Schwetzingen. Das Thema brennt. Seit fast drei Jahren tobt ein verheerender Krieg in der Ukraine und die Fragezeichen rund um den weiteren Verlauf werden mehr. In den USA wird Trump Präsident und sein Vorgehen in diesem Konflikt ist bis dato offen. Im zweitwichtigsten Unterstützerland ist gerade die Regierung zusammengebrochen und die Stimmen mehren sich, dass dieser Krieg ein Ende finden müsse.
In genau dieser Gemengelage lud der hiesige Lions-Club den General außer Dienst, Erhard Bühler, nach Schwetzingen ein. Der Mann, der die Regierung berät und mit seinem Podcast „Was tun, Herr General“ zu den Top Fünf gehört, wies im Franz-Danzi-Saal auf eine Welt hin, die mit einfachen und schnellen Antworten nicht mehr zu fassen ist. Die Welt, so der General, der sich vor seinem Vortrag etwas Zeit für ein Gespräch mit der Schwetzinger Zeitung nahm, sei kompliziert und einfache Antworten machten sie am Ende noch komplexer.
Auswirkungen von Trump-Wahl auf Ukrainekrieg unklar, meint Bühler in Schwetzingen
Derzeit scheinen ja Kassandra-Rufe zu überwiegen. Vor allem die Wahl Trumps zum amerikanischen Präsidenten wird hier als Vorzeichen ausgelegt, dass Putin profitieren wird. Für Bühler ist das noch nicht ausgemacht. Aus den USA kämen gerade sehr unterschiedliche Signale. Marco Rubio, der designierte Außenminister, wolle beispielsweise einen Frieden, aber mit einer Ukraine, die auf Augenhöhe mit Russland verhandelt. Und dann käme es auch auf Europa an. Klar könne Europa die USA nicht ersetzen. Aber, dass die EU dem Aggressor Russland gar nichts entgegenzusetzen habe, sei nicht richtig. Eine Illusion sei es, zu glauben, dass ein schneller Frieden auch nur irgendetwas mit einer nachhaltigen Lösung zu tun habe.
Sowohl für die Ukraine als auch Europa sei ein solcher Frieden, der klar zu Lasten der Ukraine gehe, gefährlich. Erstens wisse man, dass eingefrorene Konflikte meist zu einer Militarisierung der Gesellschaft inklusive massiver Aufrüstung auf beiden Seiten führen. Und in einem Fall, wo die Ukraine mehr als 20 Prozent der Landesfläche verlieren würde, stiegen die Flüchtlingszahlen. Bühler ist sich sicher, dass das Europa überfordern würde. Nur zum Vergleich, im Zweiten Weltkrieg verzeichnete Europa rund 14 Millionen Flüchtlinge. Hier und heute könnten es gut 15 bis 25 Millionen werden. Ein Diktatfrieden über die Köpfe der Ukrainer hinweg – das würde für die Welt auf alle Fälle teuer werden.
Erhard Bühler in Schwetzingen: Putins stetige Eskalation stoppen
Deshalb dürfe auch die andauernde Eskalation Putins – nichts anderes sei etwa der Einsatz nordkoreanischer Truppen in der Ukraine – nicht unbeantwortet bleiben. Dabei gehe es gar nicht um die Mannstärke. Die 10 000 Soldaten aus Nordkorea könnten in diesem Krieg keine Wende herbeiführen. Nach ukrainischen Zahlen, die laut Bühler belastbar sind, seien in den knapp drei Jahren an die 700 000 russische Soldaten ums Leben gekommen. Derzeit seien es wohl 2000 pro Tag. Man könne die aus Pjöngjang entsandten Truppen auch als Hinweis auf russischen Personalprobleme lesen.
Auf die Frage, wie es weitergehen könnte, verwies Bühler zuerst auf eine verpasste Gelegenheit. Anfangs des Jahres habe es der Westen versäumt die Ukraine in die Lage zu versetzen ihr Momentum zu nutzen. Die Frühjahrsoffensive wurde in seinen Augen aus dem Westen mit nicht genug Waffen unterfüttert: „Es hätte einen Unterschied gemacht.“ Aus militärischer Sicht wirke sich auch die Begrenzung von weitreichenden Waffen negativ aus. Es gebe in einem Gürtel von 250 bis 300 Kilometern entlang der ukrainischen Grenze im Landesinneren 200 bis 250 für den Krieg wichtige militärische Einrichtungen. Wenn es gelänge, diese Logistikstrukturen zu zerstören, auch mit Taurus-Raketen aus Deutschland, könne dem russischen Angriffskrieg die Basis genommen werden. „Sie wären gezwungen, ihre Kräfte zurückzunehmen.“
Atomwaffen im Ukrainekrieg? Das sagt Experte Bühler in Schwetzingen
Dem gerade in Deutschland wirkmächtigen Narrativ, dass das die Gefahr für einen Einsatz von Atomwaffen erhöhe, glaubt Bühler nicht. Zum einen hätten die Chinesen Putin sehr klar signalisiert, dass sie kein Interesse daran haben, ihre politisch so wichtige Waffe zu einer realen Waffe werden zu lassen. Und zum anderen könne der russische Präsident der eigenen Bevölkerung den Einsatz von Atombomben auf, wie er immer sagt, russischem Boden nur schwer vermitteln. Für Bühler ist übrigens schwer zu verstehen, warum ausgerechnet in Deutschland, und zwar nur hier, diese Drohungen auf so fruchtbaren Boden fallen.
An den aus den USA kommenden Friedensideen kann Bühler nur wenig Substanz erkennen. Allein das Thema Schutztruppen an der dann neuen Grenze zwischen der Ukraine und Russland sei hochkomplex. Wer könnte das machen? Die NATO, aus russischer Sicht so schwer vorstellbar wie amerikanische Soldaten. Die Chinesen werden es wohl kaum machen wollen – und auch sonst fehle ihm die Fantasie, sich vorzustellen, wer das übernehmen könne. Und die Vorstellung, die Ukraine in kein Militärbündnis aufzunehmen, dafür aber für eine massive Aufrüstung zu sorgen. Das wäre der Keim für den nächsten und wahrscheinlich noch verheerenderen Krieg.
Einfache und plakative Antworten, so schön sie klingen, Bühlers Ansicht nach werden diesen Konflikt zu keinem Ende führen. Erst wenn Putin davon überzeugt ist, dass es keinen Sinn mehr macht, könne sich eine Tür für einen gerechten Frieden öffnen. Einen Frieden, den auch die Ukrainer akzeptieren können. Letzteres, so Bühler, sei die Bedingung für einen echten Friedenschluss, der dann auch die Chance auf eine kooperative Zukunft erhöhen könnte.
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