Turnen

Altlußheimerin Elisabeth Seitz will gemeinsam mit ihrem Bruder zu Olympia in Paris

Der Traum der Turngeschwister aus Altlußheim lebt: Gabriel Eichhorn befindet sich durch seine Erfolge in den Spuren von Schwester Elisabeth Seitz. Bis Paris ist es für beide aber noch ein langer Weg.  

Von 
Jörg Runde
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Elisabeth Seitz – hier bei der deutschen Meisterschaft am Stufenbarren – möchte an den Olympischen Spielen teilnehmen. © Rolf Vennenbernd

Altlußheim. An diesem Nachmittag hat Gabriel Eichhorn endlich mal wieder Zeit für sich. Der Haushalt in seiner neuen Wohnung im Stuttgarter Stadtteil Untertürkheim will gemacht werden, auch einkaufen muss er noch und später etwas kochen. „Und ein bisschen chillen gehört natürlich auch dazu“, sagt der 18-Jährige. „Nur“ vier Stunden hat er am Morgen trainiert. An allen anderen Werktagen schuftet der Turner zweimal täglich je drei Stunden im zehn Gehminuten entfernten Olympiastützpunkt an seiner Form. „Samstags trainiere ich auch etwas weniger und sonntags habe ich frei“, sagt er und fügt an: „Von Training kann ich einfach nicht genug kriegen. Meine Trainer müssen mich da eher bremsen.“

Was für viele Menschen unvorstellbar scheint, ist für Eichhorn einfach nur der perfekte Alltag. Er lebt seinen Traum mit Leib und Seele. „Ich wollte schon immer Leistungsturner werden. Das genieße ich jetzt einfach.“ Eine Einstellung, die aufgrund seiner Geschichte verständlich ist.

Der Traum vom Leistungsturnen: Gabriel Eichhorns Weg zur Spitze

Es ist nämlich erst rund fünf Jahre her, da saß Eichhorn völlig frustriert zu Hause in Altlußheim und überlegte gemeinsam mit seiner Familie, wie es für ihn weitergehen sollte. Er stand damals wegen einer komplizierten Ellenbogenverletzung vor dem Ende seiner noch jungen Karriere als Turner. Durch einen schwierigen operativen Eingriff konnte der Schaden zwar behoben werden, trotzdem machten ihm die Ärzte damals wenig Hoffnung auf sportliche Erfolge. Eichhorn, dem nicht nur seine Schwester Elisabeth Seitz einen eisernen Willen bescheinigt, ließ sich nicht beirren. Er kämpfte sich zurück in den Wettkampfsport.

Am Reck zeigt Gabriel Eichhorn bei den Bundeswettkämpfen sein Können – und gewinnt Silber. Er möchte ebenso wie seine Schwester nach Paris. © Rolf Vennenbernd

Neben zahlreichen Medaillen bei Junioren-Wettbewerben gelang Eichhorn in diesem Jahr bei den deutschen Meisterschaften im Juli in Düsseldorf mit dem zweiten Platz am Reck ein echter Paukenschlag. Über seinen Durchbruch in die nationale Spitze reibt er sich noch heute die Augen. „Damit habe ich nicht gerechnet. Da steckte ich mitten im Abitur“, sagt er.

Die Vizemeisterschaft an seinem Lieblingsgerät und dazu der erfolgreiche Schulabschluss bedeuteten für Eichhorn den Schritt in ein völlig neues Leben. „Plötzlich konnte ich meinen Fokus voll und ganz auf das richten, was ich am liebsten mache“, sagt er und wirkt dabei geradezu euphorisch. Die stressige Pendelei nach dem Unterricht an der Mannheimer Merkur Akademie nach Stuttgart in die Trainingshalle hatte endlich ein Ende.

Gabriel Eichhorn über Belastung: „Ich bin ja noch jung“

Zwar meckerte sein Körper anfangs über die gestiegene Belastung, er gewöhnte sich aber auch schnell daran. „Ich bin ja noch jung“, sagt Eichhorn und lacht verschmitzt.

Die körperlichen Leiden sollten sich schnell auszahlen. Dank seiner aktuellen Mehrkampf-Leistung von 79,300 Punkten ist Eichhorn mittlerweile ein ganz heißer Kandidat für den Perspektivkader des Deutschen Turner-Bundes. Soll heißen: Er gehört dann zu den Sportlern, denen eine Teilnahme an einer Europameisterschaft, einer Weltmeisterschaft oder Olympischen Spielen zugetraut wird. Dass Eichhorn mit gerade einmal 18 Jahren einer der jüngsten Athleten unter den deutschen Eliteturnern ist, bedeutet im Kampf um die Plätze in Wettbewerbskadern Vor- und Nachteil zugleich. Eichhorn, so sind sich seine Trainer einig, gehört die Zukunft. Doch geht es dabei schon um die nahe Zukunft? „Natürlich träume ich von Auftritten im Nationalkader. Aber ich sehe das ganz realistisch. Aktuell sind noch einige erfahrene Turner vor mir.“

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Er wolle 2024 versuchen, bei internationalen Events und Weltcups auf sich aufmerksam zu machen und den Rückstand auf die nationale Spitze verkürzen. „Ich mache einfach immer weiter und schaue, was dann rauskommt“, sagt er und ergänzt: „Verbessern kann ich mich an allen Geräten.“

Zunächst wartete Anfang des Jahres aber erst einmal die Grundausbildung bei der Bundeswehr. Die ist Voraussetzung, um als Soldat der Sportförderkompanie anzugehören. Ist der Schritt auch noch geschafft, ist er finanziell abgesichert und kann sich komplett auf den Schritt in die internationale Turnklasse vorbereiten. Dass sie Eichhorn diesen Gang auch beim Deutschen Turner-Bund zutrauen, dafür gibt es neben den Aussagen der Trainer auch andere deutliche Anzeichen. Auf Social Media nutzt der Verband Eichhorns Bild bei der Bewerbung des Ticketverkaufs für die Deutschen Finals dieses Jahr.

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Eichhorns Schwester Elisabeth Seitz war diese Ehre schon häufiger vergönnt. Die beste deutsche Turnerin der vergangenen Jahre kennt neben der Sonnenseite des Geschäfts aber auch die Schattenseiten sehr gut. Sie weiß, wie hart es ist, sich im Turnsport durchzusetzen. Verletzungen, Enttäuschungen, alles hat sie bereits erlebt. Aktuell arbeitet sie sich nach einem Achillessehnenriss im Olympiastützpunkt in Stuttgart zurück ins Leistungsturnen. Die 30-Jährige wohnt im gleichen Haus wie ihr Bruder, was dem natürlich ziemlich gut gefällt. „Es ist schön, dass sie bei mir in der Nähe ist. Sie hat so viel Erfahrung, davon kann ich nur profitieren.“ Und so besuchen sich die beiden regelmäßig gegenseitig, sitzen beim Essen zusammen und plaudern. „Natürlich geht es dabei fast immer ums Turnen“, sagt Eichhorn und fügt an: „Um was sonst?“

Zwischen Hoffnung und Realität: Die Olympischen Spiele 2024 im Blick

Auch das Thema Olympia kommt da zwangsläufig auf den Tisch. Insgeheim hatten die Turngeschwister einen gemeinsamen Auftritt in Paris ausgerechnet. „Elli ist trotz ihrer Verletzung sicherlich näher dran als ich“, sagt Eichhorn. Als eine der besten Turnerinnen Europas besitzt sie trotz der schweren Blessur gute Chancen, den deutschen Quotenplatz für die Olympischen Spiele zu ergattern. Sie fokussiere sich laut Eichhorn deshalb jetzt auch voll auf den Stufenbarren. Seit einigen Wochen trainiere Seitz wieder an ihrem Paradegerät. „Ich steigere das Pensum aber nur langsam“, sagt sie und fügt an: „Wichtig ist, beim Abgang vorsichtig und erst mal möglichst nur auf dem linken Fuß zu landen.“

Auch Gabriel Eichhorn will dieses Jahr vor allem an seinem Lieblingsgerät Reck angreifen, um den Olympiazug doch noch zu erreichen. „Bis August kann noch viel passieren. Der Traum lebt auf jeden Fall weiter.“

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