Villa Meixner

René Sydow in Brühl: Geistreiche Gedanken- und Wortspiele

Der Kabarettist gastiert mit seinem neuesten Programm „In ganzen Sätzen“ und ist dabei nicht wirklich oberlehrerhaft. Das Austeilen klappt hingegen sehr gut.

Von 
Maria Herlo
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René Sydow überzeugt in der Villa Meixner mit „In ganzen Sätzen“. © Dorothea Lenhardt

Brühl. Einen solchen Kabarettisten braucht die Bühne, einen, der „in ganzen Sätzen“ spricht wie René Sydow. Mit dem gleichnamigen Programm gastierte der sympathische, gut aussehende junge Mann vor ausverkauftem Saal in der Villa Meixner und sprach an, „was in der Gesellschaft verschleiert und totgeschwiegen“ wird.

Leicht machte er es den Zuhörern aber nicht, er setzte bei ihnen einen gewissen Grad an Bildung und Aufmerksamkeit voraus. Denn seine geistvollen sowie boshaften Anspielungen auf Politik, Klimawandel, Sprache, soziale Netzwerke oder Internet, allesamt in rasendem Tempo formuliert, erforderte ein hohes Maß an Hintergrundwissen und Konzentration.

Dem Publikum im Saal der Jugendstilvilla mangelte es an beidem offensichtlich nicht, sie gingen mit: Sydows klug formulierte Pointen lösten immer wieder Lacher aus, eine beeindruckende Leistung.

Sprache ist für René Sydow alles

Katja Rheude, Mitarbeiterin der Kulturarbeit im Rathaus, stellte den 1980 in Ravensburg geborenen Kabarettisten als vielfach begabten Künstler vor, der in der Öffentlichkeit als Schauspieler, Regisseur, Autor und Kabarettist präsent ist und seit einem Jahrzehnt mit seinen Programmen – „Gedanken! Los!“ (2014), „Warnung vor dem Munde“ (2016), „Die Bürde des weisen Mannes“ (2018) „Heimsuchung“ (2020), „Bis auf Heiteres“ (2022) – durch Deutschland tourt und große Erfolge feiert.

Umso erfreulicher war es, dass sie ihn nun in Brühl begrüßen durfte und so viele Menschen in den Genuss seiner intelligenten und geistreichen Gedanken- sowie Wortspiele kamen.

Gleich zu Beginn gestand Sydow, dass er Sprache liebe, denn „Sprache ist alles – sie macht uns zum Menschen“. Und schon war er dabei, die „gendergerechte Sprache“ aus seiner Sicht als Unsinn zu entlarven. Natürlich sei die Gleichberechtigung der Geschlechter erstrebenswert, aber der aktuelle Sprachterror einer verbohrten Clique ist der falsche Weg dahin, „Sprache muss frei sein.“

Das Publikum unterhält sich bestens beim politischen Kabarett der Extraklasse. © Dorothea Lenhardt

Laut Political Correctness dürfe man kein falsches Wort benutzen, dabei sei „Sprache vielfältig, biegsam, es komme nie auf ein Wort an, sondern immer auf den Sprecher, auf den Kontext, in dem er es verwendet, auf den kulturellen Hintergrund“, stellte er seine ganz persönliche Argumentation vor.

René Sydow in Brühl: „Die Sprache der Politik ist die Sprache der Angst“

Ausgehend vom Wert der Rhetorik bei den alten Griechen gelangte Sydow schnell zur aktuellen Politik und zur Doppelbödigkeit der Sprache. Wenn sich Politiker wie die Grünen anfangs vehement gegen Krieg ausgesprochen hatten, fänden sie jetzt immer mehr Gründe für teure Aufrüstungen, indem sie in der Bevölkerung Angst schürten: „Die Sprache der Politik ist die Sprache der Angst.“

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Spitzenpolitiker wie Christian Lindner nannte er „die KI von den freien Labilen“ und Karl Lauterbach ist für ihn schlichtweg „das politische Kassengestell“. Großartig finde er hingegen, dass in Deutschland alles für den Klimaschutz getan werde. Leider werde dabei vergessen, dass man sich Klimaschutz als reiches Land auch leisten könne, hungernde Menschen jedoch nicht: „Wer Klima schützen will, muss Armut bekämpfen“. Für ihn erreicht Klimaschutz seine Grenzen, wenn Aktivisten Kunstwerke mit Lebensmittel bewerfen: „Ich halte es für kontraproduktiv, wenn man auf die Zerstörung der Welt damit reagiert, dass man das einzig Erhabene angreift, was die Menschheit geschaffen hat, Gemälde von Claude Monet oder Vincent van Gogh, die Ausdruck purer Liebe zur Welt sind.“

René Sydows Vorschlag in Brühl: Das Internet abschalten

Wenn man wirklich Angst um die Umwelt habe, solle man „seinen Brei auf die Zentralen von Amazon, Facebook oder Netflix werfen. Das Digitale ist der Feind der Natur und nicht das Kunstwerk“. Sein privater Vorschlag für den Kampf gegen Klimawandel wäre, einfach das Internet abschalten und wieder „Hautkontakt“ probieren.

Das hätte mehrere Vorteile: Es gäbe keine sozialen Netzwerke („sprachlicher Straßenstrich der Datenautobahn“), keine Influencer („das Wort riecht nach Reizhusten und Rotz“) und keine Bitcoin-Millionäre, „wir wären nicht mehr damit beschäftigt, uns vor Sonnenuntergängen in Yogaposen zu filmen und so tonnenweise Strom zu verbrauchen“.

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Mit linguistischer Brillanz hat Sydow zudem die technischen Veränderungen seziert, die nicht immer Fortschritt bedeuten: „ChatGPT ersetzt das eigene Denken und Thermomix schmackhaftes Essen, das Mobiltelefon die Diskothek als Ort, wo man einst Partner und Drogendealer kennenlernte.“

Die herrlich subversive Boshaftigkeit, mit denen der Kabarettist ernste Themen voller Humor in den Blick nahm, sein leidenschaftliches Plädoyer für die Sprache („das Grundrauschen der Welt“), ihre Komplexität und Fallgruben, begeisterten restlos das Publikum.

Freie Autorin

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