Niederschwelliges Angebot

Ukrainische Geflüchtete in Brühl: Begegnungscafé für Solidarität und Hoffnung

Erfahre, wie ein Begegnungscafé in Brühl ukrainischen Geflüchteten hilft, ihre Heimatlosigkeit zu überwinden und eine neue Gemeinschaft aufzubauen. Eine Geschichte von Hoffnung und Zusammenhalt inmitten des Krieges in der Ukraine.

Von 
Stefan Kern
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Sie erzählen ihre Geschichte im Begegnungscafé für ukrainische Geflüchtete in der Festhalle (v. l.): Svitlana, Petro, Oleh, Doris, Daniil, Katerina, Diana, Tetiana, Inna und Angelika sowie von der Gemeindeverwaltung Isabelle Benkart und Irina Haas. © Dorothea Lenhardt

Brühl. Seit über einem Jahr tobt der Krieg in der Ukraine. Viele Menschen sind in ihm umgekommen und das Leid der Lebenden erscheint unermesslich. Und doch, so präsent die Berichterstattung ist, bleibt der Krieg in Deutschland abstrakt. Nach dem Kriegsbeginn im Februar 2022 steht nun der zweite Sommer vor der Tür. Es wird gelebt, geliebt und gefeiert und das ist in den Augen der Besucher des Begegnungscafés für ukrainische Geflüchtete in der Brühler Festhalle, auch völlig in Ordnung.

Aber das Leid der Menschen in der Ukraine sollte nicht vergessen werden. Denn auf das Vergessen folgt oft eine Entsolidarisierung und das würde ohne Frage ein Rückgang der allgemeinen Hilfsbereitschaft bedeuten. Und so ist dieses Café im Mehrzweckraum in der Festhalle nicht nur eine Brücke für die Ukrainer in Richtung Deutschland, sondern auch eine Brücke für Deutsche in dieses kriegsgeschundene Land im Osten Europas.

Knapp 120 Geflüchtete sind in Brühl untergekommen

Wichtig, so die Dolmetscherin Irina Haas-Ritter und die Flüchtlingsbeauftragte Isabelle Benkart, sei das Begegnungscafé natürlich erst einmal für die knapp 120 in der Hufeisengemeinde untergekommenen Ukrainer. Einfach ein niederschwelliges Angebot für den gegenseitigen Austausch. Den Krieg verstehen, können eigentlich nur die Betroffenen. Bei selbst gebackenen Kuchen, Kaffee und Tee sitzen knapp 15 Ukrainer zusammen und reden. Und man merkt schnell, dass das gemeinsame Schicksal zusammenschweißt. Keine verschworene Gemeinschaft, aber sie wissen einfach, was es bedeutet, wenn der Gegenüber von Sorgen spricht oder was es heißt, kein Zuhause mehr zu haben. Und zwar nicht symbolisch, sondern ganz praktisch, weil die russischen Streitkräfte alles zerstört haben.

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Dabei machen die Ukrainer hier gar keine große Geschichte draus. Fast schon zurückhaltend erzählen sie. Der siebenjährige Daniil sagte eigentlich nur vier Worte: „Mir fehlt meine Mama“. Im Oktober 2022 kam er mit seiner Oma Katherina nach Deutschland. Ihre Tochter, so Katherina, habe entschieden, dass er in Sicherheit groß werden müsste. Und in der Ukraine gebe es keine Sicherheit, für niemanden. Die Mutter selbst entschied sich gegen die Flucht aus Kiew, weil sie Angst hatte, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und in der Folge für ihren Sohn und ihre Mutter nicht mehr Sorgen könne. Und so geht der Junge nun in die Jahnschule und ist gezwungen, fern der Heimat und vor allem weit weg von seiner Mutter die nächsten Schritte ins Leben zu machen. Während des Gesprächs lächelt der Junge viel, aber die Großmutter ließ im Gespräch keinen Zweifel daran, dass sich hinter dem Lächeln ein Ozean aus Heimweh verberge.

Das Zuhause in Mariupol gibt es nicht mehr

Tatjana ist mit ihrer 16-jährigen Tochter Diana vor einem Jahr aus Kiew geflüchtet. Der Mann blieb in Kiew. Er ist Sanitäter und das Land könne auf ihn nicht verzichten. Diana geht mittlerweile auf das Karl-Friedrich-Gymnasium und wie ihre Mutter scheint sie sich in Deutschland willkommen und wohl zu fühlen. Trotzdem befinde sich das ganze Leben hier unter einem Schleier aus Sorgen um den Mann, den Vater, die Freunde und um das ganze Land. Am Ende leben die Beiden für nur ein Ziel, die Heimkehr.

Ganz anders sehen Svitlana und Petro ihre Zukunft. Sie stammen aus der Hafenstadt Mariupol, am Ufer des Asowschen Meeres gelegen. Die strategisch wichtige Hafenstadt wurde bereits im Mai des vergangenen Jahres von russischen Kräften erobert und erlitt massive Zerstörungen. Von ihrem Leben in Mariupol sei nichts mehr übrig. Das Haus ist zerstört, alles, was sie besaßen, ist weg und auch das soziale Netz existiert in der Stadt nicht mehr.

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Und so scheint für die beiden klar, dass ihre Zukunft in Deutschland liege. „Es gibt einfach nichts mehr, wohin wir zurückkehren könnten.“ Und für einen Neuanfang fühlen sie sich zu alt, „das schaffen wir nicht mehr“.

Eine Sicht, die auch Oleh aus Cherson und Angela aus Donezk teilen. Die Heimat zu verlassen, sei immer schwer. Doch es gebe einen Punkt, an dem die Heimat zumindest räumlich aufhöre zu existieren. Cherson war monatelang von den Russen besetzt. Im November 2022 gelang zwar die Befreiung, aber bis heute wird die Stadt von den russischen Streitkräften beschossen.

In Donezk im Osten der Ukraine, ging es nicht nur um den Raum, sondern auch die Identität. Einem UN-Bericht zufolge, sei dort die Auslöschung der ukrainischen Identität das Ziel. An eine Rückkehr glauben sie nicht mehr, sodass sie nun versuchen, in Brühl Fuß zu fassen. Suzanne aus Charkiw, ebenfalls ganz im Osten der Ukraine gelegen, weiß noch nicht so genau, wohin es gehen soll. Ihre Heimatstadt, wie sie sie kannte, gibt es nicht mehr. Sie fühle sich in einer Art Zwischenwelt mit nur wenig Orientierung. Ob sie zurückkehrt, will sie erst nach Kriegsende entscheiden.

Es waren nicht die großen Geschichten, aber gerade diese eher kleinen Erzählungen von Trennungen, Entwurzlungen und Sorgen zeichnen ein erschütterndes Bild des Krieges. Was Krieg wirklich bedeutet, weiß man als Zuhörer noch nicht. Aber man weiß, dass man den Menschen unbedingt beistehen muss.

Info: Das Begegnungscafés für ukrainische Geflüchtete in der Festhalle findet jeden letzten Mittwoch des Monats von 17 bis 19 Uhr statt.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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