Schwetzingen. Als der zukünftige Bezirkskantor der evangelischen Kirchengemeinde Schwetzingen zur Welt kam, da leitete der scheidende die kirchenmusikalischen Geschicke bereits seit fast einem Jahrzehnt. Im März übergibt Detlev Helmer das Zepter nach 40 Dienstjahren endgültig an seinen Nachfolger Paul Hafner. Für den 31-Jährigen bedeutet der Jobwechsel nur ein paar Kilometer weiterzuziehen, denn Hafner ist aktuell noch als Organist in Oftersheim tätig. Wenn er seine neue Stelle antritt, hat er dann auch den Masterabschluss in Kirchenmusik in der Tasche.
Wir haben uns mit Paul Hafner über seine neue Anstellung und die großen Fußstapfen seines Vorgängers unterhalten. Außerdem nimmt der Organist uns mit auf seine musikalische Laufbahn und erzählt, wie er kurz vor dem Abschluss seines Bachelorstudiums doch noch einen anderen Berufsweg einschlug.
Welche Aufgaben gehören eigentlich zum Amt eines Bezirkskantors?
Paul Hafner: Als Kantor ist man verantwortlich für das gesamte kirchenmusikalische Leben der Gemeinde. Dazu gehört natürlich das sonntägliche Orgelspiel im Gottesdienst, aber auch alle Gruppen, die in der Gemeinde kirchenmusikalisch aktiv sind. In Schwetzingen sind das derzeit der Kirchenchor, das Vokalensemble, der Gospelchor, der Posaunenchor Oftersheim/Schwetzingen und der Bezirkschor „Cappella vocale“, der in Kooperation mit den Nachbarregionen projektweise arbeitet. Zusätzlich ist geplant, einen Kinderchor aufzubauen. Darüber hinaus ist man für die Belange der Kirche im Bezirk auf organisatorischer Basis zuständig. Darunter fallen Sitzungen, Arbeit mit Nebenamtlichen oder etwa Konfliktvermittlung, wenn es im Bezirk zu Problemen innerhalb der Kirchenmusik kommt.
Zur Person: Paul Hafner
Paul Hafner wurde am 16. Mai 1992 in Neustadt an der Weinstraße geboren. Aufgewachsen ist er in Göcklingen bei Landau.
Nach dem Abitur an einem Gymnasium in Landau studierte Hafner Chemie an der Uni Heidelberg.
Kurz vor Ende des Bachelors schwenkte er dann doch auf das Studium der Kirchenmusik an einer Hochschule in Heidelberg um.
Seit September 2022 ist der 31-Jährige als Organist in Oftersheim tätig.
Die letzten Prüfungen des Kirchenmusikstudiums absolviert Hafner im Januar und Februar.
Ab März ist er der neue Bezirkskantor der evangelischen Kirchengemeinde Schwetzingen.
Der Kirchenmusiker ist ledig und wohnt in Heidelberg. nl
Und wie sieht Ihre Rolle im Tagesgeschäft aus?
Hafner: Die ganzen Ensembles stehen unter der musikalischen Leitung des Kantors. Ich leite also die wöchentlichen Proben. Dazu kommt die komplette Organisation: Programmgestaltung für Gottesdienst oder Konzert, die Besetzung der weiteren Beteiligten, zum Beispiel Orchester oder Gesangssolisten. Das gehört zur Vorplanung dazu und ist auch meine Aufgabe.
Detlev Helmer war 40 Jahre lang Bezirkskantor und hat große Fußstapfen hinterlassen. Verspüren Sie Druck oder wie gehen Sie mit der Situation um?
Hafner: Von Druck würde ich nicht sprechen, aber es ist ein Faktor, dass die Leute lange in den Gruppen unter seiner Leitung mitgewirkt haben, auch mitgealtert sind und den Einschnitt jetzt als Gelegenheit nutzen, sich aus den Ensembles zu verabschieden. Ich hoffe, das fällt nicht allzu groß aus. Generell habe ich mich in letzter Zeit schon mal bei den Ensembles vorgestellt und ich habe das Gefühl, die Leute sind motiviert, mit mir weiterzumachen. Ich hatte auch den Eindruck, dass sie Lust haben, mit mir etwas Neues zu machen. Ich denke, es ist für sie spannend, wenn ein junger frischer Mann direkt aus dem Studium kommt und einfach ein paar Dinge auf seine Weise gestalten wird.
Gibt es Aspekte, die Sie sich von Ihrem Vorgänger abgucken wollen?
Hafner: Die Ensembles sind nach meinem ersten Eindruck in einem sehr guten Zustand. Es stand für mich überhaupt nicht zur Debatte, die Leitung eines Ensembles abzugeben. Im Gospelchor beispielsweise sind 60 Leute. Das ist ein Zeichen, dass sehr gute Arbeit geleistet wurde. Auch der Posaunenchor ist seit der Zusammenlegung mit Oftersheim wieder gewachsen. Das zeigt: Wenn man sich gut um seine Ensembles kümmert, kommt auch ein guter Zuspruch aus der Gemeinde.
Den Kinderchor haben Sie schon angesprochen. Welche weiteren Ideen möchten Sie zukünftig umsetzen?
Hafner: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Kirche generell auf eine schwierige Zeit zusteuert – mit sinkenden Mitgliederzahlen, mit einer demografischen Verschiebung. Darin sehe ich für mich als Kirchenmusiker eine große Aufgabe und Chance, ein Zeichen zu setzen und dagegen zu arbeiten. Weil die Kirchenmusik neben der Diakonie einer der großen Bereiche ist, in dem Kirche sehr positiv öffentlichkeitswirksam auftritt. Zu der Problematik gehört auch dazu, dass in Schwetzingen ein Strukturprozess ansteht. Es wird in irgendeiner Form zu Zusammenschlüssen von Kirchengemeinden kommen müssen. Davon wird natürlich auch die Kirchenmusik betroffen sein. Gebäude etwa müssen aufgegeben werden. Darin sehe ich für die kommende Zeit eine große Aufgabe, Lösungen anzubieten, wie wir diesen Prozess als Kirchenmusik unterstützen können. Wie sich das genau gestaltet, wird man sehen, aber es darf auf keinen Fall an den Menschen und an den einzelnen Gemeinden vorbeigehen.
Sie sind seit September 2022 als Organist in Oftersheim tätig. Wie schauen Sie bis dato auf diese Zeit zurück?
Hafner: Zunächst war ich sehr glücklich, dort mit zwei Pfarrern zusammenarbeiten zu dürfen, die Ahnung von Kirchenmusik haben. Es gab immer einen guten Austausch bezüglich Gottesdienstgestaltung und Liedauswahl. Sie haben immer das Gespräch gesucht und wir hatten ein gutes Miteinander. Ich erinnere mich gerne zurück an den Gottesdienst mit Orgel und Trompete mit Herrn Kappenstein, beim Gemeindefest habe ich ein Kurzkonzert gespielt und danach eine Orgelführung angeboten. Außerdem waren die Krippenspiele an Weihnachten toll. 2022 habe ich es am Klavier begleitet und diesmal durfte ich das Ganze leiten.
Mit 31 Jahren sind Sie ein verhältnismäßig junger Kirchenmusiker. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das beruflich zu machen?
Hafner: Ich habe in der zweiten Klasse angefangen, Klavierunterricht zu nehmen. Mein Klavierlehrer war nebenamtlicher Kirchenmusiker und hat mir später vorgeschlagen, doch mal die kirchenmusikalische C-Ausbildung zu absolvieren. Das ist die Ausbildung für Nebenamtliche. Die bestand damals aus Orgel- und Klavierunterricht und samstags haben theoretische Fächer wie Gehörbildung oder Musiktheorie stattgefunden. Das habe ich neben der Schule gemacht und etwa 2010 abgeschlossen. Während ich in dann in Heidelberg Chemie studiert habe, habe ich doch wieder Gefallen am Berufsbild des Kirchenmusikers gefunden. Also habe ich mich an der Aufnahmeprüfung versucht.
Aktuell befinden Sie sich im Masterstudium der Kirchenmusik – ein eher ungewöhnlicher Studiengang. Wie kann man sich die Inhalte vorstellen?
Hafner: Ich studiere an der Hochschule für Kirchenmusik, einer kleinen Hochschule in der Heidelberger Weststadt unter kirchlicher Trägerschaft. Ich schätze, dort gibt es etwa 40 bis 50 Studenten und fast alle davon studieren Kirchenmusik. Es ist also gar nicht so ein extremes Nischenfach wie man vielleicht denkt. Es gibt doch einige, die das machen – wenn auch nicht so viele, wie es der Bedarf an Kirchenmusikern in den nächsten Jahren verlangen wird. Grundsätzlich gibt es im Kirchenmusikstudium drei große Hauptfächer: Orgelliteraturspiel, Orgelimprovisation und Chorleitung. Das sind die Hauptarbeitsfelder eines Kirchenmusikers. Dazu kommen Gesangs- und Klavierunterricht, die sich durch das komplette Studium ziehen. Dann gibt es noch Fächer aus dem popularmusikalischen Bereich, Kinderchorleitung oder theologische Fächer, die man für einen begrenzten Zeitraum belegt. Theoretische Aspekte wie Gehörbildung und Musikgeschichte sind auch mit drinnen. Es ist ein sehr breites Studium. Zuletzt gibt es noch einen Wahlpflichtbereich. Dort hat man unter anderem die Möglichkeit, Instrumente komplett neu zu lernen. Ich habe zum Beispiel gelernt, Posaune und Schlagzeug zu spielen. Da ich bislang nichts mit der Arbeit in einem Posaunenchor am Hut hatte, das jetzt aber auf mich zukommt, war das sehr bereichernd.
Wenn Sie mal nicht musikalisch zugange sind, was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Hafner: In letzter Zeit hatte ich nur sehr wenig Freizeit. In meiner Heimat habe ich früher im Verein Tischtennis gespielt. Ich habe auf jeden Fall vor, hier in der Region einen Verein zu finden, bei dem ich das wieder aufnehmen kann. Größere Radtouren habe ich auch immer gerne gemacht – auch mehrtägig mit dreistelligen Kilometerzahlen mit Freunden gemeinsam. Ansonsten mache ich auch in meiner Freizeit viel Musik. Ich singe noch in einem Vokalensemble namens „Camerata Neapolitana“ und habe lange in der evangelischen Jugendkantorei der Pfalz gesungen. Das ist ein Projektchor, aus dem etliche kommen, die im Anschluss Kirchenmusik studieren. Es ist sozusagen die pfälzische Kaderschmiede für Kirchenmusiker.
Das neue Jahr hat gerade begonnen. Wie sehen Ihre Vorsätze aus?
Hafner: Im Moment liegt mein Fokus darauf, mein Studium gut zu beenden und meine neue Stelle als Bezirkskantor im Anschluss gut zu beginnen. Für mehr Vorsätze habe ich momentan gar keinen Platz.
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