Im Redaktionsgespräch

Alexander Mitsch: Politikwechsel mit der CDU wäre unglaubwürdig

Das Parteienfeld ist in Deutschland um die Werteunion reicher. Der in Plankstadt lebende Alexander Mitsch ist stellvertretender Vorsitzender. Im Gespräch äußert er sich zu Brandmauern und Rechtsextremismusvorwürfen.

Von 
Jürgen Gruler , Noah Eschwey und Andreas Lin
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Alexander Mitsch (vorne r.) im Redaktionsgespräch mit Chefredakteur Jürgen Gruler (v. l.), Noah Eschwey und dem stellvertretendem Redaktionsleiter Andreas Lin. © Lehnort

Schwetzingen/Plankstadt. Alexander Mitsch hat politisch gesehen schon einige Schritte gemacht: Junge Union, dann Kreisvorstandsmitglied der CDU, Gründung der Gruppe „Aufbruch 2016“, Kandidat für eine Kandidatur zum Landtag bei der CDU, Mitgründung des Vereins Werteunion innerhalb der CDU. Jetzt scheint der Plankstadter seine Heimat gefunden zu haben und ist stellvertretender Vorsitzender der neugegründeten Partei Werteunion.

Sie sei die einzige Partei, die bereit wäre, mit allen anderen zu sprechen, ausdrücklich auch mit der Alternative für Deutschland (AfD). Das macht Dr. Hans-Georg Maaßen, Ex-Verfassungsschutzpräsident und nun Vorsitzender der frisch gegründeten Partei Werteunion, immer wieder deutlich. Sein Vize Alexander Mitsch aus Plankstadt (in Heidelberg geboren und lange Zeit wohnhaft in Schwetzingen) gilt als Verfechter bürgerlicher Politik in der neuen Partei. Doch wie bürgerlich kann eine Partei, politisch rechts von der CDU, sein? Und was müsste passieren, damit die Werte-union eine Koalition mit der AfD ausschließt? Zu diesen und weiteren Fragen äußerte er sich beim Redaktionsgespräch bei dieser Zeitung.

Herr Mitsch, Sie möchten mit der Partei Werteunion einen Politikwechsel anstreben. Mit welchen Parteien könnte das möglich sein?

Alexander Mitsch: Mit den Parteien, bei denen sich inhaltlich mit uns Schnittmengen zeigen. Ich glaube, wir sprechen in Deutschland viel zu viel über Parteien und Koalitionen. Wir von der Werteunion möchten über Problemlösungen sprechen. Alle Parteien haben auch sinnvolle Positionen. Ob wir gegebenenfalls mit einer von ihnen oder mit mehreren koalieren, das hängt dann von der Gewichtung der Sachthemen ab.

Welche Sachthemen stehen für Sie bei einem Politikwechsel im Vordergrund?

Alexander Mitsch: An erster Stelle steht das Thema Migration. Außerdem muss sich Leistung für die arbeitende Mittelschicht wieder lohnen. Und wir möchten mit den Eingriffen des Staats aufräumen, die für den wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands sorgen. Grundsätzlich stellt sich doch vor allem die Frage: Welche Probleme haben wir in Deutschland und wie lösen wir sie?

Alexander Mitsch © dpa

Die CDU verändert sich unter Friedrich Merz in genau diesen Themen. Was hebt Sie davon ab?

Alexander Mitsch: Der Politikwechsel der CDU ist nicht glaubwürdig, sie kann die notwendige Politikwende nicht umsetzen. Die Christdemokraten laufen zu sehr den Grünen hinterher. Die CDU orientiert sich ständig an den Grünen, aber die würden aus ideologischen Gründen einen Politikwechsel niemals zulassen. Das ist doch deutlich an Nordrhein-Westfalen zu erkennen. Dort regieren CDU und Grüne gemeinsam, weswegen es bei Migrationsfragen, wie zum Beispiel der Bezahlkarte für Geflüchtete, keine einheitliche Linie gibt. Und Nordrhein-Westfalen schiebt zu wenig Menschen ab, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass die CDU unter Angela Merkel als Kanzlerin viele der heutigen Probleme mitverursacht hat. Resümierend kann ich also sagen, dass das neue Grundsatzprogramm der CDU in die richtige Richtung geht. Nur, dass es umgesetzt wird, das glaube ich nicht. Sie wissen ja selbst, dass ich mich in meiner Zeit in der CDU stark für einen Parteichef und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz eingesetzt habe, aber er bekommt die Partei nicht in ein neues Fahrwasser.

Was müsste passieren, dass Sie eine Koalition mit der AfD ausschließen?

Alexander Mitsch: Wenn wir feststellen, dass unsere Positionen zu weit voneinander abweichen. Oder ein Parteiverbot. Wenn die AfD verboten wäre, gäbe es keine Gespräche.

Und wenn die Partei als Ganzes vom Verfassungsschutz als rechtsextrem beurteilt würde?

Alexander Mitsch: Die Antwort darauf ist komplex, sie hat eine juristische und eine politische Komponente. Unser Vorsitzender Hans-Georg Maaßen wird ja auch vom Verfassungsschutz beobachtet, obwohl er nicht rechtsextrem, kein Rassist und kein Antisemit ist. Es käme auf die Begründung des Verfassungsschutzes an, die wir uns genau anschauen würden. Die Einschätzung des Verfassungsschutzes erscheint nicht immer eindeutig nachvollziehbar.

Haben Sie nicht auch selbst Angst davor, ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten und zum Beobachtungsfall zu werden?

Alexander Mitsch: Alleine schon durch meinen engen Kontakt mit Hans-Georg Maaßen stehe ich vermutlich auch unter Beobachtung. Vielleicht bekommen Sie ja bald Besuch, weil man mich in die Redaktion hat gehen sehen (Mitsch lacht). Aber für mich hat sich die Frage gestellt, ob ich schweige und irgendwann auswandere oder ob ich versuche, politisch etwas zu verändern. Als mich Hans-Georg Maaßen dann gefragt hat, ob ich sein Stellvertreter werden will, habe ich zugesagt. Und ich weiß, dass ich es einfacher hätte haben können, wenn ich das nicht gemacht hätte. Aber seit meine Wahl bekannt geworden ist, habe ich sehr viel Zuspruch bekommen. Gerade von bisherigen CDU-Wählern, aber auch von Menschen, von denen ich weiß, dass sie früher Grüne oder SPD gewählt haben. Weil sie merken, dass es so wie jetzt, nicht weitergehen kann.

Sie halten nichts von Brandmauern gegen Parteien?

Alexander Mitsch: Nein, Brandmauern halte ich für undemokratisch.

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Würden Sie dann also auch mit den Grünen koalieren?

Alexander Mitsch: Nun, grundsätzlich schon. Wie gesagt, die Koalitionsfrage steht bei uns nicht im Vordergrund. Was die Inhalte betrifft, sehen wir deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit CDU, FDP und AfD. Sollte es allerdings genug Überschneidungen geben, würden wir natürlich auch mit den Grünen zusammenarbeiten. Für uns ist auf jeden Fall wichtig, mitzubestimmen und unsere Inhalte umzusetzen. Dafür könnten wir uns auch eine Minderheitsregierung vorstellen, die mit allen Parteien spricht. In Thüringen scheint das ja bei den Landtagswahlen wahrscheinlich zu werden.

Was unterscheidet Sie eigentlich von einem Politiker der AfD?

Alexander Mitsch: Ich bin als Deutscher auch überzeugter Europäer – die AfD ist sehr europaskeptisch. Und ich bin Transatlantiker, also für eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten. Ich bin gegen Putins Politik, weil er kein Demokrat ist, die Ukraine überfallen hat und dort einen unmenschlichen Krieg führt. Und die AfD will eine völkische Wirtschaft einführen – die Werteunion ist wirtschaftsliberal und setzt auf Wohlstand durch grenzüberschreitenden Handel.

Was ist mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht?

Alexander Mitsch: Auch da gibt es Gesprächspunkte, allerdings gibt es da auch sehr wesentliche Differenzen, insbesondere zu deren sozialistisch geprägter Wirtschaftspolitik.

Aktivisten sprechen davon, 2024 sei eine Wiederholung der Vorgänge von 1928. Denken Sie, Sie tragen mit der Werteunion zur Zersplitterung der Parlamente bei?

Alexander Mitsch: Ich kann die Frage gut nachvollziehen, weil ich mir auch Sorgen um unsere Demokratie mache. Ich beschäftige mich viel mit der deutschen Geschichte und beobachte auch eine Radikalisierung in der Gesellschaft. Manche Probleme von 1928 haben wir wieder. Die Bürger sehen ihre individuellen Rechte eingeschränkt, zum Beispiel haben viele Menschen den Eindruck, nicht mehr alles sagen zu dürfen. Außerdem trauen die Bürger dem öffentlichen Rundfunk nicht mehr. Zuletzt ist der der Staat immer übergriffiger geworden. Gesetze wie das Heizungsgesetz oder das Verbot des Verbrennermotors sind die eine Seite der Medaille. Die Einschnitte des Staates in Grundrechte während Corona und moralisierende Diskussionen etwa um Kostümierungen von Kindern als Indianer bei der Fasnacht treiben das auf die Spitze. Selbst die wirtschaftliche Freiheit ist durch eine hohe Einkommenssteuer massiv beschnitten. Das Verhältnis von Bürger und Staat ist also leider mittlerweile auch von gegenseitigem Misstrauen geprägt, was an der desaströsen Regierungspolitik der vergangenen Jahre liegt. Ich glaube, wir müssen aber trotzdem keinen Umsturz befürchten, unsere Demokratie ist heute viel stärker, als die Weimarer Republik es damals war.

Sie sagen, Maaßen sei nicht rechtsextrem. Wenn er über „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“ spricht, ist das dann nicht doch rechtsextrem?

Alexander Mitsch: Nein, Maaßen wollte darstellen, dass es auch Menschen gibt, die gegen Weiße rassistisch vorgehen. Es gibt beispielsweise Leute, die von Menschen als „deutscher Kartoffel“ oder „Weißbrot“ sprechen, die verschwinden sollen. Diese Menschen sehen es ernsthaft als Ziel an, dass die Bevölkerung genetisch „durchmischt“ werden muss. Trotzdem hätte ich andere Worte als Maaßen gewählt, weil ich eine verbale Radikalisierung eigentlich immer vermeiden möchte.

Zur Person

  • Alexander Mitsch (56), verheiratet, zwei Kinder, wohnt in Plankstadt. Mit 15 Jahren trat er in die CDU ein und wirkte bis 2019 bis auf Kreisebene mit. Von 1994 bis 1999 war er Gemeinderat in Plankstadt. Er hat die Bürgerinitiative Aufbruch 2016 mitgegründet und war von 2017 bis 2021 Bundesvorsitzender der Werteunion. 2021 trat er bei der Werteunion wegen deren umstrittenen Vorsitzenden Max Otte aus.
  • Im Februar 2024 wurde die Werteunion als Partei gegründet. Im Zuge dessen trat Mitsch aus der CDU aus. Er wurde zu einem der drei stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Werteunion gewählt. 

Denken Sie, Maaßen schadet mit seinem Kommunikationsstil der Werteunion?

Alexander Mitsch: Also ich pflege einen anderen Kommunikationsstil, weil ich glaube, dass moderatere Worte sinnvoller sind. Um unseren Vorsitzenden in Schutz zu nehmen, muss man aber auch sagen, dass er jeden Tag mehrere Interviews und Hintergrundgespräche führt. 98 Prozent seiner Aussagen sind aus meiner Sicht völlig unbedenklich. Manche Sätze werden dann aber auch aus dem Kontext rausgegriffen und hochgepuscht, um Maaßen zu diskreditieren. Allerdings schießt jeder Mal mal verbal über das Ziel hinaus, so ja auch beispielsweise Anna-Lena Baerbock, die mal kurzerhand erklärt hat, wir seien im Krieg mit Russland.

Maaßen spricht auch vom „Great reset“ und von „Globalisten“. Ist er Antisemit?

Alexander Mitsch: Nein, diese Aussagen haben nichts mit Antisemitismus zu tun. Es gibt nun mal Menschen, deren anerkanntes Ziel es ist, die Welt zu verändern. Beim „World Economic Forum“ in der Schweiz haben manche auch den „Great reset“ gefordert. Dieser Begriff ist also erst mal kein schlimmer und nicht per se antisemitisch. Gleiches gilt für den Begriff „Globalisten“. Ich denke, mit der Endung „-isten“, wollte Maaßen sagen, dass es Menschen gibt, die auf extreme Weise Globalisierung wollen. Nur aus der Verwendung dieser beiden Worte Antisemitismus herzuleiten, ist unangemessen, selbst wenn die Begriffe die Diskussion zuspitzen.

Bei welchen Wahlen will die Werteunion denn dieses Jahr antreten?

Alexander Mitsch: Sicher zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, wahrscheinlich auch in Brandenburg. In diesen drei Ländern haben wir als einzige freiheitliche Partei meines Erachtens gute Chancen, ich kann mir ein Ergebnis in Richtung zehn Prozent gut vorstellen. Bei der Europawahl treten wir nicht an. Aber wir bereiten uns auf die Bundestagswahlen vor und gründen in den Bundesländern Landesverbände. In Baden-Württemberg habe ich die Aufgabe als interimistischer Landesbeauftragter übernommen.

Alexander Mitsch © dpa

Was ist denn erforderlich, um überhaupt zu den Wahlen zugelassen zu werden?

Alexander Mitsch: Wir brauchen für Thüringen, Sachsen und Brandenburg neben den Unterstützerunterschriften jeweils rund 50 Mitglieder. Theoretisch könnten wir auf die fast 9000 Leute aus dem Förderverein der Werteunion zurückgreifen.

Rechnen Sie damit, dass sich etablierte Politiker anderer Parteien der Werteunion anschließen?

Alexander Mitsch: Nein, von den derzeit politisch Aktiven wird sich vor den Wahlen sicherlich keiner bewegen, da machen wir uns keine Hoffnungen. Das wird erst dann kommen, wenn wir erfolgreich sind – also vielleicht wechselt nach den Landtagswahlen der eine oder andere in unsere Fraktion.

Was ist mit Leuten, die vorher bei der AfD waren?

Alexander Mitsch: Wenn es vernünftige Leute sind, die sich idealerweise schon länger von der AfD verabschiedet haben, ist das kein Problem. Aber wir schauen uns das im Einzelfall schon genau an, weil wir verhindern wollen, was zum Beispiel bei der AfD passiert ist, aus der nach und nach wegen neuer radikalerer Mitglieder viele vernünftige Menschen ausgetreten sind oder abserviert wurden.

Warum haben Sie sich entschieden, wieder in die Politik zu gehen?

Alexander Mitsch: Ich habe mir die Frage gestellt: Schaue ich weiter zu bei dem Niedergang oder tue ich etwas dagegen und springe eben selbst in dieses Haifischbecken. Ich mache mir bestimmt kein schöneres Leben damit.

Werden Sie selbst kandidieren?

Alexander Mitsch: Wenn ich mich dafür entscheiden sollte, als Berufspolitiker tätig zu werden, dann natürlich primär für meine Heimat Baden-Württemberg.

Derzeit arbeiten Sie ja ehrenamtlich mit, wie machen Sie das?

Alexander Mitsch: Ich habe meine berufliche Tätigkeit auf 80 Prozent reduziert und investiere viel Zeit abends und an den Wochenenden.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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