Mannheim. Heute wird es kurios: Eigentlich gibt es den Bau, von dessen Namen wir heute den zehnten Buchstaben zum Eintragen in den Lösungscoupon suchen, gar nicht mehr. Schon gar nicht mehr in seinem historischen Urzustand - und in seiner jetzigen Form auch nicht mehr in der ihm zugedachten Funktion, die bis heute Teil des Namens ist. Aber der Reihe nach.
Entstanden ist der Vorgängerbau gleichen Namens in den Jahren 1706 bis 1709 in den Quadraten. Kurios ist nicht nur, dass der Name des Architekten nicht bekannt ist. Auch die Form des Sakralbaus kann als ungewöhnlich gelten, hatte doch auch er - wie das Heidelberger Schloss - einen „dicken Turm“, der kaum höher war als das Gebäude selbst und somit aus dem damals gängigen Architekturrahmen fiel. Seine feste Trutzburg-Optik liefert dabei gleich zwei Hinweise: Zum einen auf die Nähe zu Militär und Garnison des jungen Mannheims, zum anderen auf die damals darin beheimatete Religionsgemeinschaft.
In den Jahren 1943-45 fiel der Bau wie so vieles in Mannheim dem Bombenhagel zum Opfer. Immerhin Reste der Ausstattung, etwa ein Abendmahlgemälde von Leonardo Siccardi und geschnitzte Evangelisten des Niederländers Peter van Douven, finden sich noch heute in den Reiß-Engelhorn-Museen.
Doch es ist auch ein Ort der Moderne. Nach dem Krieg verzichtete die Gemeinde in der Unterstadt nach sich hinziehenden Planungen auf einen neobarocken Wiederaufbau durch Christuskirchenerbauer Christian Schrade - zugunsten eines jungen, aus Ludwigshafen stammenden Architekten und seiner neuen, richtungsweisenden und mittlerweile vielfach ausgezeichneten Ästhetik. Der Baumeister hatte sich 1956 mit seinem ersten Büro in Mannheim niedergelassen, war Schüler des berühmten wie stilprägenden Egon Eiermann und gilt heute selbst als renommierte Legende.
Es bleibt kurios: Der sechseckige Hallenbau hat eine Skelettstruktur und ist fensterlos, obwohl die Wände selbst aus Glas sind. Der Turm ist übrigens wieder dick: Seit Jahren ist er eingerüstet, weil weder Eigentümer noch Denkmalschutz wissen, was damit anzufangen ist und wie eine Sanierung bezahlt werden soll. Höchst lebendig ist der Bau immer noch: Seit 2017 ist darin eine Kunst-Institution untergebracht, die Bewegung verspricht. Eine, die in Gebäuden dieser Art höchst ungewöhnlich ist …
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