Noch eineinhalb Jahre bis zur Bundestagswahl. Das klingt mit Blick auf die Ampel fast wie eine Drohung. Ein Sechser im Lotto ist aus heutiger Sicht wahrscheinlicher, als dass die Koalition bis dahin noch die Kurve kriegt. Ihr jämmerliches Bild kommt in diesen schwierigen Zeiten politischem Selbstmord auf Raten gleich.
SPD, Grüne und FDP agieren wie in einer Dreiecksbeziehung, in der sich niemand an die Abmachungen hält. Die SPD hat den Dauerzoff der zwei Partner lange Zeit nur mit einem Achselzucken hingenommen. Inzwischen schrillen auch bei ihr die Alarmglocken, je tiefer die Sozialdemokraten in den Umfragen fallen. Bei den Grünen und der FDP gönnt keiner der zwei Alphatiere dem anderen den Erfolg. Robert Habeck und Christian Lindner sind sich in gegenseitiger Abneigung verbunden. Im Prinzip schreit das nach einer Paartherapie, doch vielleicht ist es dafür inzwischen schon zu spät.
Die Deutschen nehmen das Trauerspiel in Berlin jedenfalls mit einem gewissen Fatalismus zur Kenntnis. Obwohl die Ampel im aktuellen Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen nur noch auf 33 Prozent kommt – dies schafft die Union fast alleine – rechnet die große Mehrheit damit, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode durchhält. Da mag auch eine Spur Gleichgültigkeit mitschwingen. Das Publikum geht offensichtlich davon aus, dass die Ampel schon weiß, wie sehr sie bei Neuwahlen unter die Räder kommen würde.
Die einzige Koalitionspartei, die gelegentlich den Eindruck vermittelt, als würde sie sich den Ausstieg aus der Ampel als Option offenlassen, ist die FDP. Sie agiert wie eine Opposition in der Regierung. Dass Finanzminister Lindner auf der einen Seite eisern an der Schuldenbremse festhält, gleichzeitig aber unverdrossen Steuersenkungen verlangt, für die er gar kein Geld hat, lässt an seiner Fachkompetenz zweifeln.
Mit Blick auf das Superwahljahr 2024 dürfte die Profilierungssucht in der Ampel größer werden. Und wenn die Ergebnisse schlecht ausfallen – alles andere wäre ein Wunder – dürften auch die Zentrifugalkräfte in der Koalition immer stärker und damit unberechenbarer werden.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Die Ampel begeht politischen Selbstmord auf Raten
SPD, Grüne und FDP verhalten sich wie in einer Dreiecksbeziehung, in der sich niemand an die Abmachungen hält. Vor allem die FDP agiert als eine Art Opposition in der Regierung, kritisiert Kommentator Walter Serif