Speyer/Hockenheim/Schwetzingen. Wer dem neuen Vorstandsvorsitzenden der VR Bank Kur- und Rheinplatz Till Meßmer lediglich ein „Weiter so“ zutraute, hat sich getäuscht. In der Zeit, in der sonst ein Kind im Bauch der Mutter zur Geburtsreife heranwächst, hat die neue Führungsmannschaft die zweite Ebene gestärkt und mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus allen Hierarchieebenen einen Strategieprozess aufgelegt, der sich sehen lassen kann. Bei der Bilanzpressekonferenz am Freitagmittag stellte der Schwetzinger Vorstandschef und seine beiden Kollegen Thomas Sold und Achim Seiler den neuen Leitspruch vor: „Zusammen möglich machen.“
Bei einer großen Mitarbeiterkonferenz in der Hockenheimer Stadthalle stellten die Vorstände die neuen Leitlinien vor, appellierten an die gut 600 der insgesamt 700 anwesenden Mitarbeiter, sie mit Leben zu füllen und ein wenig wurde dann auch noch das 160-jährige Bestehen der VR Bank mit Sitz in Speyer gefeiert. Dort war 1864 der Speyerer Vorschussverein gegründet worden und daraus erwuchs dann schon bis zur Jahrhundertwende die größte pfälzische Kreditgenossenschaft. Heute ist aus dem Steckling die größte Genossenschaftsbank der Pfalz und die zweitgrößte im Bundesland geworden.
Aber nochmals zurück zur Strategie. Klar ist, dass das heutige Bankmodell sicherlich in den nächsten zehn Jahren noch auskömmlich ist, aber für eine langfristige Entwicklung muss es gelingen, junges Klientel zu erschließen – auch über Social Media und junge Mitarbeiter, die den Wandel verkörpern sollen. „Wer die App hat, hat den Kunden“, sagt Till Meßmer.
Zu den Leitzielen gehören demnach, dass man zum einen bei den Kunden erster Ansprechpartner in der Region sein will. Wichtig ist dem Vorstandstrio auch, dass Mitarbeiter wertschätzend behandelt werden und sie selbst wertschätzend den Kunden gegenüber sind. Die VR Bank will aber zusätzlich zeigen, dass sie Mut zu Veränderungen hat, sich auf gesellschaftlichen Wandel einlässt, sich regional und nachhaltig engagiert.
Aufbruchstimmung erzeugen
Und die Marke soll attraktiv aufgeladen werden. „Ich spüre seit dem Mitarbeitertreffen in Hockenheim eine Art Aufbruchstimmung. Die wollen wir nun auch in die Öffentlichkeit transportieren. Dazu gehören künftig auch Kundenbefragungen und eine stärkere Präsenz“, sagt Till Meßmer unserer Zeitung beim Pressegespräch. Im Fokus soll dabei das neue VR-Bank Forum in Speyer stehen, das ja im Obergeschoss des neuen Verwaltungstraktes entstanden ist und die ersten Feuertaufen bestanden hat.
Aber bei einer Bilanzpressekonferenz stehen natürlich die Zahlen im Vordergrund. Till Meßmer spricht von 2023 als einem „zufriedenstellend in Teilen guten Geschäftsjahr“. Geprägt von den Leitzinserhöhungen der EZB von 3 auf 4,5 Prozent und einer hohen Inflation von 5,9 Prozent im Jahresdurchschnitt sei die Marktlage alles andere als gut gewesen.
Blick in die Zahlen
Die VR Bank hat 179 461 Kunden, davon sind 24 469 Geschäftsleute. Die Mitgliederzahl liegt bei der Genossenschaftsbank bei 72 797, da streben die Vorstände eine Erhöhung an – mit Vorteilsprogrammen.
400 Vollzeit- und 265 Teilzeitkräfte arbeiten für die VR Bank, 33 junge Leute machen ihre Ausbildung.
In den VR Premium Fonds, die sich nach dem Risiko abbilden, liegen insgesamt 444 Millionen Euro. Neu ist im Portfolio ein Anleihenfonds (Securitas), der gleich in den ersten Monaten mit 43 Millionen Euro belegt wurde.
Das Geld wechselt von Immobilien („Betongold“) in die Wertpapiere. Allein 2023 gab es 2522 neue Depots und 3462 neue Sparpläne. In die jetzt insgesamt 22 000 Sparpläne fließen jährlich 41 Millionen Euro. Damit schaffen Kunden, die nicht an der Börse aktiv sind, den Einstieg in die Wertpapieranlage. jüg
Digitalisierung, kriegerische Konflikte, die Haushaltskrise des Bundes, in der dann plötzlich Förderungen von einem auf den anderen Tag gekappt werden, sorgten für Skepsis bei Anlegern und in der Wirtschaft. „Die Nachfrage bei den Verbrauchern rauschte in den Keller, vor allem das Kredit- und Immobiliengeschäft hat darunter gelitten“, erläutert Meßmer. Zwar seien die Preise vor allem bei Gebrauchtimmobilien um gut 6 Prozent gesunken, aber die Bauzinsen stünden zeitweise bei über 4 Prozent, sodass viele Privatleute Bauvorhaben zurückgestellt hätten und gewerbliche Investoren genehmigte Vorhaben gar nicht erst begonnen hätten, ergänzte Achim Seiler die Aussagen. Zwar spüre man derzeit ein wenig Auftrieb durch städtische Wohnungsgesellschaften beim sozialen Wohnungsbau, aber die Vorstände der VR Bank sehen dringenden Bedarf, dass die Bundesregierung für private Bauherren Anreize schafft, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.
Achim Seiler gibt dann einige Zahlen preis. Das Neukreditgeschäft – bisher das beste Pferd im Stall der VR Bank – brach von 1,135 Milliarden Euro auf 711 Millionen ein. Statt 3282 Neuanträgen in 2022 wurden jetzt nur noch 2148 gestellt – ein Rückgang um 37,3 Prozent.
Aber was machen die Leute dann mit ihrem Geld, das ja insgesamt nicht weniger geworden ist. Man investiert in Wertpapiere. Und da ist sogar der „alte Hut“ festverzinsliche Anleihe plötzlich wieder ein Renner. Achim Seiler scherzt: „Unsere jüngeren Berater mussten wir erst mal schulen, was das ist und was sie dabei beachten müssen.“ Lagen 2022 nur 30 Millionen Euro in diesen sehr sicheren Papieren, so sind es jetzt schon 104 Millionen. Auch die Termineinlagen haben von knapp 600 Millionen auf jetzt 1,45 Milliarden zugelegt. Und nach mehr als zehn Jahren Pause hat die VR Bank sogar wieder einmal einen eigenen Fonds für die Region aufgelegt, der erst im Dezember an den Markt ging und in den binnen einem Monat 13,2 Millionen Euro flossen. Stand heute liegt er schon bei satten 50 Millionen.
Geld an die EZB zurückgeführt
Noch ein paar Worte zu den Bilanzzahlen: Die VR Bank Kur- und Rheinpfalz kratzt beim Kundenwertvolumen mit 9,93 Milliarden Euro an der Zehn-Milliarden-Marke. Das Kreditvolumen wuchs durch die zahlreichen Altverträge noch ganz leicht um 0,5 Prozent auf 5,13 Milliarden, die Einlagen der Kunden von 4,5 auf 4,8 Milliarden um immerhin 6,2 Prozent. Erstmals in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelte sich die Bilanzsumme allerdings um 2,1 Prozent nach unten auf jetzt noch 6,72 Milliarden Euro.
Getrieben durch 500 Millionen Euro, die man sich billig von der EZV geliehen hatte, die man jetzt aber zurückgegeben hat, wo das Geld ja dort kräftig Zinsen kostet. Alles in allem dürfte also der Vertreterversammlung im zweiten Quartal dann doch eine positive Bilanz vorgelegt werden können – denn beim Geschäftsergebnis liege man vermutlich wieder bei etwa 9,5 Millionen Euro – Rücklagen und Höhe der Dividende werde man erst mit dem Aufsichtsrat erörtern, sagt Till Meßmer.
Immer mehr Stiftungen
Interessant ist auch, dass es Dinge gibt, die eine Weile völlig out sind, die dann aber eine Art Renaissance erleben. So zum Beispiel die Lebensversicherung mit zusätzlicher Rentenabsicherung. Verträge im Wet von 51 Millionen Euro wurden 2023 abgeschlossen, 28 Prozent Steigerung. Und Bausparverträge im Wert von 133 Millionen Euro – ein Plus von 16,8 Prozent. Gesunken ist die Zahl der vermittelten Immobilienobjekte aus den zuvor beschriebenen Gründen von 184 auf jetzt 139 Häuser und Wohnungen. Beim Kauf zur Eigennutzung sehe man hier aber eine positive Wende als möglich an, meint Achim Seiler. Und noch einen Trend bedient die VR Bank zunehmend. Es werden immer mehr Stiftungen gegründet. „Auch kleinere, wenn eine alleinstehende Frau 100 000 Euro auf der hohen Kante hat und ein Häuschen, das 300 000 Euro wert ist, aber keine Erben da sind, dann kann sie so bestimmen, was daraus werden soll, wenn sie mal nicht mehr da ist“, sagt Seiler. Die VR Bank hat dafür speziell ausgebildete Experten. 4,8 Millionen Euro liegen derzeit so fest.
Gute Nachrichten hatte Thomas Sold zu vermelden. Er konnte nicht nur den im Zeitplan und im Investitionsvolumen gebliebenen Verwaltungsneubau vorstellen, sondern auch zusichern, dass 2024 keine neuen Filialschließungen geplant sind. Die VR Bank bleibe in der Fläche vor Ort und man werde auch künftig für die Bargeldversorgung der Menschen sorgen – obwohl die weiterhin große Zahl an Geldautomatensprengungen enorme Kosten für Sicherheitstechnik heraufbeschwöre.
Der geschätzte Schaden im Jahr 2023 lag im Land Rheinland-Pfalz bei geschätzten 8,8 Millionen Euro. Der Trend zum bargeldlosen Zahlungsverkehr und zu Online-Angeboten der Banh sei aber gleichzeitig ungebrochen. Neu habe man deshalb das Angebot Kundendialog Plus eingeführt. „Dort sitzen nun kompetente Berater wie in den Regionaldirektionen, die gezielte Auskunft in allen Bereichen geben können“, sagt Thomas Sold.
Neubau in Frankenthal kommt
Zuversichtlich ist er auch, dass in das Sorgenkind, das Neubauvorhaben in Frankenthal am Jahnplatz jetzt Bewegung kommt. Die Offenlegung des Bebauungsplans stehe unmittelbar bevor. Womöglich könne man nächstes Jahr mit dem Bau beginnen und 2026/27 fertig werden. Auch für Grünstadt ist eine zukunftsfähige Lösung in greifbarer Nähe. Es gehe dort um Sanierung oder Neubau am bestehenden Platz. Und die Filiale Heiligenstein ist nach der großen Überflutung in 2023 auch saniert und eröffnet am 10. April offiziell wieder für die VR-Bank-Kunden in der Gemeinde Römerberg.
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