Mannheim. Christian Lindner war mal der Posterboy der Liberalen, der die FDP nach ihrem tiefen Fall 2013 übernahm und als Parteivorsitzender für ihren Aufschwung sorgte. 2017 und 2021 schnitt sie in den Bundestagswahlen zweistellig ab. Und in der „Fortschrittskoalition“ - im Rückblick klingt der Begriff fast schon grotesk - wollte Lindner als Finanzminister das große Rad drehen.
Es ist bekanntlich anders gekommen. Lindners FDP lieg seit Jahresbeginn im Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen unter der Fünf-Prozent-Marke. Wenn schon am Sonntag wieder Bundestagswahl wäre, müsste die FDP wie schon 2009 wieder in die außerparlamentarische Opposition. Zurück auf Los sozusagen.
Politbarometer: Die FDP im Megatief
„Es sieht gegenwärtig jedenfalls nicht so aus, als würde die FDP aus ihrem Megatief wieder herauskommen“, sagt Andrea Wolf von der Forschungsgruppe. Der Streit in der Ampel wirkt sich in den Umfragen bei allen drei Partnern natürlich negativ aus. Verglichen mit dem Bundestagswahlergebnis von 2021 (11,5 Prozent) ist der Absturz der FDP besonders dramatisch. Sie hat sich mehr als halbiert.
Der krasse Abwärtstrend der Liberalen lässt sich auch an der Person Christian Lindner festmachen. In der Rangliste der zehn wichtigsten Politikerinnen und Politiker fällt er mit einem Imagewert von minus 1,3 auf der Skala von plus fünf bis minus fünf auf den vorletzten Platz. Das ist für Lindner ein neues persönliches Tief. Hinter ihm liegt nur noch Alice Weidel von der AfD, die mit einem Wert von minus 2,7 praktisch außer Konkurrenz das Schlusslicht bildet. Bemerkenswert ist aber, dass Lindners Popularität auch bei der FDP-Anhängerschaft gewaltig abgenommen hat. Er stürzt von einem sehr guten Wert von plus 2,6 auf plus 1,8 regelrecht ab. Keiner vom Spitzenpersonal schneidet in der eigenen Anhängerschaft so schlecht ab.
Die Unzufriedenheit der Deutschen mit den Ampel-Parteien führt Wahlforscherin Wolf vor allem auf die große Zerstrittenheit in der Koalition zurück. „Bei den Grünen und der FDP wirkt sich das besonders stark aus. Die FDP kritisiert viel. Sie funkt in ökonomischen Fragen eher auf einer Wellenlinie mit der Union. Deshalb lassen sich die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Koalitionspartner nicht auf einen Nenner bringen“, sagt Wolf.
Dass die FDP in der Regierung eher die Oppositionsrolle einnimmt, hat sich nach Wolfs Einschätzung auch bei den bisherigen Landtagswahlen nicht ausgezahlt. Dass sich dies bei der Europawahl im Juni und den drei Landtagswahlen im Osten ändert, hält Wolf für wenig wahrscheinlich. „Gerade bei der Europawahl verteilen die Deutschen gerne Denkzettel“, sagt sie. Der Frust der Menschen wird zusätzlich durch die Passivität von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Regierung geschürt, meint die Wahlforscherin.
Aber auch die trübe Wirtschaftslage treibt die Bürgerinnen und Bürger um. Sie schätzen diese so schlecht ein wie zuletzt in der Wirtschafts- und Eurokrise vor 14 Jahren. Auch mit Blick auf die Konjunkturaussichten überwiegt der Pessimismus. Wie schon in der Vergangenheit bewertet die Mehrheit - nämlich 53 Prozent - die eigene Finanzlage als gut. „Mitte 2021 waren es aber noch 70 Prozent“, sagt Wolf.
Weitere Themen im Politbarometer sind Sicherheit und Ukraine-Krieg
Sicherheitspolitik: Obwohl die Kassen leer sind, fordert eine gewachsene Mehrheit von 72 Prozent, dass die Bundeswehr mehr Geld bekommt - selbst wenn dadurch an anderer Stelle Einsparungen vorgenommen werden müssten. Dass sich Deutschland mit seinen europäischen Verbündeten notfalls auch ohne die USA selbst militärisch verteidigen kann, ist für eine überwältigende Mehrheit von 90 Prozent ein sehr wichtiges oder wichtiges Ziel.
Ukraine-Krieg: Deutlich lauter wird der Ruf nach mehr militärischer Unterstützung der Ukraine. Vor dem Hintergrund verschärfter russischer Angriffe sind nach 51 Prozent im Januar jetzt 62 Prozent der Deutschen dafür, dass die europäischen Staaten der Ukraine mehr Waffen und Munition liefern sollen. Gespalten sind die Wählerinnen und Wähler beim Thema Gebietsverzicht: 44 Prozent meinen, die Ukraine solle weiter für die Befreiung des von Russland besetzten Territoriums kämpfen. 43 Prozent raten zu einem Gebietsverzicht, wenn dadurch der Krieg beendet werden könnte.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Die Ampel begeht politischen Selbstmord auf Raten