Schwetzingen. Der 35-jährige Schwetzinger, der im August und September vergangenen Jahres im Hirschacker Diebstähle und Raubüberfälle begangen hat, wird in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Das ordnete die Strafkammer des Landgerichts Mannheim unter der Vorsitzenden Richterin Bettina Krenz am Donnerstag an.
Der damals obdachlose Beschuldigte sei bei den Taten in der Tankstelle in der Zündholzstraße im Zustand der Schuldunfähigkeit gewesen, so die Begründung der Entscheidung. Am zweiten Verhandlungstag hörte das Gericht mehrere Polizeibeamte, die Angaben machten zu den Zeugenaussagen der Geschädigten und zu den Videoaufnahmen der Überfälle. Der Mann habe Zigaretten und Süßigkeiten gestohlen sowie unter Vorhalt eines Messers von den Kassiererinnen Bargeld erbeutet. Der 35-Jährige sei auch schon länger in der Drogenszene bekannt gewesen.
Ein Kriminalbeamter berichtete von der Suche nach ihm. Die Fahndung mit einem Hubschrauber nach der letzten Tat habe nicht zum Erfolg geführt. Ein Polizist des Reviers Schwetzingen hatte ihn auf Videoaufnahmen erkannt. In den Tagen danach hatten die Fahnder die Tankstelle observiert und das Gelände der Kilbourne-Kaserne sowie eine Gartenanlage bei Rheinau durchsucht. Die Überprüfung einer Pension im Hirschacker und eines Hotels im Stadtzentrum hatten keine Ergebnisse gebracht. Der Beschuldigte war schließlich am 5. Oktober im ICE von Köln beim Schwarzfahren erwischt und von Bundespolizisten am Flughafen Frankfurt festgenommen worden.
Psychische Störung bestimmt das Urteil: Schuldunfähigkeit festgestellt
Die Kammer nahm Kenntnis von einem Vorfall in der Justizvollzugsanstalt Mannheim, wonach der Beschuldigte im Dezember dort einen Haftraum verwüstet hatte und erst nach massivster Gegenwehr von den Bediensteten fixiert werden konnte. Gutachter Joachim Schramm attestierte dem 35-Jährigen eine anhaltende Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Die Entwicklung sei schwer zu datieren. Er habe sich verfolgt gefühlt und irgendwann selbst seinen Angehörigen nicht mehr getraut. Er sei berufen von Gott, die Welt zu retten, seine Familie sei verflucht.
Eine sachgerechte Behandlung habe nicht gegriffen. Die krankhafte seelische Störung sei noch durch stimulierende Drogen begünstigt worden. Bei den Taten sei die Steuerungsfähigkeit mindestens eingeschränkt, wenn nicht sogar aufgehoben gewesen, seine Einsichtsfähigkeit dagegen nicht. Das Krankheitsgeschehen habe eine Dynamik entfaltet: „Es ist eine Störung von Dauer.“ Der Realitätsbezug sei bei ihm „stark erschüttert“, von ihm gehe eine „beträchtliche Gefahr“ aus. Aus psychiatrischer Sicht brauche es eine kontinuierliche Behandlung, so der Facharzt.
Schuldunfähigkeit und Drogenkonsum: Die komplexe Lage des Angeklagten
Erste Staatsanwältin Sandra Utt sah nur die Möglichkeit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Hauptverhandlung habe das Geständnis des Mannes bestätigt. Da er die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe, könne er nicht dafür bestraft werden. Die Voraussetzungen des Maßregelvollzugs lägen vor.
Verteidiger Hans Auffenberg wandte sich an die Schöffen und sprach von „schweren Vorschriften“ beim Paragraf 20 (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen) und Paragraf 21 (Verminderte Schuldfähigkeit) des Strafgesetzbuchs. Die mündeten in den Paragrafen 63 (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus).
Bei seinem Mandanten liege zweifellos eine Krankheit vor, die Behandlungsprognose sei aber gut. Der gebürtige Türke habe vorher ein bürgerliches, unauffälliges Leben geführt, jetzt müsse er in einen geschützten Raum kommen, beantragte der Anwalt die Unterbringung.
Vom bürgerlichen Leben zur psychiatrischen Unterbringung: Der Weg des Angeklagten
Der Beschuldigte habe schon zu Jugendzeiten ein gewisses Aggressionspotenzial gehabt, als er einer 68-Jährigen in Plankstadt die Handtasche entrissen habe, meinte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. Die gescheiterte Ehe mit einer strenggläubigen Frau und die daraus resultierenden „religiösen Unstimmigkeiten“ hätten ihm „die Struktur genommen“. Er habe Halluzinationen und Ängste bekommen, sein Drogenkonsum habe damit aber nichts zu tun.
Schon vor den rechtswidrigen Taten sei es mit ihm „steil bergab gegangen“, bis hin zum Obdachlosendasein im Hirschackerwald. Die Diebstähle und die schwere räuberische Erpressung mit einem Messer seien im Zustand der aufgehobenen Steuerungsfähigkeit begangen worden. Die erheblichen Taten rechtfertigten den Maßregelvollzug, so die Vorsitzende.
Wenn er nicht behandelt werde, bleibe er „gefährlich für die Allgemeinheit“. Er habe Behandlungseinsicht, für eine Aussetzung zur Bewährung fehle ihm aber der „soziale Empfangsraum“. Die durchschnittliche Verweildauer in der Psychiatrie in Wiesloch beträgt fünf Jahre. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, die Kammer ordnete die Unterbringung an. Das Urteil ist rechtskräftig.
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