Touristenverein

Naturfreunde in Lußheim: 100 Jahre Engagement für die Natur

Die Naturfreunde Ortsgruppe Lußheim feiert ihr 100-jähriges Bestehen und setzt sich für Umweltschutz, sanften Tourismus und gesellschaftliches Engagement ein, indem sie Menschen den Zugang zur Natur ermöglicht und ein aktives Vereinsleben pflegt.

Von 
Andreas Wühler
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Der harte Kern der Naturfreunde Lußheim im Jubiläumsjahr mit Vorsitzendem Dietmar Bauer (Sechster v.l.). © Natufreunde

Altlußheim/Neulußheim. Die Natur erleben, in Gemeinschaft zu wandern, Ski oder Rad zu fahren, das ist in etwa das Anliegen der Naturfreunde, deren Ortsgruppe Lußheim in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Doch das gemeinsame Erleben von und in der Natur ist nur ein Teil der Bewegung, die sich nicht ohne Grund Naturfreunde nennt. Denn genau das wollen sie sein, Freunde der Natur, deren Anwalt und Fürsprecher.

Was heißt dies konkret? „Die Naturfreunde Deutschlands sind ein sozial-ökologischer und gesellschaftspolitisch aktiver Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur“, ist als Leitsatz auf der Homepage der Naturfreunde Deutschland zu lesen. Ein Motto, dem sich mittlerweile mehr als 65 000 Mitglieder in 540 Ortsgruppen verpflichtet fühlen, die sich ehrenamtliche engagieren für die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft.

Naturfreunde Lußheim: Zugang zur Natur erkämpft

Nachhaltigkeit ist ein Stichwort, das gut in die heutige Zeit passt, Ende des 19. Jahrhunderts, als der Touristenverein die Naturfreunde gegründet wurde, stand eindeutig noch der politische Kampf im Mittelpunkt. Es war die Zeit der Industrialisierung, die Menschen wanderten vom Land in die Städte, in denen sie oft unter ärmlichen Verhältnissen lebten. Das neue Leben spielte sich hinter Mauern ab, sei es in der Wohnung, der Fabrik oder im Wirtshaus.

Feier im Wagbachhäusl

„Ein Jubiläum ist ein besonderer Meilenstein, lasst uns feiern – auf 100 Jahre voller Engagement, Leidenschaft und Erfolg“, stellen die Naturfreunde Lussheim fest und laden am Samstag, 31. August, 18 Uhr, ins Wagbachhäusl in Altlußheim zur Feier ein.

Nach der Eröffnung und Begrüßung durch Vorsitzenden Dietmar Bauer erklingen die Alphörner, werden Grußworte gesprochen. Es schließen sich Ehrungen an und umrahmt wird die Feierstunde durch die Band „Speedy Gonzales“, die anschließend zum Tanz aufspielt. aw

Im März 1895 schaltete der Wiener Sozialist und Lehrer Georg Schmiedl mehrere Anzeigen, mit denen er Gleichgesinnte zur Gründung einer touristischen Gruppe finden wollte. „Immer mehr lebt in unserem Volke das Streben auf, dem Staub und der Enge der Großstadt und der freudlosen Arbeit auf kurze Zeit zu entfliehen und, das Ränzel auf dem Rücken, den Wanderstab in der Hand, zu Fuß das Land zu durchstreifen, um Natur und Land und Volke in unmittelbarer Anschauung kennenzulernen“, formulierte Schmiedl mit großem Erfolg, im September des gleichen Jahres feierten die Naturfreunde ihre Geburtsstunde und schnell breitete sich die Bewegung aus, 1905 wurde in Deutschland die erste Ortsgruppe in München gegründet.

Den Menschen die Schönheiten der Natur erschließen

Den arbeitenden Menschen den Zugang zur Natur zu erschließen, war das Ziel der Gründergeneration der Naturfreunde-Bewegung. Wobei der Zugang durchaus wörtlich zu nehmen ist – galt es diesen doch gegen die bürgerlich-privaten Interessen der Großgrundbesitzer und existierenden Wander-, Bergsteiger- und Sportvereine, die den Arbeitern die Mitgliedschaft verwehrten, zu erkämpfen.

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Den Menschen die Schönheiten der Natur zu erschließen, der Arbeiterschaft einen Lebensinhalt abseits der 60- bis 70-Stundenwochen zu vermitteln, war das Ziel und motivierte auch in Altlußheim Menschen, sich den Naturfreunden anzuschließen: Fünf Ehepaare waren es, die es, so die Chronik des Ortsvereins, vor 100 Jahren wagten, „sich den Staub der arbeitsreichen Wochen abzuschütteln und hinauszuwandern in die Natur“.

Ziel der Sehnsucht waren zu Beginn für die Altlußheimer der Odenwald und der nahe Schwarzwald. Denn Autofahrten waren zu damaligen Zeit noch nicht denkbar, von Fünftagewoche und bezahltem Urlaub war man gleichfalls noch weit entfernt, sodass die Aktivitäten an Ostern oder Pfingsten stattfanden.

An Ostern 1924 stand der erste Ausflug in den Analen der Ortsgruppe: Mit Rucksack, Proviant und Kochgeschirr machte sich die Gruppe auf den Weg nach Neulußheim zum Bahnhof. Bis zur Mittagszeit war der nördliche Schwarzwald erreicht und „mit einem Wanderlied auf den Lippen ging es hinein in die freiheitlichen Gefilde der Natur“, wie die Chronik überliefert.

Lange Jahre nahm der Skisport breiten Raum bei den Naturfreunden Lußheim ein. Regelmäßig Freizeiten in die Skigebiete waren an der Tagesordnung. Für 30 Jahre Treue zum Gebiet Brend wurde die Gruppe gar von der Stadt Furtwangen ausgezeichnet. © naturfreunde

Diese verschweigt aber nicht, dass die Wanderer nicht überall willkommen waren – sie waren für viele noch ein Fremdkörper. Doch die Begeisterung überwog und im Sommer des gleichen Jahres fand im Gasthaus „Zur Pfalz“ die Gründungsversammlung mit zwölf Mitgliedern statt. Zum ersten Vorsitzenden wurde Heinrich Gary gewählt, die Ortsgruppe Altlußheim des Touristenvereins der Naturfreunde war gegründet. Allerdings, wegen der geringen Mitgliederzahl, noch als Sektion der Ortsgruppe Hockenheim geführt. Was die Altlußheimer durchaus wurmte, der Ehrgeiz war geweckt und schon ein Jahr später waren sie eine eigenständige Ortsgruppe.

Naturfreunde Lußheim: Um Skigruppe erweitert

Ende der 1920er Jahre wurde die Ortsgruppe um eine Skigruppe erweitert und da das Wandern immer mit Singen verbunden ist, kommt folgerichtig Anfang der 1930er Jahre eine Musikgruppe hinzu. Kurzum, die Ortsgruppe befand sich im steten Aufwärtstrend, als 1933 die Nazis an die Macht kamen und sämtliche Vereine, die der sozialistischen Arbeiterbewegung angehörten, verboten wurden. Bis 1946 ruht die Vereinstätigkeit der Naturfreunde.

Im Juni 1946 wurde die Ortsgruppe mit August Hinkelbein an der Spitze neu gegründet. 17 Jahre lang sollte er die Gruppe leiten und zu neuer Blüte führen. Sein Augenmerk galt der Kinder- und Jugendarbeit, mit der Folge, dass viele Familien zu den Naturfreunden stießen. Fahrten an den Bodensee oder in den Schwarzwald waren Höhepunkte, Zeltlager an der Tagesordnung und noch heute gehören Anekdoten aus dieser Zeit zum festen Bestandteil der Ortsgruppe.

1964 entschloss sich die Ortsgruppe zum Bau eines Vereinsheims. Mit der Gemeinde wurde ein Erbpachtvertrag geschlossen und schon bei der Sonnwendfeier 1965 konnte dank des Einsatzes aller die Einweihung des Wagbachhäusl gefeiert werden.

Naturfreunde Lußheim

  • Der Vorstand: Vorsitzender ist Dietmar Bauer, Neulußheim, zweite Vorsitzende Ruth Marker, Altlußheim. Kassiererin ist Inge Auer, Neulußheim, Schriftführerin Charlotte Fallmann, Altlußheim, Pressewartin Karin Brandenburger. Die Wanderleitung hat Friedhelm Kief, Radtouren stehen unter der Regie von Walter Pustal und die Gymnastikgruppe leitet Uschi Nitsche.
  • Die Mitglieder treffen sich jeden Donnerstag ab 19 Uhr im Naturfreundehaus Wagbachhäusl.
  • Gymnastik findet jeden Donnerstag außerhalb der Ferienzeit ab 17 Uhr in der Schulturnhalle Altlußheim statt.
  • Radtouren stehen jeden 4. Mittwoch im Monat, zwischen April und Oktober, im Kalender.
  • Die jährlichen Wanderungen sind dem Veranstaltungs- und Wanderplan der Naturfreunde Lußheim zu entnehmen. aw

Die Naturfreunde hatten nun ein Domizil, das zum Mittelpunkt für die Wochenendtreffen werden sollte und das Vereinsleben forciert. Mitte der 1960er Jahre wurde eine Wintersportabteilung gegründet, Skikurse für Anfänger wurden eingerichtet und oft reichten zwei Busse zu den Touren in den Schnee nicht aus, die Mitgliederzahl nahm erheblich zu, Jugend- und Kindergruppen wurden gegründet. Hausberg der Altlußheimer war der „Brend“ im Schwarzwald, auf dem 1972 die erste Vereinsmeisterschaft ausgetragen wurde. 1999 wurde die Ortsgruppe, in ihrem Jubiläumsjahr zum 75-jährigen Bestehen, für ihre 30-jährige Treue zum Naturfreundehaus Brend von der Stadt Furtwangen geehrt. Alfred Lehmann war es gewesen, der den Kontakt in den Schwarzwald herstellte und Wintersport Abteilungsleiter Günther Ballreich, der ihn weidlich pflegte, wie die Jubiläumsschrift zum 75. verkündet.

Skifreizeiten im Elsass, Österreich oder Südtirol kamen hinzu, die Mitgliederzahl stieg kontinuierlich, da auch der Bereich des Wanderns ausgebaut wurde, Ende der 1960er Jahre wurden die Monatswanderungen fest installiert, deren Ziel meist die Pfalz war. Die Zahl der Wanderungen wurde im Jahreswanderplan gebündelt, nun wurden die Tagestouren mit dem Bus angesteuert, was die Geselligkeit sichtlich förderte.

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Abgerundet wurde das Angebot durch sportliche Betätigungen, die regelmäßigen Gymnastikstunden und die Seniorenradlergruppe. 1972 beteiligte sich die Ortsgruppe erstmals mit ihrem Nachwuchs am Landeskindertreffen, was jährlich beibehalten und 1981 mit einem ersten Platz beim Landeskindertreffen in Weingarten belohnt wurde. Die Zeltlager mit ihren bis zu 800 Teilnehmern waren für die Kinder stets ein Erlebnis.

Natufreunde Lußheim: Vereinsheim ausgebaut

Für all die Aktivitäten und steigenden Mitgliederzahlen war das Wagbachhäusl längst zu klein, 1968 wurde ein Anbau beschlossen, der 1970 der Öffentlichkeit übergeben wurde. Ursprünglich wurde das Naturfreundehaus, wie es der Philosophie des Vereins entspricht, selbst bewirtschaftet. Was mit den Jahren an der nachlassenden Bereitschaft der Mitglieder zur Hilfe scheiterte – das Vereinsheim wurde verpachtet und so ist es bis heute.

Doch der Umbau stürzte den Verein in Geldsorgen, gut zehn Jahre dauerte es, bis durch Wein- und Familienfeste, Altennachmittage und Sonnenwendfeiern genug Kapital erwirtschaftet wurde, um wieder schuldenfrei zu sein, die anstehenden Sanierungen finanzieren zu können.

Hinaus in die Natur lautet schon immer das Motto des Touristenvereins. Sehr beliebt bei den Mitgliedern sind die Wanderungen, die meist in die benachbarte Pfalz führen. © Naturfreunde

Nicht unterschlagen werden darf, dass die Ortsgruppe sich in den 1980er Jahren umbenannte – fortan hieß es „Naturfreunde Lußheim“. Schon länger waren viele Neulußheimer Familien Mitglied bei den Naturfreunden, die 50-Jahr-Feier fand unter beiden Gemeindewappen statt und so war die Umbenennung nur die logische Folge. Diese Entwicklung zeigt sich in der aktuellen Besetzung des Vorstands gleichermaßen – Vorsitzender ist der Neulußheimer Dietmar Bauer, die zweite Vorsitzende Ruth Marker ist Altlußheimerin.

Naturfreunde Lußheim: Gymnastik, Radfahren und Wandern

Und auch wenn viele der Aktivitäten mit Beginn des 21. Jahrhunderts eingestellt wurden, drei Säulen des Vereinslebens haben bis heute Bestand: die Gymnastikgruppe, die Radgruppe und natürlich die Wanderungen. Vier Stück stehen in diesem Jahr noch im Kalender, geführt von jeweils anderen Mitgliedern. So geht es am Sonntag, 25. Augst, in die Vorderpfalz, am Sonntag, 15. September, in den Schwarzwald, am Sonntag, 6. Oktober, in die Pfalz. Am Samstag, 9. November, steht dann die Abschlusswanderung des Jahres an. Und natürlich gibt es ein reges Vereinsleben ums Wagbachhäusl herum. Regelmäßig treffen sich die Mitglieder und tauschen sich aus, planen neue Wander- und Radtouren durch die Region und die weitere Umgebung.

Und – so Vorsitzender Dietmar Bauer im Gespräch mit unserer Zeitung – die Sonnwendfeiern mit großem Feuern dürfen aus Sicherheitsgründen nicht mehr stattfinden, die Waldbrandgefahr sei zu groß. Immerhin liegt das Naturfreundehaus im Bärlach, „fast schon ein Naturschutzgebiet“, so Bauer. Und die Naturfreunde achten darauf, dass die Natur zu ihrem Recht kommt, lassen vieles blühen und gedeihen. Und Sonnwend wird jetzt halt im Winter gefeiert, dann mit Glühwein und geringerem Brandrisiko.

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