Freie Wähler Brühl im Sommerinterview: Ortsentwicklung, Finanzen und Zukunft

In unserem Sommerinterview spricht die Fraktion der Freien Wähler in Brühl unter anderem über die aktuelle Situation der Gemeinde, finanzielle Herausforderungen, Geothermie, Kinderbetreuung und Einsparungsmöglichkeiten.

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Architekt Jörg Blume (r.) erläutert im Juni bei der Einweihung die Erweiterung des Sonnenschein-Kindergartens. Der Anbau bietet Platz für drei zusätzliche Krippengruppen. © Widdrat

Brühl. Kinderbetreuung, Haushaltsplanung, Klimaveränderung und die Geothermie in der Gemeinde – wie steht es aktuell um Brühl? In unserer Sommerinterview-Reihe äußern sich die im Gemeinderat vertretenen Fraktionen vor der Kommunalwahl 2024 zu diesen Themen. Diesmal antworten die Freien Wähler (FW) mit den Ratsmitgliedern Heidi Sennwitz, Claudia Stauffer, Jens Gredel, Klaus Pietsch, Ursula Calero Löser und Elke Schwenzer.

Wie steht Brühl aktuell da?

FW: Die Freien Wähler haben sich in der Vergangenheit stets für eine Ortsentwicklung eingesetzt, die für alle Altersgruppen attraktiv ist. Die vorhandene Infrastruktur hält jederzeit einem Vergleich im Rhein-Neckar-Kreis statt. Schulen, Kinderbetreuung, Seniorenversorgung und sozialer Wohnungsbau haben einen guten Standard. Daneben verfügen wir in Brühl über ein ausgeprägtes Vereinsleben mit einer großen Zahl an aktiven Mitgliedern. Insgesamt betrachtet, ist Brühl also eine intakte Gemeinde. Mit Blick auf die Haushaltsentwicklung sind aber auch Sorgen angebracht. Künftig müssen wir bei der prognostizierten Schuldenentwicklung in den kommenden Jahren sehr genau schauen, zu welchen Zweck wir die knapper werden Mittel einsetzen.

Was sind aus Sicht Ihrer Fraktion die dringlichsten Aufgaben der nächsten zwölf Monate?

FW: Es gibt aus Sicht der Freien Wähler eine ganze Reihe von Aufgaben, die in den kommenden zwölf Monaten thematisiert und vorangebracht werden müssen. Im Hinblick auf die Haushaltsentwicklung der Gemeinde sind die Gespräche zur verstärkten Beteiligung von Bund und Land an den Kosten für die Kinderbetreuung und Flüchtlingsunterbringung als vordringlich zu bezeichnen. Mit Blick auf die prognostizierten Klimaveränderungen muss schnell die Risikoabschätzung für die etwaigen Folgen von Starkniederschlägen vorgenommen werden, damit die notwendigen Schritte zum Schutz der Bevölkerung rasch eingeleitet können. Gleichzeitig sind die Maßnahmen aus dem kommunalen Klimaschutzkonzept umzusetzen und weiterzuentwickeln. Wünschenswert wäre auch die Fortentwicklung des Radwegenetzes, insbesondere mit Blickrichtung auf die Kollerinsel.

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Was kann auf der Einnahmenseite gemacht werden, um die Finanzsituation der Gemeinde dauerhaft zu sichern?

FW: Die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen wird leider immer größer, wir bauen also ein wachsendes Defizit auf. Bis 2026 erreicht der Schuldenstand laut Haushaltsplan 12,4 Millionen Euro. Der Handlungsspielraum auf der Einnahmenseite ist sehr eingeschränkt. Zuletzt wurden die Menschen in Brühl durch Gebühren- und Steuererhöhungen (Grundsteuer) deutlich stärker belastet. Hier sehen die Freien Wähler das Ende der Fahnenstange erreicht. Eine Möglichkeit zur Einnahmenerhöhung sehen wir in der Ansiedlung weiterer Gewerbebetriebe (Gewerbesteuern). Entsprechende Flächen stehen zur Verfügung. Gleichzeitig müssen wir darauf hinwirken, die gestiegenen Transferleistungen zu reduzieren und Bund und Land mehr in die dauerhafte Pflicht zur besseren Unterstützung der eben genannten Aufgaben zu bringen.

Wo sollte die Gemeinde in naher Zukunft Geld einsparen? Welche Freiwilligkeitsleistungen sollten auf den Prüfstand?

FW: Grundsätzlich sind alle Ausgaben unter dem Aspekt der Haushaltsentwicklung zu betrachten. Bei Investitionen muss der Blick auch immer auf die jährlichen Folgekosten gerichtet sein. Das war zuletzt leider nicht immer so. Alle Fördermaßnahmen sollten hinsichtlich Umfangs und Dauer fortlaufend auf ihre weitere Notwendigkeit geprüft werden. Anders ausgedrückt, eine pauschale Streichung von freiwilligen Leistungen der Gemeinde sehen wir nicht als zielführend an. Vielmehr gilt es jeden Einzelfall vernünftig zu prüfen und dann zu entscheiden. Dieser Grundsatz war für die Freien Wähler schon immer maßstabsbildend.

Wie bewerten Sie die Entscheidungen zur „Grünen Mitte“?

FW: Der Name „Grüne Mitte“ ist für die Freien Wähler sehr fragwürdig. Immerhin wird eine bislang grüne Fläche nun weitestgehend bebaut. Wir haben uns stark für die Bürgerbeteiligung im Rahmen eines runden Tisches eingesetzt. Einige Ergebnisse fanden sich im späteren Bebauungsplan auch wieder. Leider wurden aber für uns wesentliche Punkte der Vorschläge nicht berücksichtigt, wie zum Beispiel die Reduzierung der Bauhöhe des geplanten Seniorenzentrums und größere Abstandsflächen zwischen den Gebäuden. Hier hätten wir uns im Interesse der Menschen im Wohnumfeld mehr gewünscht. Deshalb haben wir als Freie Wähler den mehrheitlich vom übrigen Gemeinderat befürworteten Bebauungsplan dafür abgelehnt.

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Wie soll die Gemeinde auf die Klimaveränderungen reagieren?

FW: Erforderlich ist aus unserer Sicht eine umfassende Risikoabschätzung hinsichtlich der Gefahren von Starkniederschlägen und der Situation unseres Kanalnetzes und Hochwasserschutz auf dem Gebiet unserer Gemeinde. Des Weiteren gilt es unser Stromleitungsnetz hinsichtlich seiner Zukunftsfähigkeit zu prüfen. Letztlich muss es in der Lage sein, die Vielzahl der künftig noch zu erwartenden Wärmepumpen und Ladestationen für E-Autos zu versorgen. Erkannte Defizite im Kanal- und Stromleitungsnetz müssen mit hoher Priorität den neuen Anforderungen angepasst werden.

Wie sehen Sie die Situation des Einzelhandels in Brühl? Wo kann die Kommune bei Wirtschaftsthemen unterstützend eingreifen?

FW: Grundsätzlich ist die Situation des Einzelhandels in Gemeinden wie Brühl als sehr schwierig zu bezeichnen. Ein verändertes Einkaufsverhalten, Stichwort Internethandel, und auch die starke Präsenz von Supermärkten und Discountern haben die wirtschaftliche Führung von traditionellen Einzelhandelsgeschäften sehr erschwert. Die Möglichkeiten der Kommunen sind eingeschränkt. Wichtig wäre aus unserer Sicht eine engere Einbindung des Einzelhandels und der Gewerbebetriebe, bei Entscheidungen zu neuen Ansiedlungen von Betrieben. Eine Wiederbelebung des Formats „Wirtschaft im Gespräch“ wäre dabei eine gute Möglichkeit. Daneben muss die Gemeinde die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen an vorgesehenen Gewerbeflächen schaffen und attraktive Rahmenbedingungen für Neuansiedlungen schaffen. Wir sollten aber auch an alle Brühler appellieren im Ort einzukaufen, um die ansässigen Geschäfte zu unterstützen.

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Wie bewerten Sie die Situation der Kinderbetreuung in Brühl?

FW: Die Freien Wähler haben sich seit vielen Jahren für einen konsequenten Ausbau der Kinderbetreuung und Erhaltung des hohen Standards an unseren Einrichtungen eingesetzt. Insgesamt ist die Situation in der Gemeinde ist als gut zu bezeichnen. Zahllose Maßnahmen an allen Einrichtungen wurden in der Vergangenheit umgesetzt. Als maßstabsbildend ist auch das von uns ausdrücklich unterstützte Kinderbildungszentrum an der Schillerschule zu nennen. Hier investiert die Gemeinde rund 9,5 Millionen Euro. Für unsere Gemeinde bedeuten die auch von den Freien Wählern priorisierten Maßnahmen jedes Jahr eine hohe finanzielle Belastung. Diese Anstrengungen sind aber Investitionen in die Zukunft und deshalb im Interesse der Familien in unserer Gemeinde richtig und wichtig.

Geothermie ist angesichts der Wärmewende wieder ein bundesweit wichtiges Thema – auch für Brühl?

FW: Die Freien Wähler unterstützen im Grundsatz Maßnahmen zur sogenannten Wärmewende. Hierbei sollten allerdings alle Aspekte des Themas hinlänglich betrachtet und bewertet werden. Die Nutzung der Tiefengeothermie im Oberrheingraben haben wir von Anbeginn sehr kritisch betrachtet. Die Gefahren dieser Technik in den hiesigen geologischen Strukturen halten wir nach wie vor für zu hoch und lehnen deshalb im Interesse der Menschen unserer Gemeinde jede weitere Planung auf unserer Gemarkung kategorisch ab. Zum Voranbringen der Wärmewende müssen in Brühl andere Ansätze gewählt werden. Beispielhaft seien der Ausbau der Fernwärme – allerdings ohne Tiefengeo-thermie – Sonnenenergie, Flusskraftwerke oder Wasserstoff genannt.

Wie beurteilen Sie die angedachte Unterbringung der Flüchtlinge in Wohncontainern?

FW: Die dezentrale Verteilung von Kriegsflüchtlingen und Asylbegehrenden haben die Freien Wähler seit jeher als die beste und richtige Lösung angesehen. Nur so ist eine Integration hinreichend schnell und gut realisierbar. Mit den steigenden Zahlen, insbesondere seit Beginn des Ukrainekrieges, ist dies aber leider nicht mehr realisierbar. Entsprechender Wohnraum in Bestandsgebäuden ist nicht mehr verfügbar. Mit den neuen Zuweisungen – etwa 190 weitere Menschen – bleibt zu unserem großen Bedauern nach der Anmietung des „Brühler Hofs“ nun nur noch die Lösung mit Wohncontainern – hoffentlich kein dauerhafter Zustand

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