nach Oftersheim geflüchteten Menschen: Anna Kirchner (v. l., Huko), Hilde Fritz, die mit 88 Jahren älteste noch lebende Einwanderin aus Katsch, Ehrenbürger Roland Seidel, Altbürgermeister Siegwald Kehder, Bürgermeister Pascal Seidel und Huko-Vorsitzender Dieter Burkard. © Marco Montalbano

Oftersheim. Der Heimat- und Kulturkreis Oftersheim (Huko) hatte zum Austausch geladen und viele Zeitzeugen waren gekommen. Das Ziel: die Erweiterung der „Katscher Heimatstube“ um die Geschichte der Heimatvertriebenen aus vormals deutschen Gebieten wie Pommern, Ostpreußen, Schlesien und der Volksdeutschen aus dem Sudetenland, Ungarn und allen anderen betroffenen Gebieten, wo sie lebten, und die nun – wie ihre Nachkommen – Teil von Oftersheim seien.

Mit dabei waren Bürgermeister Pascal Seidel, sein Vater Roland, Ehrenbürger und über ein halbes Jahrhundert lang Gemeinderatsmitglied, sowie Altbürgermeister Siegwald Kehder, der nicht nur schon lange im Dialog mit den Zugewanderten steht sondern auch bereits begonnen hat, die Geschichten der Vertriebenen zu sammeln.

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Es war voll geworden im Versammlungsraum der Mannheimer Straße 59, voller, als Dieter Burkard erwartet hatte. Bei von Huko-Mitglied Anna Kirchner selbst gebackenen Nuss- und Rosinenschnecken saßen die Teilnehmer beisammen und erinnerten sich an die Zeit der Vertreibung und des Ankommens, die vor fast 80 Jahren begann. „Die Erweiterung der ‚Katscher Heimatstube‘ ist dringend nötig. Sie ist auch ein Beispiel für gelungene Integration“, so Burkard, der erfreut mitteilte: „Unser neuer Bürgermeister Pascal Seidel hatte sofort zugesagt. Aber nicht nur, dass er ein Grußwort sprechen würde, sondern, dass er auch dabei bleiben wolle.“

Nach dem Krieg seien 1000 Menschen gekommen, eine große Zahl, da die Gemeinde damals 4500 Einwohner gehabt hätte, so Seidel, der ergänzte: „Ich freue mich sehr auf das, was da in der ‚Katscher Stuben‘ entsteht. Die erfolgreiche Integration der Neubürger wird auch daran ersichtlich, dass die Enkel von Eingewanderten auch Bürgermeister sein dürfen“, so Seidel weiter, denn er sei Sohn eines Flüchtlings aus dem Sudetenland.

Vergangenenheit Oftersheims nicht vergessen

Siegwald Kehder ergänzte: „Die Zeit der Zeitzeugen wird immer weniger. Neues Leben kam damals nach Oftersheim. Man soll nicht in der Vergangenheit leben, sondern mit der Vergangenheit.“ Schon immer seien Leuten in Notzeiten gegangen und gekommen.

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Zudem erläuterte Dieter Burkard: „Aus den Gesprächen mit Herrn Kehder entnahm ich, dass es wichtig ist, die Menschen anzusprechen und mit den sich daraus ergebenden Informationen und eventuell auch Zeitdokumenten die ‚Katscher Stube‘ zu erweitern, um denen, die nach uns kommen, die Geschichte des Ortes vor Augen zu führen.“ Kehder selbst betonte, dass es wichtig sei, zumindest ein ganzes Kapitel den Geflüchteten zu widmen, sobald es eine neue Ortschronik gebe.

Anna Kirchner vom Huko, deren Familie selbst eine Migrationsgeschichte hat, wies auf die Aktualität der Geschehnisse hin, da nun Menschen aus der Ukraine nach Oftersheim kämen. „Meist haben sie die Absicht, wieder heimzugehen, wenn ‚alles vorüber ist‘. Doch wohin, wenn alles zerstört ist? Viele werden bleiben.“ Sie freue sich, dass die Oftersheimer immer sehr offen gewesen seien, gebe es doch keine „grausligen Geschichten wie anderorts“, wo Menschen mit Waffengewalt einquartiert worden wären.

Die Zeitzeugen schilderten ihre Erinnerungen, so auch Roland Seidel: „Zwei Jahre lang wohnten wir zu acht in einem Zimmer. Danach in zwei Zimmern. Im Schlafzimmer musste man immer über jemand steigen, um sich hinlegen zu können. Heute gibt es Menschen, die allein in einem Haus mit zehn Zimmern wohnen und niemanden aufnehmen wollen.“ Sein Sohn führte weiter aus, dass die Gemeinde im vergangenen Jahr 90 Ukrainer aufgenommen habe, 2023 sind 145 weitere angekündigt. „Per Gesetz muss jeder mindestens sieben Quadratmeter haben. Es sind andere Umstände.“ Er sei aber bei Oftersheim sehr zuversichtlich, dass man die Aufgabe gut erfüllen werde. Siegwald Kehder resümierte in seinem Fazit, dass es gefährlich sei, die Vergangenheit zu vergessen.

Die folgenden Berichte der Zeitzeugen von Vertreibung mit Gewalt bewegten. Dieter Burkard unterstrich: „Fest steht: Die ‚Katscher Heimatstube‘ und die Schulstube sind ein idealer Ort, um zu lernen.“ Man bespreche auch die Möglichkeit, moderne Technik mit einzubinden. Man stehe aber erst am Anfang eines Prozesses.

Freier Autor Freier Journalist. Davor Pressereferent. Studium der Politikwissenschaft.

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