Schwetzingen. Seit der Jahrtausendwende gibt es jetzt schon die Tagesstätte für seelische Gesundheit des Caritasverbands in Schwetzingen. Katrin Dolle, die Leiterin des Referats Eingliederung und Rehabilitation bei der Caritas, sagt: „Da können wir stolz sagen, dass wir den einen oder anderen Klienten bereits seit der Eröffnung begleiten. Insgesamt also seit fast 25 Jahren.“
Die Zahl psychisch Erkrankter nimmt stetig zu. Auf einen nationalen Zuwachs der seelischen Beschwerden weist das Robert-Koch-Institut (RKI) hin, eine internationale Steigerung verzeichnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Weswegen die registrierten Fälle ansteigen, kann niemand so ganz genau sagen. Die Einen glauben, es gebe nun ein erhöhtes Bewusstsein für psychische Gesundheit, wodurch die Diagnosen für psychische Erkrankungen steigen. Andere vermuten, viele Menschen fühlen sich wegen der schnelllebigen und globalisierten Gesellschaft unter Druck. Wieder andere sehen eine Kombination aus vielen Faktoren ursächlich für den Boom bei Psychologen.
Doch auch wenn die Ursachenforschung hinkt, gibt es seit vielen Jahren unterschiedliche Erst- und Folgeangebote zur Hilfe für Betroffene. Verschiedene Therapieformen, Selbsthilfegruppen und – falls die ambulante Unterstützung nicht ausreicht – klinische Aufenthaltsangebote. Die Tagesstätte für seelische Gesundheit des Caritasverbands in der Mannheimer Straße 87 lässt sich nur schwer in eine der Schubladen schieben.
Für wen ist die Tagesstätte in Schwetzingen geeignet?
„Unsere Tagesstätte ist eine Anlaufstelle für erwachsene Menschen mit psychischer Erkrankung, die sich Unterstützung bei der Tagesgestaltung wünschen und die in einem geschützten Rahmen wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen“, erklärt Katrin Dolle. „Wir bieten Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und haben zum Beispiel hauswirtschaftliches oder Sozialkompetenz-Training, aber auch Spielenachmittage, verschiedene Kreativangebote, die Musikgruppe und gemeinsame Aktivitäten im Freien auf dem Programm.“ Menschen mit psychischer Erkrankung können die Tagesstätte während der Öffnungszeiten unverbindlich und ohne vorherige Anmeldung besuchen und kostenfrei an den Aktivitäten teilnehmen. „Bei uns ist jeder Mensch, der eine psychische Erkrankung hat, willkommen“, betont Dolle. Der Klient brauche dafür keine Bestätigung der Diagnose und müsse auch keinen vorangegangen Klinikaufenthalt oder eine etwaige Therapie vorweisen. „Wir möchten ja gerade ein niedrigschwelliges Angebot sein“, begründet Geiß. Meist seien die Besucher im psychiatrischen Spektrum schon seit vielen Jahren vernetzt und über andere Angebote auf die Tagesstätte gestoßen. Eine Einschränkung macht die Referatsleiterin doch noch: „Wenn eine Suchterkrankung noch aktiv im Vordergrund steht, ist eine Teilnahme an den Angeboten in der Tagesstätte nicht zielführend.“
Wie unterscheidet sich die Tages-stätte von einer Tagesklinik?
Die Tagesstätte ist für viele Menschen eine Anlaufstelle nach dem Besuch einer Tagesklinik. „Dort kommen die Menschen aus einer klaren Struktur. Nach einem Klinikaufenthalt kommen viele zu uns in die Tagesstätte, um nicht alleine und überfordert zu sein. Psychisch Erkrankten fällt es oft schwer, eine klare Struktur in den Alltag zu bringen Wir versuchen das aufzufangen“, erklärt Katrin Dolle. Außerdem brauche es kein Aufnahmeprozedere, der Klient müsse keinen Bescheid vorlegen, nichtmal ein vorheriger Anruf sei verpflichtend. „Obwohl es natürlich für die Planung schön ist, wenn sich der Suchende vorher kurz anmeldet“, fügt Geiß hinzu.
Gibt es Therapieangebote bei der Tagesstätte?
Nein, zwar gebe es eine Art Wochenplan, von Therapien grenze sich der Inhalt aber klar ab, so Dolle: „Wir machen sozialpädagogische Angebote, meist in der Gruppe.“ Dort achte das Team darauf, auf die Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen. „Je nachdem, welche Punkte die Klienten beschäftigen, kann schon über die Erkrankung gesprochen werden. Es gibt aber auch Tage, da wird einfach nur gespielt“, erzählt Rebecca Geiß. Oft kennen sich die Teilnehmer schon seit Jahren, bringen Probleme mit ins Gespräch ein und unterstützen sich gegenseitig, so Dolle: „Da hat einer ein Problem und die Gemeinschaft hilft, es zu lösen. Alles ist ganz ungezwungen.“
Was ist das Ziel der Angebote der Tagesstätte?
„Zwar kann jeder zu jeder Zeit gehen, wir möchten aber trotzdem eine gewisse Verbindlichkeit einkehren lassen“, beginnt die Referatsleiterin. Ziel sei, die Klienten langfristig in ein soziales Netz zu betten und in der Schaffung einer Tagesstruktur zu unterstützen. Gerade dieses soziale Netz sei oft eine wertvolle Ergänzung zu den Freundschaften aus dem Alltag: „Die Klienten verstehen sich untereinander, können sich unterstützen und abfangen. Das verbindet.“
Werden Menschen manchmal auch abgewiesen?
Wenn ein Klient aggressiv ist oder die anderen triggere, müsse zum Schutz der anderen Besucher reagiert werden. „Die Person wird aber nicht abgewiesen, sondern an andere therapeutische Angebote verwiesen“, konkretisiert Rebecca Geiß. Ansonsten gebe es noch den Fall, dass sich der Zustand eines psychisch Erkrankten massiv verschlechtere: „Natürlich sprechen wir dann mit der Person und schicken sie zu einer Stelle, wo die Person intensivere Betreuung bekommen kann.“ Habe ein Klient aber nur einen schlechten Tag, könne er auch einfach das Einzelgespräch mit den Betreuern suchen oder sich in den Räumlichkeiten zurückziehen.
Wie viele Personen nutzen das Angebot?
Ungefähr 50 Personen seien momentan eingebunden. „Wir haben tägliche Angebote. Da sind wir pro Gruppe zwischen fünf und 15 Personen“, konkretisiert Geiß. Manche hätten ein Lieblingsangebot und kämen nur an einem bestimmten Tag. Andere eher unregelmäßig – wenn sie Zeit haben, wieder andere nahezu jeden Tag. Einige seien seit der Gründung regelmäßig dabei.
Wie ist die Altersstruktur bei der Einrichtung?
„Grundsätzlich können alle Menschen ab 18 Jahren das Angebot nutzen“, erklärt Dolle. Momentan seien die Jüngsten, die das Angebot regelmäßig nutzen, ungefähr 30 Jahre alt. „Wir freuen uns aber auch über jüngere Klienten. Die sind oft noch nicht so weit und müssen erst lernen, die Diagnose zu akzeptieren“, so Geiß.
Steigt die Nachfrage nach diesem Angebot?
Während Corona sei die Nachfrage zunächst erstmal eingebrochen. „Wir sind jetzt noch nicht auf dem Stand vor der Pandemie“, bedauert Geiß. Vom Anstieg psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft, sei in der Tagesstätte bisher nichts spürbar. „Das hören wir aber von den Kollegen bei anderen Einrichtungen. Wir sind mehr das Zweit- oder Drittangebot. Ich vermute, dass unsere Zahlen in wenigen Jahren auch steigen werden“, glaubt Dolle.
Warum ist es wichtig, die Tagesstätte zu thematisieren?
„Eine psychische Erkrankung sieht man dem Menschen nicht unbedingt an“, gibt Dolle zu bedenken. Deshalb brauche es Öffentlichkeitsarbeit, um die Gesellschaft zu sensibilisieren und Brücken zu bauen. „Seelisch Erkrankte haben im Alltag oft sehr große Schwierigkeiten. Hier haben wir ein offenes Angebot, wo sich die Menschen das holen, was sie brauchen“, sagt Geiß. Sie weiß: „Tagesstruktur und Stabilität tut jedem gut.“
Kann man sich für die Einrichtung ehrenamtlich engagieren?
Ja, die Tagesstätte freut sich über ehrenamtliche Helfer, die Verbindlichkeit und Empathie mitbringen und unsere hauptamtlichen Mitarbeiter bei den Angeboten unterstützen.
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