Schwetzingen. Seit Monaten steigt die Zahl der Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden im Juli dieses Jahres 23 674 Erstanträge auf Asyl gestellt – fast doppelt so viele wie im Juli 2022. Mit bislang insgesamt 175 272 Anträgen von Januar bis Juli könnte es 2023 den größten Zustrom seit der Flüchtlingskrise 2015/16 geben.
Auch in Schwetzingen und der Region sind diese Entwicklungen deutlich zu spüren. So teilt das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe auf Anfrage dieser Zeitung mit, dass „neben dem starken Zugang Geflüchteter aus der Ukraine im Jahr 2022 seit vielen Monaten auch ein hoher Anstieg der Asylbewerberzahlen zu verzeichnen ist.“
Zwar hätten in Baden-Württemberg sämtliche Akteure auf allen Ebenen ihre Unterbringungsmöglichkeiten an diese Entwicklung angepasst, doch seien die Kapazitäten inzwischen landesweit erschöpft. „Die Belastungsgrenzen der Erstaufnahmeeinrichtungen im Land und der Unterbringungen in den Kreisen und Gemeinden sind erreicht“, schreibt das Regierungspräsidium Karlsruhe wörtlich.
Der Rhein-Neckar-Kreis konkretisiert, dass aktuell „die landesweiten Zugangszahlen im Durchschnitt etwa um ein Drittel über den Zahlen des Vorjahres liegen, also ansteigend sind. Für die Untere Aufnahmebehörde des Rhein-Neckar-Kreises ist die Unterbringungssituation angespannt“, so ein Behördensprecher. Gleichwohl werde die gesetzliche Verpflichtung zur vorläufigen Unterbringung der dem Kreis zugewiesenen Flüchtlinge „bei in etwa gleichbleibender Entwicklung der Zugangszahlen zumindest für das laufende Jahr erfüllt werden können“, heißt es aus dem Landratsamt.
Zwölf kommunale Unterkünfte in Schwetzingen
Alle diese Entwicklungen haben auch für die einzelnen Kommunen konkrete Auswirkungen, die zur sogenannten Anschlussunterbringung von Flüchtlingen verpflichtet sind. Eine Ausnahme bildet dabei Schwetzingen, weil sich in der ehemaligen Tompkins-Kaserne bekanntlich eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes befindet. Deshalb ist die Stadt von der Unterbringung weiterer Asylsuchender befreit.
Und doch gibt es weiterhin zwölf kommunale Unterkünfte in Schwetzingen, beispielsweise im ehemaligen Hotel Atlanta und in der Scheffelstraße. „Derzeit leben rund 120 Personen mit Fluchthintergrund in Unterkünften, die entweder städtisches Eigentum oder von uns angemietet worden sind“, erklärt Andreas Oswald, Sachgebietsleiter im Schwetzinger Bürgerbüro.
Der Grund: Der Großteil dieser Personen kam bereits in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland und anschließend im Zuge der damaligen Anschlussunterbringung nach Schwetzingen. Die aktuellen Bewohner stammen aus 13 verschiedenen Herkunftsländern, vor allem aus Syrien, Somalia, Afghanistan, Gambia, Nigeria, der Ukraine und Pakistan.
Die Zuteilung auf die einzelnen Unterkünfte der Stadt erfolgt nach Geschlecht. Familien und Alleinerziehenden mit Kindern werden eigene Wohnbereiche zugewiesen, ebenso gibt es Unterkünfte ausschließlich für Frauen sowie für Männer. In den Wohnbereichen werden Küche, Bad und teilweise auch das Zimmer durch mehrere Personen genutzt.
Für ihre Unterkunft in der Anschlussunterbringung zahlen die Flüchtlinge eine monatliche Nutzungsentschädigung, betont die Stadtverwaltung. „Bei Personen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, zahlen sie diese selbst. Bei nicht erwerbstätigen Personen wird die Nutzungsentschädigung hingegen durch das Jobcenter oder in Einzelfällen noch vom Landratsamt übernommen“, konkretisiert Andreas Oswald.
„Keine belastbaren Zahlen“ in Sachen Geflüchtete
Zusätzlich sind in Schwetzingen derzeit 220 Personen aus der Ukraine gemeldet, welche entweder bei Freunden und Bekannten oder in einer privaten Wohnung mit regulärem Mietvertrag leben. Diese Kriegsflüchtlinge haben Kontakt zu den Behörden aufgenommen, um entsprechende Unterstützung zu erhalten und registriert zu sein. Dadurch können hier belastbare Zahlen genannt werden – was bei anerkannten Asylsuchenden aus anderen Ländern, die die städtische Anschlussunterbringung verlassen haben und eigenständig in Mietwohnungen leben können, nicht der Fall ist.
„Wie viele dieser Personen private Mietverträge besitzen, kann nicht ermittelt werden“, teilt die Stadt Schwetzingen mit. Auch der Rhein-Neckar-Kreis kann für seinen Zuständigkeitsbereich keine derartigen Auskünfte geben. „Da wir keine Statistik hinsichtlich ehemaliger Flüchtlinge führen, die nun einen Aufenthaltstitel haben, liegen uns die gewünschten Angaben nicht vor“, antwortet das Landratsamt. Und das Regierungspräsidium Karlsruhe teilt mit, dass ihm „keine belastbaren Zahlen vorliegen“, wie viele geflüchtete Menschen sich derzeit insgesamt in den einzelnen Landkreisen befinden beziehungsweise dort untergebracht sind.
Konkrete Zahlen zur Summe sämtlicher derzeit in der Region oder in Schwetzingen lebender Flüchtlinge sind also nicht zu ermitteln. Sobald die Menschen den monate- oder gar jahrelangen Asylprozess durchlaufen haben, wird ihr Aufenthaltsort von den Behörden nicht mehr systematisch erfasst.
Um eine Vorstellung von der Gesamtzahl zu bekommen, hilft daher nur der Rückblick auf die Anschlussunterbringung. Seit 2015 bis heute wurden den Städten und Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises insgesamt 16 810 Personen der Anschlussunterbringung zugewiesen, darunter im vergangenen Jahr „einige Tausend Ukrainer“, teilt das Landratsamt mit.
Geflüchtete aus zahlreichen Ländern vertreten
Exakte Zahlen hat der Rhein-Neckar-Kreis als Untere Aufnahmebehörde hingegen zu den von ihm betriebenen Gemeinschaftsunterkünften. Dort waren Ende Juli 1834 Flüchtlinge untergebracht. Als größte Gruppen kamen davon 636 Personen aus der Ukraine, 263 aus der Türkei, 195 aus Syrien, 193 aus Afghanistan, 86 aus dem Irak, 66 aus Georgien, 40 aus dem Iran und jeweils 30 aus der Russischen Föderation, Mazedonien und Nigeria.
In der vom Land geführten Erstaufnahmeeinrichtung in der Schwetzinger Tompkins-Kaserne waren Anfang August hingegen 254 Personen einquartiert. Da ukrainische Kriegsflüchtlinge diesen Anerkennungsschritt automatisch überspringen, war die Verteilung der größten Herkunftsländer hier eine andere. Die größte Gruppe bildeten Flüchtlinge aus Afghanistan, gefolgt von Syrien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Türkei, Georgien, Indien, Russische Föderation und Serbien.
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