Brühl. Da schienen selbst die Verantwortlichen der Bürgerinitiative gegen Tiefe Geothermie, Rainer Hüngerle, Thomas Gaisbauer und Ursula Calero-Löser, vom Ansturm der Interessierten überrascht. Rund 80 Menschen aus Brühl, Ketsch, den umliegenden Gemeinden und aus von Geothermieplänen betroffenen Kommunen der Pfalz waren der Einladung zum ersten Informationsstammtisch im TV-Clubhaus gefolgt. Immer wieder mussten weitere Stühle in den Saal gebracht werden, bis auch die letzten Nachzügler einen Platz hatten. Drei Stunden lang wurden Meinungen ausgetauscht, Wissen weitergegeben und manchmal sogar kontrovers diskutiert, wenn etwa einzelne Gesprächsteilnehmer das „Scheitern einer rein ideologischen Energiewende der Grünen“ kritisierten.
Zunächst gab Thomas Gaisbauer als einer der beiden Vorsitzenden der BI einen Rückblick auf all das, was seit Gründung der Gruppe in Sachen „Nein zu Erdwärme-Kraftwerken“ gelaufen sei, welchen Kampf gegen Windmühlenflügel man angeritten habe bis hin zum aktuellen Stand, also den Folgen der Erkundung des Untergrundes für zahlreiche Hausbesitzer. „Da geht es um gravierendere Schäden als nur die oft zitierten Haarrisse“, betonte Gaisbauer. „Da ist es uns wichtig, über die beiden Kommunen Brühl und Ketsch hinaus mit Betroffenen zusammenzukommen, um festzulegen, was man weiter machen kann“, so Gaisbauer.
Geothermie: Bürgerinitiative braucht Mitglieder außerhalb von Brühl
Dabei betonte er aber in regelmäßigen Abständen, dass diese Arbeit nicht nur von den jetzigen BI-Mitgliedern in Brühl und Ketsch geleistet werden könne. „Da kommen wir personell an unsere Grenzen.“ Die Zusammensetzung des vielköpfigen Stammtischs zeigte bei den Wortmeldungen, dass gerade Schwetzinger Hausbesitzer zu Betroffenen der Erkundung gehören. „Man kann nur in gemeinsamer Arbeit etwas erreichen“, warb die BI ein ums andere Mal um Engagement aus den umliegenden Orten im gesamten sogenannten Erschließungsgebiet Hardt.
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Sein Amtskollege aus Ketsch, Rainer Hüngerle, legte nach, indem er betonte, dass es ein Hauptziel dieses Abends und der Arbeit insgesamt sei, auch Bürger der Nachbarkommunen ins Boot zu holen. Die Ruhe, die sich scheinbar beim Thema Geothermie eingeschlichen habe, sei durch die „Rüttelaktion“ beendet worden.
Er stellte deshalb aus seiner Sicht dar, was alles passieren könnte, wenn die Planungen insbesondere der Firma Vulcan Energy Realität würden. „Hochgerechnet müsste alle paar Kilometer im Oberrheingraben ein Geothermie-Kraftwerk entstehen, das sich auch der von diesem Unternehmen versprochenen Gewinnung von Lithium widmen wird.“ Im Landkreis Karlsruhe sei das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rhein-Neckar-Kreis bereits zu erkennen. Dabei unterstrich Hüngerle, dass sich aus seiner Sicht dieses Unternehmen, das bisher wenig tatsächliche Erfahrungen vorweisen könne, selbst im für sie günstigsten Fall vertraglich übernommen habe.
Den Besuchern brannte aber erkennbar ein ganz anderes Thema unter den Nägeln. Gleich zwölf Hausbesitzer aus der Region meldeten sich, als gefragt wurde, wer aktuell wegen Schäden durch die seismische Erkundung durch die Firma Geohardt mit Rüttelfahrzeugen Schäden zu verzeichnen habe. Schnell wurde klar, dass sich diese scheinbar Geschädigten, deren Häuser zahlreiche Risse bekommen hätten, im Kampf um eine Begleichung der Schäden alleingelassen fühlten. Zahlreiche Teilnehmer der Versammlung berichteten davon, wie Politiker, Geohardt, deren Versicherungen und Gutachter wenig Engagement zeigten.
Brühler Bürgerinitiative: Geothermie-Verantwortliche spielen auf Zeit
Obwohl manche Risse die Hauswände so komplett durchziehen würden, dass man die Zugluft von Außen spüre, würde, so hieß es, von den Verantwortlichen auf Zeit gespielt. Weder die eigene Hausrat- noch die Gebäudeversicherung würden bei Schäden durch menschengemachte Beben aufkommen – da gelte das Verursacherprinzip, erklärten mehrere Fachleute im Publikum. Schäden dürften erst behoben werden, wenn das komplette versicherungstechnische Verfahren durchlaufen sei, habe man ihnen, so die Wortbeiträge immer wieder, mitgeteilt. „Es heißt regelmäßig, wir müssten Geduld haben“, berichtete ein Betroffener, der wie die meisten anderen Diskussionsteilnehmer in Schwetzingen wohnt.
Zudem sei vom Unternehmen auf eine angeblich mangelnde Bausubstanz bei den Häusern verwiesen worden. „Wir fühlen uns einfach alleingelassen mit unseren teilweise hohen Schäden“, so ein Betroffener. 70 Schadensfälle seien inzwischen gemeldet worden. Versicherungsfachleute im Publikum betonten, man solle sich nicht auf irgendwelche Kulanzversprechen verlassen: „Der Verursacher ist haftbar“.
Die Bürgerinitiative möchte nun die Betroffenen der 3D-Seismik an einen Tisch holen, um die Kräfte zu bündeln. Gleichwohl besteht nach wie vor die Idee, weitere Initiativen in Nachbarorten zu gründen, um künftig möglichen Schäden durch die Geothermie schon im Vorfeld zu begegnen, damit nicht auch dort das Kind erst in den Brunnen fallen müsse.
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