Adieu Josefshaus, Teil 3

Josefshaus in Oftersheim: Ein Teil vieler Lebensgeschichten

Das Josefshaus in Oftersheim war ein zentraler Treffpunkt für verschiedene Gruppierungen und Veranstaltungen, darunter Gemeinschaftsabende, Tanzveranstaltungen, Weihnachtsmärkte und Treffen örtlicher Vereine.

Von 
Hans-Peter Sturm
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Die interne Abschiedsparty für das Gebäude im fast schon legendären „Ojo-Keller“ nach der „Adieu“-Feier am 6. Juli. Einige der Gäste sprayen vor dem Abriss noch Graffiti an die Wände. © Hans-Peter Sturm

Oftersheim. Im letzten Teil der Josefshaus-Trilogie geht es um weitere einzelne Gruppierungen, die ihr Domizil im katholischen Gemeindehaus in Oftersheim hatten, sowie um Veranstaltungen unterschiedlichster Art.

So gab es bis in die 1980er Jahre sowohl an Fasnacht wie auch im Advent einen Gemeinschaftsabend mit einem bunten Programm diverser Gruppen aus der Pfarrgemeinde. Schon lange vor der Gründung des Heimat- und Kulturkreises 1983 wurde zudem jedes Jahr zur „Ofdascher Keawe“ ins Josefshaus zum Tanz eingeladen. Auch ein Weihnachtsmarkt fand hier am Wochenende vor dem ersten Advent statt, allerdings nur in den „geraden“ Jahren im Wechsel mit dem Basar in der Kurpfalzhalle.

Eine Sitzung bei Kaffee im Konferenzraum mit Pfarrer Josef Fischer (Mitte) um 1970. Das Oftersheimer Josefshaus wird facettenreich über Jahrzehnte hinweg genutzt. © Pfarrarchiv St. Kilian

Darüber hinaus wählten auch einige örtliche Vereine das Haus gerne als Location für Weihnachts- oder Winterfeiern – darunter der VdK. Der Kirchenchor nutzte den Saal nicht nur für seine Proben, sondern auch für das jährliche Cäcilienfest und eigene Fasnachtsabende. Außerdem lud er jeden Sommer zum beliebten Grillfest im Hof ein und an Fronleichnam traf sich die Pfarrgemeinde nach dem Freiluftgottesdienst, der bis in die 1970er Jahre durch die Unterstützung des Oftersheimer Musikvereins noch eine besonders festliche Note erhielt, zum gemeinsamen Mittagessen und Kaffeetafel als Ort der Begegnung.

Josefshau in Oftersheim: Konservative Kreise und Bastelgruppen

Neben den Ministranten und den Europa-Pfadfindern, die im Josefshaus ihre eigenen Räumlichkeiten bis zum „Adieu“ nutzten, gab es dort auch Einrichtungen und Kreise, die heute längst nicht mehr existieren. Zu Zeiten von Pfarrer Wilhelm Hesch war sonntags nach dem „Amt“ – so nannte man den Hauptgottesdienst neben der „Friehmess’ und der „Kinnerkäisch“ – im Erdgeschoss gleich neben der Einfahrt die „Borromäus-Bücherei“ für die Bücherfreunde der Gemeinde geöffnet. Betreut wurde sie von der „Nähschul-Schwester“.

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In jenen Jahren traf sich in den Räumen des Obergeschosses regelmäßig die „Marianische Jungfrauenkongregation“ mit dem Pfarrer. Wie es der Name schon suggeriert und auch Zeitzeugen anklingen lassen, wurde von diesem Personenkreis offenbar noch ein äußerst konservatives Bild der katholischen Glaubenslehre gepflegt. Etwas lebhafter dürfte es im Bastelkreis zugegangen sein, der dort ebenfalls seinen Treffpunkt hatte.

Neuer Wind für das Josefshaus in Oftersheim durch den Pfarrgemeinderat

Spätestens mit der Wahl des ersten Pfarrgemeinderates 1969, der sich fortan im Konferenzraum zu seinen Sitzungen einfand, wehte dann ein neuer Wind durch das Haus, geprägt vom Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils und einem zwei Jahre zuvor eingesetzten neuen Seelsorger in Gestalt von Pfarrer Josef Fischer.

Eine Gruppe der Frauengemeinschaft KFD mit „Mäuserich“ Pfarrer Josef Fischer tritt kostümiert auf. © Müller

Zur Unterstützung seiner Arbeit in St. Kilian wurde ihm 1970 eine junge „Pfarrhelferin“ zur Seite gestellt, die ebenso rasch neue Maßstäbe setzen sollte. Schon im selben Jahr gründete Maria Gramlich im Verlauf ihrer pastoralen Tätigkeit eine Gymnastikgruppe, die nach wie vor aktiv ist, wenn auch jetzt notgedrungen an anderem Ort.

Josefshaus in Oftersheim: Laienspielkreis und Theateraufführungen

Das gilt auch für ihre zweite „Schöpfung“, denn in der KJG-Jugend rief sie einen Laienspielkreis ins Leben, der sich schon bald großer Beliebtheit erfreute. Eines der ersten Stücke war der Einakter „Früchtchen in Pfarrers Garten“, der unter anderem auch bei der Primiz von Neupriester Wolfgang Gaber am 10. Juni 1973 aufgeführt wurde. Zwei Jahre später trat die Gruppe dann erstmals unter dem Namen „Die Kleine Bühne“ auf derselben im Josefshaus vor ihr Publikum, das erste abendfüllende Stück hieß „Weihnachten auf dem Marktplatz“. Es sollten viele weitere, sogar selbstverfasste unter Maria Gramlichs Regie folgen, die sie im Jahr 2000 in jüngere Hände legte.

Auch das Ensemble der „Kleinen Bühne“ – hier nach der Aufführung der Komödie „Kurzschlüsse“ Ende September 1990 mit der Spielleiterin Maria Gramlich (l.) – nutzt das Gebäude. © Kießling

Doch auch schon in den 1950er Jahren hieß es am gleichen Ort „Vorhang auf“ für junge Schauspieler aus der Kiliansgemeinde. Die Stücke jener Epoche hatten freilich noch einen etwas anderen Charakter: „Loni, das geraubte Grafenkind“ und vor allem „Das Lied der Bernadette“ mit der Lourdes-Thematik dürften einigen älteren Gemeindemitgliedern noch in Erinnerung sein.

Der Bühnensaal im Oftersheimer Josefshaus als „Notkirche“

Auch als „Notkirche“ diente der Bühnensaal mehrmals, als nämlich das Gotteshaus vis-à-vis wegen Renovierungsarbeiten nicht zur Verfügung stand, zum Beispiel 1974 und 2008/2009.

Nicht zuletzt gab es natürlich den „Ojo-Keller“: Noch lange vor Gründung des Jugendzentrums „Juz“ trafen sich die Teenager vor allem in den 1970ern bei regelmäßigen Partys der „Oftersheimer Jugendorganisation“. Wie viele Kontakte wurden „in der Ojo“ geknüpft – zum Disco-sound und fetten Beats einer Ära, die am Abend des 6. Juli quasi als interner Abschluss des „Adieu“-Tages noch einmal bunt aufleuchten durfte. Ministranten, Pfadfinder und Gemeindeteam sagten bei coolen Drinks und DJ-Musik in den holzverkleideten Katakomben auf ihre Weise „Lebewohl“ und „Danke für eine schöne Zeit“.

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So vieles gäbe es noch zu berichten rund um den etwas nüchternen Bau, beispielsweise, dass einige junge Leute bei Pfarrer Hesch manchmal freiwillig den Fußboden des Saales mit Sand und „Blogger“ reinigten und Kohlen „de Keller nunnerg’schebbd hewwe“. Doch das alles ist jetzt endgültig Geschichte, der Abriss hat begonnen. Graffiti auf den Fassaden des „Adieu“-Festes schienen den Abschied etwas mildern zu wollen, doch die Wehmut wird dennoch manches Herz erfüllen, wenn die Baggerschaufeln zubeißen, in Erinnerung an ein Gebäude, das die Lebensgeschichte vieler Oftersheimer ein Stück mitgeschrieben hat.

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