Im Gespräch

Götz Junk aus Plankstadt schreibt für Wikipedia

Durch einen Rechtschreibfehler in einem Beitrag kam der 64-Jährige dazu, Artikel für die Enzyklopädie im Internet zu verfassen. Dazu gehört aber mehr als nur schreiben, erklärt der Plankstadter im Gespräch.

Von 
Marco Montalbano
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Treffen sich regelmäßig zum „Wikipedianer-Stammtisch“: Heiko Fischer (von links), Götz Junk und Matthias Becker – allesamt Wikipedia-Autoren aus Leidenschaft. © Marco Montalbano

Plankstadt. Das gemeinnützige Projekt „Wikipedia“ zur Erstellung und Pflege einer freien Enzyklopädie ist weltbekannt und inzwischen über 23 Jahre online. Laut eigenen Angaben seien aktuell rund 339 Sprachversionen und fast drei Millionen Artikel auf Deutsch verfügbar – von insgesamt 62 Millionen Artikel. Doch wer schreibt die Beiträge und wie wird die Qualität sicher gestellt? Diese Zeitung war zu Besuch beim „Wikipedianer-Stammtisch“ in Plankstadt, bei dem sich ehrenamtliche Autoren aus der ganzen Rhein-Neckar-Region zum persönlichen Austausch treffen.

Götz Junk aus Plankstadt ist einer von ihnen. Er ist bekannt als ehemaliger Kultwirt des „Zähringer Hofs“ in Schwetzingen und als einer, der dem Jazz durch die Schaffung von Auftrittsmöglichkeiten die Türen der Spargelstadt geöffnet hat.

Doch von seiner Tätigkeit als Wikipedia-Autor wissen nur wenige. „Manchmal schreibe ich fünf Artikel die Woche, manchmal zehn“, erzählt er und ergänzt: „Alle Autoren sind Nutzer, aber nur wenige Nutzer sind Autoren. Der Älteste ist übrigens 100 Jahre alt. Manche korrigieren nur. Und jede Änderung ist anhand der Versionsgeschichte für alle nachvollziehbar.“

Durch einen Rechtschreibfehler ist der Planksta

Er rate zur Bescheidenheit, so der 64-Jährige: „Es empfiehlt sich, sich als Autor nicht über andere zu stellen. Mancher meint, nur weil er einen Artikel verfasst hat, gehöre dieser ihm allein.“ Bei der Frage, wie es dazu gekommen sei, dass er für Wikipedia schreibe, muss er lachen. „Durch einen Rechtschreibfehler, den ich in einem Beitrag vor fast 20 Jahre entdeckt habe“, erläutert er. Das Verfassen von Einträgen, Einstellen, Korrigieren und Ergänzen bedeute viel Arbeit. Die meisten Autoren besäßen aber die nötige Leidenschaft dazu. Fast alle würden unter Pseudonymen schreiben und Nachvollziehbarkeit des Klarnamens gebe es nicht.

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Doch komplette Anonymität ebenso wenig: „Die Nutzung des Thor-Netzwerks, bei der dies der Fall wäre, ist zum Beispiel verboten.“, so Junk. Eine besondere Vorliebe habe der studierte Geologe für Historisches. Unter anderem habe er zu der Geschichte von Städten im ehemaligen Ostpreußen recherchiert und veröffentlicht. Inzwischen seien es gut 700 Artikel, die er verfasst habe.

Qualität habe sich über die Jahre verbessert

An diesem Abend im Restaurant „La Vite“ ist auch Heiko Fischer dabei. Der 26-Jährige ist extra aus Frankfurt angereist und meint: „Man denkt sich nicht irgendwann ‚ich will Wikipedia-Autor’ werden, sondern kommt einfach dazu. Am wichtigsten ist die Freude an Recherche und am Schreiben.“

Anfänglich sei die Online-Enzyklopädie oft nicht als seriöse Quelle angesehen worden. „Da gab es ein paar Professoren, die Vorbehalte hatten“, was sich zum Glück geändert habe, so Fischer. Denn die Qualität sei seit dieser Zeit deutlich gestiegen. Was man veröffentliche, müsse stets belegbar und seriöse Quellen angeben sein. „Schlampere“ jemand bei einem Beitrag, werde dies schnell entdeckt und von einem anderen korrigiert, so Matthias Becker aus Schwetzingen.

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„Seit 2006 bin ich mit Begeisterung dabei. Manchmal denke ich mir, wenn ich recherchiere: ‚Hey, über den Krieg im Libanon 2006, da fehlt ja etwas und ergänze es dann“, so der 56-Jährige weiter. „Wie zügig die Community auf Aktuelles reagiere, sehe man anhand schneller Anpassungen: „Als es um den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ging, über den etwas in der Bild-Zeitung geschrieben wurde, hatten wir elf Änderungen in zwölf Minuten. Und der deutschsprachige Artikel über die Ahrtalkatastrophe wurde in den ersten 72 Stunden über 500-mal bearbeitet.“

Aus Plankstadt und ganz Deutschland

Wichtig sei Becker zu betonen: „Wir haben uns bei Wikipedia der Neutralität verschrieben. Das ist nicht immer einfach und erfordert Fingerspitzengefühl. So ist in einem Wehrmachtsbericht 1941 von ‚Banditen’ die Rede. Heute würde man ‚Partisanen“ sagen, was aber nicht dem ursprünglichen Wortlaut entspräche. Ob Terroristen oder Widerstandskämpfer, das ist meist eine Frage des Standpunkts.“

Alles, was veröffentlicht werde, müsse außerdem festgelegten Relevanzkriterien entsprechen. Einen Eintrag zum hiesigen Bürgermeister gebe es zum Beispiel nicht, auch wenn er dies eventuell verdient hätte. Denn erst ab 20 000 Einwohnern würde ein Gemeindeoberhaupt als „relevant“ eingestuft. Zum regionalen Stammtisch träfen sich die Autoren alle ein bis zwei Monate.

„Da kommen schon mal so zehn bis 20 und noch in diesem Jahr wollen sich Wiki-Autoren aus ganz Süddeutschland und von noch weiter weg hier vor Ort treffen.“ Auch Gäste könnten mitgebracht werden. So sei die 86-jährige Plankstadterin Waltraud Wettstein seit 2019 dabei, wie auch an diesem Abend, sagt Götz Junk.

Freier Autor Freier Journalist. Davor Pressereferent. Studium der Politikwissenschaft.

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