Sozialarbeit

Jugendarbeit in Brühl: Der etwas andere Freund und Helfer

Im Brühler Jugendzentrum finden junge Menschen bei Anliegen unterschiedlicher Art Gehör  - manche verbringen aber auch einfach ihre Freizeit dort.

Von 
Nicolai Lehnort
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Die beiden Sozialarbeiter Jens Petri (l.) und Eva Wolfgang (r.) hinter der Theke haben immer ein offenes Ohr für die Jugendlichen Marie, Evi, Sevita und Sören, die es sich auf den Barhockern bequem gemacht haben. © Lehnort

Brühl. Als ich den Jugendtreff im Rennerswald in Brühl betrete, sitzen die Jugendlichen auf Barhockern an der Theke. Sören malt in einem Buch, Evi hat sich gerade etwas zu Trinken gekauft und Sevita unterhält sich mit Sozialarbeiterin Eva Wolfgang über ihre Klamotten. Gemeinsam mit Kollege Jens Petri sitzt sie hinter der Theke: „Wir kommen hier einfach hin, um zu chillen“, sagt Sevita, die in Brühl wohnt. Der 14-jährige Sören spielt gern auch mal Tischkicker gegen Betreuer Jens. Marie (13) kommt später dazu, „weil mein Freund im Urlaub ist und ich keine Lust habe, den ganzen Tag zu Hause zu sitzen. Ich hab ja Ferien“.

Oft kämen die Jugendlichen, weil sie kein eigenes Kinderzimmer oder keine Lust auf ständiges Stören durch die Eltern hätten, wie der staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieher Petri erzählt. „Oder weil für eine größere Freundesgruppe von zehn Leuten zu Hause schlicht kein Platz ist.“ Im Brühler Jugendzentrum (Juz), das seit rund 20 Jahren am Rennerswald gegenüber des aktuell im Umbau befindlichen Einkaufszentrums beherbergt ist und vom Verein Postillion betrieben wird, können sie in der sogenannten Chillout-Lounge auf einer großzügigen Couch abhängen, fernsehen oder auf der Spielekonsole zocken.

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Im großen Eingangsbereich bietet ein Tisch genügend Platz für große Gruppen. Dort laden auch Tischkicker, Billardtisch und Dartscheibe zum Freizeitvergnügen ein.

Sensible Gesprächsthemen bei der Jugendarbeit in Brühl

Nicht immer kommen die Jugendlichen nur zum Vergnügen her. „Man kann mit uns über alles reden und wird dabei nicht verurteilt“, beschreibt Petri die Rolle der Sozialarbeiter. Etwa über den Konsum von Drogen, die Thematiken Liebe, Sex oder Schulden – Probleme, die in Gesprächen mit Eltern oder Geschwistern heikel sein können. Ein klassisches Thema sei auch, wenn jemand in einen falschen Freundeskreis gerate.

Die drei Sozialarbeiter – neben Eva Wolfgang und Jens Petri ist auch Emanuel Kuderna für die Jugendarbeit in Brühl und Ketsch zuständig – stehen ihnen unterstützend und beratend zur Seite. „Wir sprechen uns dann unter vier Augen im Büro oder gehen zu zweit spazieren“, schildert die 17-jährige Sevita das Vorgehen in sensiblen Fällen.

Durch das Aneinanderreihen unterschiedlicher Thematiken könnten Einzelfälle sogar über mehrere Jahre begleitet werden. Wolfgang schränkt aber ein: „Wenn wir an unsere Grenzen stoßen, vermitteln wir auch weiter – an die Sucht- oder Schuldnerberatung zum Beispiel.“

Betreuer Jens Petri (r.) spielt mit den Jugendlichen im Hof Basketball. © Nicolai Lehnort

Oftmals gehe es aber um alltägliche Aspekte, die zahllose junge Menschen in diesem Lebensabschnitt beschäftigen, meint Petri: „Wenn ich mit der Schule fertig bin, was mache ich dann?“ Sie zeigen den Klienten dann mehrere Möglichkeiten auf, unterstützen auch beim Schreiben von Bewerbungen oder vermitteln Praktika an die jungen Leute.

So wie im Fall von Evi: Die 17-Jährige absolviert nach dem Hauptschulabschluss ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Nachmittagsbetreuung einer Grundschule. Eva Wolfgang begleitete sie durch den Bewerbungsprozess. „Ohne Eva hätte ich das nicht geschafft“, gibt auch Sevita zu, die nach dem Realschulabschluss ähnliche Hilfe erhalten hat. Die 17-Jährige findet im Brühler Jugendzentrum ohnehin für all ihre Anliegen die richtigen Ansprechpartner: „Wenn ich was brauche, komme ich hierher: ob es um Bewerbungen geht oder ob man einfach mal jemanden zum Reden sucht.“

Ansprache vor Ort

Um die Jugendlichen, die durchschnittlich meist zwischen 13 und 18 Jahren alt sind, mit ihren Sorgen nicht alleine zu lassen, sind die Sozialarbeiter zwei- bis dreimal pro Woche auf den Straßen der Gemeinden Brühl und Ketsch unterwegs und betreiben Streetwork. „Wir laufen herum und sprechen Jugendliche an, fragen, was sie beschäftigt und was so bei ihnen los ist“, legt Petri die Vorgehensweise dar. „Meist versuchen wir, über Smalltalk eine Beziehung aufzubauen.“ Dann könnten sie sich eher den Sozialarbeitern im Optimalfall Stück für Stück anvertrauen. „Wenn sie dich gar nicht kennen, warum sollen sie dir dann ihre Sorgen erzählen?“, so Wolfgang.

In Brühl sind die Gruppen vor allem im Steffi-Graf-Park, an der Halfpipe oder bei der Anlegestelle der Kollerfähre anzutreffen. „Das ist die niederschwelligste Art, mit ihnen in Kontakt zu kommen, weil wir dort hinkommen, wo sie sind.“ Dabei treffen sie auf Jugendliche, mit denen sie nur draußen Kontakt halten, die aber manchmal gar nie in die Räumlichkeiten kämen. Andere wiederum kennen sie nur aus dem Juz.

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Dabei gibt es in der ehemaligen Lagerhalle im Brühler Jugendtreff vom verspiegelten Tanzraum über die Mädchenecke mit Schminktisch bis hin zum Airhockey vielfältige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Vor zwei Jahren wurden die Räumlichkeiten gemeinsam mit den Jugendlichen renoviert, aktuell laufe ein über Fördergelder finanziertes Projekt zur Umgestaltung des Außenbereichs. Hochbeete und selbst gestaltete Sitzmöglichkeiten aus Autoreifen sind schon entstanden, eine neue Beleuchtung und eine Graffitiwand zum legalen Sprühen sollen noch folgen.

Zusätzlich gebe es immer wieder „niederschwellige Angebote über das ganze Jahr verteilt“, so Petri. Seine Kollegin Eva Wolfgang führt aus: „Wichtig ist, dass der Impuls von den Jugendlichen ausgeht, dass sie Lust drauf haben und damit etwas anstoßen.“ So hätte man zuletzt gemeinsam gekocht, im Winter sei man Schlittschuhlaufen gewesen. „Wir waren auch zusammen im Schwimmbad“, wirft Evi ein. Ein Campingausflug sei momentan noch in der Planung, verrät Petri.

Knackpunkt kaputte Heizung

Im kommenden Winter hoffen die beiden Sozialarbeiter das Angebot aufrechterhalten zu können, denn: „Die letzten beiden Winter mussten wir schließen, weil die Heizung kaputt war.“ Sie befänden sich dabei in einer ungünstigen Konstellation aus Gemeinde, Vermieter und Gebäudemanagement, das bislang keine Lösung für das Heizungsproblem ausarbeiten konnte. „Und wir alle sitzen dazwischen“, sagt Wolfgang und meint damit nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die am Tresen sitzenden Jugendlichen.

Für sie sind Jens Petri und Eva Wolfgang vom Brühler Juz weder wie Eltern noch wie Geschwister oder gar Lehrer. „Ihr wisst manchmal gar nicht so genau, was wir für euch sind, oder?“, fragt Wolfgang in die Runde. „So etwas wie erwachsene Freunde, die mit Rat und Tat zur Seite stehen“, schlage ich vor. Sören erwidert: „Sie sind einfach wie Freund und Helfer für uns.“

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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