Brühl. Spaziergänger am Rhein sind oft irritiert, wenn plötzlich ein Dutzend bemannter Rettungsboote an ihnen vorbeirauschen. In einer Kette fahrend suchen sie den Fluss ab. „Das sieht immer ein bisschen martialisch und übertrieben aus“, gibt Marco Krupp, Kommandant der Feuerwehr in Brühl, zu. Weil man bei Unfällen in dem Fließgewässer nie genau wisse, wohin es Geschädigte getrieben hat, würde man am Anfang immer groß auffahren, erklärt er. Was da vor sich ginge, sei allerdings „hochkomplex und eine logistische Meisterleistung“ – es trägt den Namen Rheinalarm.
Er wird ausgelöst, wenn Personen am und auf dem Rhein in den Abschnitten zwischen Mannheim und Speyer Notrufe tätigen, weil sie beispielsweise im Wasser treibende Personen beobachtet haben oder sich ein Bootsunfall ereignet hat. Die Komplexität bei Rettungseinsätzen ergibt sich in solchen Fällen aus drei Gründen: Zunächst lässt sich der Notruf nur schwer orten, weil die absetzende Person meist nicht sagen kann, an welchem Rheinkilometer sie sich befindet.
Anmeldung Newsletter "Topthemen am Abend"
Zusätzlich teilt der Rhein die beiden Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und durchfließt verschiedene Städte, Kreise und Kommunen, wodurch die Zuständigkeiten der jeweiligen Leitstellen und Hilfskräfte ebenfalls schwer trennbar sind. Zuletzt handelt es sich bei einem Ereignis auf einem Fließgewässer stets um eine dynamische Situation. „Wenn ein Haus brennt, steht es immer an derselben Stelle. Treibt allerdings jemand im Rhein, befindet er sich beim Eintreffen der Feuerwehr schon an einer ganz anderen Position flussabwärts als zum Zeitpunkt des Notrufs“, schildert Krupp bildlich.
Zuständigkeiten bei Rheinalarm zwischen Mannheim und Speyer aufgeteilt
Aus Problemen bei Rettungseinsätzen in solchen Situationen sei die Idee entstanden, eine einheitliche Vorgehensweise zu etablieren. 2019 mit angestoßen vom Mitglied der Brühler Wehr Cort Bröcker wurde in einem Arbeitskreis nach rund einem Dreivierteljahr der Beratung ein Plan für den Rheinalarm in einem 30-seitigen Dokument festgezurrt. „Was können wir als Feuerwehr machen, um bei Fällen im Wasser besser helfen zu können?“ sei zu Beginn die zentrale Frage gewesen. Dabei habe man sich klarmachen müssen, wer wie viele Boote welcher Art an welchen Bereichen zur Verfügung stellt und wie sich die Zuständigkeiten aufteilen würden. Zur Orientierung diente dabei ein bereits vorhandener Notfallplan für den Neckar.
„Früher hat es immer großes Chaos gegeben. Alle sind auf dem Wasser herumgefahren, aber keiner wusste, wer eigentlich was macht“, blickt Bröcker zurück. Der Rheinalarm-Plan habe zahlreiche Vorteile und Verbesserungen mit sich gebracht. „Wir arbeiten eng mit der Berufsfeuerwehr, den Wehren Badens und der Pfalz sowie der Wasserschutzpolizei zusammen.“ Denn am Rheinalarm sind nicht nur verschiedene Feuerwehren – in Baden-Württemberg jene aus Brühl, Ketsch, Schwetzingen, Altlußheim und Hockenheim – für die technische Rettung, sondern auch die DLRG sowie die Polizei beteiligt: „Die ist Herr des Geschehens. So wie bei einem Unfall auf der Autobahn auch.“
Wie läuft ein Rettungseinsatz auf dem Rhein nach dem Rheinalarm-Plan nun konkret ab? Geht ein Notruf ein, landet dieser meist in den Leitstellen in Heidelberg oder Ladenburg. Dort werden mittels Auslösen des Rheinalarms sofort alle Rheinanlieger alarmiert, erzählt Kommandant Krupp aus der Praxis.
Boot für Rettungsaktionen bei Rheinalarm liegt ständig im Wasser
Für die Brühler Wehr heißt das: „Ein Fahrzeug mit vier Personen wird startklar gemacht, zwei davon in Schwimmanzügen. Das fährt zum Jachthafen in Rheinau, wo unser Mehrzweckboot liegt. Die Gruppe fährt dann den Rhein aufwärts in Richtung Einsatzstelle.“ Dabei haben die Brühler den Vorteil – als einzige Feuerwehr im Umkreis – über ein Boot zu verfügen, das dauerhaft im Wasser liegt und entsprechend schnell verfügbar ist. „Damit sind wir im Schnitt in acht Minuten in der Mitte des Rheinstroms.“ Andere Einsatzkräfte müssten ihre Boote erst an geeigneten Stellen ins Wasser lassen.
Im zweiten Schritt würde von den Brühler Kameraden in der Feuerwehrhalle am Schrankenbuckel ein weiteres Rettungsboot bereitgemacht, das auf einem Anhänger in Richtung Feuerwehrgelände am Rhein fährt, gefolgt von Löschfahrzeug und Gerätewagen. „Das ist unser Sammelpunkt, wo die Brühler Rettungskette bereitgestellt wird.“ Gleichzeitig macht sich ein Einsatzleitwagen auf den Weg zur Unfallstelle. „In dem Auto befindet sich auch eine Drohne, um den Rhein abzufliegen.“ Im Idealfall kann die Person, die den Notruf getätigt hat, ausfindig gemacht werden. Berechnet man deren Beobachtung mit der Fließgeschwindigkeit des Rheins, lässt sich in etwa die Einsatzstelle ermitteln. Zur möglichst großflächigen Suche würde sich zeitgleich das eingangs beschriebene Szenario aus bis zu einem Dutzend Booten ergeben, besetzt mit Kräften von Wehren der Umgebung sowie dem aus der Region Heidelberg hinzugezogenen DLRG, das in einer Suchkette den Fluss abfährt.
Um eine reibungslose Kommunikation unter den vielen Beteiligten zu gewährleisten, wurde diese vor einigen Jahren auf Digitalfunk umgestellt. „Früher stand jeder auf seinem Boot und man hat sich gegenseitig angeschrien, weil es halt nicht anders ging“, berichtet Krupp. „Jetzt kann jeder mit jedem kommunizieren, ob aus der Pfalz oder Baden-Württemberg, ob Rettungsdienst oder Polizei.“
Hohe Investitionen in Ausrüstung für die Rettung auf dem Rhein
Die Brühler Feuerwehr hat in den vergangenen Jahren technisch aufgerüstet. So falle nicht nur Miete für den permanenten Liegeplatz im Hafen an, auch seien ein weiteres Rettungsboot sowie Schwimmanzüge, -helme und Wurfleinen angeschafft worden. In Summe habe die Gemeinde dem Kommandanten zufolge für verschiedene Wasserrettungskomponenten in den vergangenen Jahren rund 60 000 Euro investiert. Aus der Erfahrung meint Krupp, dass die Brühler „meines Erachtens gut aufgestellt“ seien.
Der seit 2020 bestehende Plan für den Rheinalarm hat sich inzwischen etabliert und bewährt. In aktuellen Jahr sei er bisher dreimal ausgelöst worden. „Die jüngsten Einsätze haben gezeigt, dass es der richtige Weg war, das in der Form auszuarbeiten“, zieht Cort Bröcker ein zufriedenstellendes Fazit. Aktuell arbeite er an einem neuen Konzept, das bei Unfällen der Flusskreuzschifffahrt angewandt werden soll, denn der zu Abschnitt zwischen Speyer und Mannheim gehöre diesbezüglich zu den meist befahrenen Gebieten.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/bruehl_artikel,-bruehl-rheinalarm-koordinierte-rettungseinsaetze-auf-dem-fluss-bei-bruehl-_arid,2120384.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/bruehl.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/speyer.html
[3] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/altlussheim.html