Schwetzingen. Die 1980er Jahre waren nicht nur das Jahrzehnt der schrillen Moden und verlorenen WM-Endspiele, sie waren auch verdammt gefährlich, was die globale Sicherheitspolitik angeht. Wer da gut durchgekommen ist, den erschüttert nichts mehr so schnell. Das müssen die Macher des 80er-Jahre-Specials von „Pop und Poesie“ gewusst haben, als sie der prekären Wetterlage zum Trotz Lieder in die Setliste aufnehmen, in denen Regen förmlich heraufbeschworen wird – und der sich auch nicht lange bitten lässt. Doch alles geht gut im Schwetzinger Schlossgarten: Der Launepegel beim SWR1-Gastspiel bleibt konstant in Bereichen, in denen das Barometer gefühlt seit Ewigkeiten nicht mehr war. Und das auf der Bühne genau so wie unter den 1800 Zuhörern davor.
Eine ganze Dekade in eine Zwei-Stunden-Show plus Zugaben zu packen, eröffnet grenzenlose Auswahlmöglichkeiten. Die haben Tastentausendsassa und Mastermind Peter Grabinger und sein Team gut genutzt, wenn die Publikumsreaktionen als Maßstab gelten: Jeder Song wird bejubelt, jede Aufforderung zum Mitmachen leidenschaftlich befolgt.
Vom rockigen Van Halen bis zum Klassiker "Purple Rain" von Prince
Was das Format „Pop und Poesie“ so sympathisch macht: Hier sind Vollprofis am Werk, die die Stücke in den Mittelpunkt stellen und nicht ihre Künstlerpersönlichkeit. Wenn sich Leadgitarrist Klaus-Peter Schöpfer mal bei einem Solo in Pose wirft, dann immer mit einem Augenzwinkern. Was er drauf hat, zeigen seine Beiträge etwa bei Van Halens „Jump“ oder dem finalen „Purple Rain“ (in dem zum Glück doch keiner walken muss).
Belehrungsansprüche belasten das 16-Song-Programm nicht, trotzdem dürften die szenischen Übersetzungen der versierten Schauspielerin und Sängerin Simone von Racknitz-Luick und des eloquenten Moderators Corvin Tondera-Klein, der für den nach einer Sportverletzung ausgefallenen Jochen Stöckle eingesprungen ist, bei den meisten Gästen zumindest in Details für Offenbarungen gesorgt haben. Wer wusste denn schon, dass Bon Jovis breitbeinige Hymne „Livin’ on a prayer“ ein Hoffnung spendendes klassenkämpferisches Hafenarbeiterepos ist?
Na ja, vielleicht doch die meisten der 1800 überwiegend Ü50er, denn die lösen auch das kleine „Erkennen Sie die Melodie?“-Quiz zu den Titelmelodien beliebte TV-Serien bis ins kleinste Detail. Was Corvin Tondera-Klein auch an Zusatzfragen stellt, die richtige Antwort kommt postwendend – sei es nach den Namen der beiden Dobermänner von Higgins in „Magnum“ („Zeus“ und „Apollo“) oder der des Katers, den Melmak-Besucher Alf so gerne verspeisen würde („Lucky“). Jede richtige Lösung wird mit großem Hallo gefeiert, auch die Identifikation von Zivi Mischa aus der „Schwarzwaldklinik“.
Die Musikkassette als Ikone der Aufzeichnungstechnik der 1980er Jahre steht als Aufsteller auf der Bühne, zum Auftakt des Programms erfolgt die Durchsage, dass Aufnahmen nur auf Originalequipment aus der Zeit gestattet seien – man lächelt und hält unbeschwert das Ereignis weiter mit dem Smartphone fest.
Monty-Python-Klassiker schmuggelt sich ins Programm
Schließlich ist die Menge andererseits auch äußerst kooperativ: Beim Monty-Python-Klassiker „Always look on the bright side of life“, den das Team aus dem Jahr 1979 ins Programm herübergeschmuggelt hat, pfeift sie mit, von Peter Grabinger lässt sie sich wie ein Synthesizer lautmalerisch hoch- und runterregeln und bei Trios „Da Da Da“ folgt sie den Gesangskommandos von Corvin Tondera-Klein, dem nie anzumerken ist, dass er nicht zur Stammbesetzung von „Pop und Poesie“ gehört.
Bei allem unprätentiösen Unterhaltungswert der 80er-Show kommt das Hörvergnügen nie zu kurz. Das beginnt beim Versuch, aus den ersten Zeilen der deutschen Übersetzung den Song zu erkennen und entfaltet sich, wenn diese nahtlos in die Musik übergeht. Bravourös gelingt das bei Melissa Etheridges „Like the way I do“. Simone von Racknitz-Luick verzehrt sich in zurückgewiesener Liebe, reiht Fragen und Vorwürfe immer verzweifelter aneinander, dann setzt Patrick Würfels akustische Gitarre mit dem prägnanten Riff ein und reißt das Auditorium in den Sog der Emotionen hinein – großes popmusikalisches Gefühlskino.
In die fröhlich-entspannte Atmosphäre passt der Auftritt von Lokalmatador Dominik Steegmüller, der beim Heimspiel keinen Anspruch erhebt, im Mittelpunkt zu stehen und mehr Gesangspart der bestens aufgelegten Britta Medeiros überlässt. An diesem Abend stimmt einfach alles – auch der exzellente Sound.
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