Geschichte

Rudi Lerche aus Plankstadt ist Gründervater des Bürgerbüros

Der 83-Jährige hat sich als Stadtverwaltungsdirektor in Heidelberg für eine bürgerfreundliche Verwaltung - dem Bürgerbüro - eingesetzt und ist dafür in der ganzen Welt bekannt. Anlässlich der Jubiläen blickt er zurück.

Von 
Linda Saxena
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Rudi Lerche aus Plankstadt zeigt stolz einen Wandteppich aus Georgien, den er bei einer Reise im Zuge der Bürgerbüros von einem dortigen Verwaltungsvertreter als Andenken geschenkt bekommen hat. © Linda Saxena

Plankstadt/Region. Einen neuen Reisepass beantragen, den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft melden oder den Wohnsitz ändern: All diese Dinge können heutzutage schnell und einfach im Bürgeramt vor Ort erledigt werden. Das war aber nicht immer so, erinnert sich Rudi Lerche aus Plankstadt. Früher, so der 83-Jährige, mussten Bürger für jedes einzelne Anliegen eine der vielen Abteilungen der Stadtverwaltungen besuchen. Für Neuzugezogene eine Prozedur: „Anmelden, Adresse im Ausweis ändern lassen und das Fahrzeug ummelden – das hat schon mal drei Tage gedauert“, sagt Rudi Lerche. Bis zu seiner Rente im Jahr 2006 war der Plankstadter als Stadtverwaltungsdirektor in Heidelberg tätig und mit sämtlichen Abläufen und Strukturen im Rathaus vertraut. Was viele nicht wissen: Der Name Rudi Lerche und das Bürgerbüro sind eng miteinander verwoben.

Zwei Jahre Vorbereitungszeit für das Bürgeramt

Der 83-Jährige arbeitete damals unter der ehemaligen Oberbürgermeisterin Beate Weber, die von 1990 bis 2006 Oberhaupt der Stadt war. Eines ihrer Wahlversprechen sei gewesen, so Rudi Lerche, die Verwaltung modern und bürgerfreundlich zu gestalten. Diese Aufgabe fiel dem Stadtverwaltungsdirektor im Jahr 1992 zu, der zugleich eine Vision hatte: Einen zentralen Ort zu schaffen, an dem die Bürger ihre Anliegen vor der Haustüre in den jeweiligen Stadtteilen vorbringen können. „Die Aufgabe bestand darin, die Verwaltung zu dezentralisieren und den Bürgern lange Wege von den Stadtteilen in die zentralen Ämter zu ersparen“, sagt er.

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Die Ausarbeitung des Konzeptes für das Bürgerbüro, wie es heute bekannt ist, habe zwei Jahre gedauert, so Lerche. „Erstens wurden die Räumlichkeiten dafür benötigt.“ In den Stadtteilen selbst habe es alte und heruntergekommene Rathäuser gegeben, die aus der Zeit vor der Eingemeindung der Bezirke stammten. „Diese wurden dann saniert.“ Danach habe die Suche nach Mitarbeitern begonnen. „Sie müssen jemanden finden, der bereit ist, über sein Tätigkeitsfeld hinaus auch neue Abläufe und Aufgaben kennenzulernen und mit Menschen zu arbeiten“, so der 83-Jährige. Gesagt, getan: Auf die Inserate haben sich viele Menschen gemeldet. „Mehr als wir damals gedacht haben.“

Nachdem dann die Werbetrommel für das neue Konzept gerührt wurde, habe man in kürzester Zeit in den 1990er-Jahren in Heidelberg die ersten Bürgerbüros eingerichtet. Zuerst im Emmertsgrund und Boxberg, danach in Ziegelhausen, Pfaffengrund, Handschuhsheim, Wieblingen, Neuenheim, Kirchheim und Rohrbach. Im Stadtzentrum und in Bergheim seien die letzten Bürgerämter entstanden, so Lerche.

Freundschaften über Heidelberg hinaus geknüpft

Über Zeitung, Radio und Fernsehen habe sich das Konzept zum neuen Bürgerbüro schnell herumgesprochen. Immer wieder landeten Anfragen aus Deutschland und aller Welt auf dem Schreibtisch von Rudi Lerche, allesamt mit den Fragen: „Wie funktioniert das Bürgerbüro und wie können wir das auch machen?“

Für Rudi Lerche ist das Bürgerbüro sein ganz persönliches Lebenswerk. Neben den zahlreichen Arbeitsstunden hat der Rentner auch abseits des Rathauses viel Zeit und Mühe investiert, Interessierten das Konzept näher zu bringen. Rund 220 Delegationen aus der ganzen Welt, wie China, Japan oder aus Österreich sind nach Heidelberg gereist, um sich das Bürgeramt vor Ort anzuschauen.

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Dabei habe man natürlich auch die Heimat vor Ort gezeigt, erzählt er. Bei diesen Treffen wurden stets kleine Geschenke und Andenken mit den jeweiligen Vertreter ausgetauscht, die Rudi Lerche sorgfältig bis heute in einer Glasvitrine oder an der Wand des Büros in seiner Wohnung in Plankstadt aufbewahrt. Dort stehen kleine Figuren und Dankesbekundungen, die die Besucher aus Brasilien, Italien, den Philippinen und der Schweiz mitgebracht haben. Eines seiner Lieblingsstücke ist ein Wandteppich aus Georgien, den die dortigen Amtsträger ihm als Abschiedsgeschenk überreicht haben. Auch haben sich durch die gegenseitige Besuche und Vorträge Freundschaften gebildet und sind bis heute geblieben. „Das ist sehr schön“, sagt er.

Wann immer der 83-Jährige gemeinsam mit seiner Frau auf Reisen ist, stattet er dem jeweiligen Bürgeramt einen kurzen Besuch ab. „Und wenn die Leute dort meinen Namen kennen, berührt mich das schon sehr“, sagt er. Heute, viele Jahre später, feiern die Bürgerämter in der Region bereits 20 oder 25 Jahre Bestehen. So hat zum Beispiel das Bürgerbüro in Speyer Mitte März bereits das 25-Jährige gefeiert (wir berichteten).

Die Jubiläen seien etwas, das man feiern sollte, meint Rudi Lerche. „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Zukunft nicht gestalten.“

Rechtsstreit vor Gericht gewonnen

Gute Erinnerungen an alte Zeiten pflegt der 82-Jährige zu Österreich. „Ich hatte die Gelegenheit über einen Zeitraum von 15 Jahren zusammen mit dem Kommunalwissenschaftlichen Dokumentationszentrum Wien in zahlreichen österreichischen Städte Seminare abzuhalten und das Heidelberger Modell vorzustellen“, sagt er.

So wie Rudi Lerche an den Erfolg des Bürgeramtes in den 1990er-Jahren geglaubt hat, so glaubt er nun auch daran, dass sich im digitalen Zeitalter auch das virtuelle Bürgeramt etablieren kann. Die Veränderungen – ob es eine automatische Platzanzeige oder ein Terminsystem ist – habe er stets in das Bürgeramt integriert. Vorreiter in der digitalen Bürgerverwaltung gibt es bereits im europäischen Norden, wo beispielsweise Estland viele Dienstleistungen über das Internet anbietet.

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In Erinnerung geblieben ist auch ein Rechtsstreit, der seinen Ausgangspunkt in einem Angebot des Bürgerbüros hatte – der An- und Abmeldung von Kraftfahrzeugen. „Die damit verbundenen Fahrten in die Stadt konnten nur vermieden werden, wenn zu der Ausstellung der KFZ-Unterlagen auch das Kennzeichen mit ausgegeben werden kann“, sagt er. Wegen der erforderlichen Gebühr habe ein Konzern der KFZ-Kennzeichenbranche geklagt, der darin einen Wettbewerbsverstoß sah. „Die Stadt gewann den Prozess“, sagt Rudi Lerche. So sei aus der Stadtverwaltung ein Dienstleistungszentrum geworden. „Die Schilder wurden dann zu einem teureren Preis verkauft, als es auf dem Markt üblich war.“ Deshalb habe aus Sicht des Stadtverwaltungsdirektors kein Wettbewerbsverstoß stattgefunden.

Redaktion Linda Saxena ist Print- und Online-Redakteurin in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung und zuständig für Plankstadt und Eppelheim.

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